Eine MS kostet sieben Lebensjahre

Die Lebenserwartung von Menschen mit MS hat in den vergangenen 40 Jahren erheblich zugenommen – ein Teil davon lässt sich auf krankheitsmodifizierende Therapien zurückführen. Allerdings verkürzt eine MS das Leben noch immer um rund sieben Jahre. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Können moderne krankheitsmodifizierende Therapien (DMT) nicht nur die MS-Progression verzögern, sondern auch das Leben von MS-Kranken verlängern? Dies wird zwar immer wieder spekuliert, lässt sich aber nur sehr schwer beweisen, schließlich sind keine Placebo-kontrollierten Langzeitstudien zu dieser Frage möglich. Hinweise können jedoch epidemiologische Daten liefern, etwa das Sterbealter von Menschen mit MS oder die Sterberate. Und hier hat sich in den vergangenen Dekaden einiges getan. So gibt es mittlerweile Hinweise, dass Menschen mit einer Diagnose ab Mitte der 1990er-Jahre, als die ersten DMT auf den Markt kamen, deutlich weniger Lebensjahre verlieren als solche mit einer früheren Diagnose. Ein Team um Dr. Katariina Kuutti von der Neurologie der Uniklinik in Turku kann dies nun mit einer finnischen Registeranalyse bestätigen: Die Lebenserwartungen von Menschen mit und ohne MS nähern sich seither immer mehr an, es bleibt allerdings noch eine Differenz von rund sieben Jahren. Übersterblichkeit deutlich gesunken Für ihre Untersuchung haben Kuutti und Mitarbeitende über 16.600 MS-Kranke aus einem finnischen MS-Register sowie einem landesweiten Gesundheitsregister identifiziert und Sterbedaten über einen Zeitraum von bis zu 45 Jahren ausgewertet. Im Median erfolgte die Diagnose mit 36 Jahren, bei etwa 70% im Zeitalter der DMT nach 1995, rund zwei Drittel der MS-Kranken waren Frauen. Zwischen den Jahren 1971 und 2020 starb ein Viertel der Untersuchten (4124 Personen). Über alle MS-Kranken hinweg war die standardisierte Mortalität um das 2,4-Fache höher als in der Allgemeinbevölkerung. Wurde nur die Zeit zwischen 1980 und 1999 betrachtet, lag die alters- und geschlechtsstandardisierte Mortalität unter MS-Kranken rund dreifach höher, zwischen den Jahren 2000 und 2020 war sie noch verdoppelt. Der Blick auf das Diagnosejahr führt zu einem ähnlichen Ergebnis: Lag es vor 1985, dann war die Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung mehr als verdreifacht, bei einer Diagnose ab 1996 etwas weniger als verdoppelt. Auch bei der Übersterblichkeit bezogen auf 1000 Personenjahre deutete sich seit Beginn der DMT-Ära eine Verbesserung an: Sie halbierte sich mit Beginn des neuen Jahrhunderts von 14 auf rund 7 zusätzliche Todesfälle unter MS-Kranken. Vor 40 Jahren wurden MS-Kranke nicht alt Noch besser greifbar werden die Veränderungen mit einer anderen Zahl: Vor 1980 betrug das Sterbealter von MS-Kranken im Mittel 52 Jahre, zwischen 2010 und 2020 waren es bereits 69 Jahre – ein Plus von 17 Jahren. Zwar ist im selben Zeitraum auch die Lebenserwartung der finnischen Bevölkerung etwas gestiegen, aber lange nicht so dramatisch: 1980 lag das Sterbealter von Frauen in Finnland bei 78 Jahren, unter Frauen mit MS waren es 48 Jahre – eine Differenz von 30 Jahren. 2020 betrug das Sterbealter jeweils 82 und 70 Jahre – ein Unterschied von nur noch zwölf Jahren. Nicht ganz so groß sind die Diskrepanzen für Männer: 1980 lag das Sterbealter für MS-Kranke um 20 Jahre, 2020 um rund acht Jahre niedriger als in der Allgemeinbevölkerung. Der Abstand zur Allgemeinbevölkerung dürfte künftig noch weiter schrumpfen. So kommen die Forschenden anhand der ausgewerteten Daten auf eine Lebenswartung von 77 Jahren unter heute lebenden MS-Kranken, in der entsprechenden Allgemeinbevölkerung sind es mit 84 Jahren nur noch sieben Jahre mehr. Als ursächliche oder beitragende Todesursache unter MS-Kranken wurde bei drei Vierteln die MS genannt, gefolgt von vaskulären Erkrankungen und Krebs. Die häufigste unmittelbare Todesursache war ein respiratorischer Infekt – darauf ließen sich 28% der Todesfälle zwischen 2000 und 2020 zurückführen. Die Forschenden um Kuutti betonen, dass sich mit rascheren Diagnosen, wirksameren DMT, aggressiveren Therapien und einer besseren Kontrolle von Komorbiditäten das Überleben von MS-Kranken der Allgemeinbevölkerung weiter annähern dürfte. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hat sich die Mortalität bei finnischen MS-Kranken in den vergangenen 40 Jahren entwickelt? Antwort: Die Sterberate ist zwar noch immer rund doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung, vor 40 Jahren war sie aber noch dreifach höher. Das Sterbealter von MS-Kranken nähert sich inzwischen immer mehr dem in der Allgemeinbevölkerung an. Bedeutung: MS-Kranke haben derzeit eine um sieben Jahre geringere Lebenserwartung verglichen mit Menschen in der Allgemeinbevölkerung. Verbesserungen in Diagnose, Therapie und Komorbiditätsmanagement könnten das Sterberisiko weiter senken. Einschränkung: Daten beziehen sich auf Finnland. Einfluss von MS-Therapien lässt sich nicht direkt nachweisen.

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