Viel UV-Licht in der Kindheit, halbiertes MS-Risiko

Wer als Kind viel Zeit an der frischen Luft verbringt und dabei nicht ständig Lichtschutzfaktor 50 aufträgt, erkrankt offenbar seltener an MS als Stubenhocker. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. In sonnigen und äquatornahen Breiten ist die MS-Prävalenz bekanntlich deutlich geringer als in den schattigeren Zonen unseres Planeten. Vieles spricht dafür, dass die UV-induzierte Vitamin-D-Produktion zum reduzierten Erkrankungsrisiko beiträgt, allerdings könnte Sonnenlicht auch andere oder zusätzlich Effekte haben. Schließlich ist unklar, ob es ein kritisches Zeitfenster für die UV-Exposition gibt. So könnte Sonnenlicht das Immunsystem vor allem in der Kindheit prägen. Eine Fall-Kontroll-Studie mit Teilnehmern der Nurses‘ Health Studies deutet darauf hin. Aber auch später scheint die UV-Exposition noch von Bedeutung zu sein. Für ihre Untersuchung konnten Neurologen um Professor Helen Tremlett von der Universität in Vancouver 151 Frauen mit MS aus den beiden Nurses‘ Health Studies gewinnen. Die Frauen waren im Laufe der Studien an MS erkrankt, für alle lagen Angaben zu Ernährungs- und Lebensgewohnheiten vor der MS-Diagnose vor. Diesen Frauen stellten die Forscher 235 Krankenschwestern aus der gleichen Geburtskohorte ohne MS gegenüber. Alle wurden gebeten, einen ausführlichen Fragebogen zur UV-Exposition auszufüllen. Die Teilnehmerinnen sollten sich möglichst genau daran erinnern, wie häufig sie von der Kindheit an das Jahr über in der Sonne gewesen waren (in Stunden pro Woche), wie oft sie Sonnencreme aufgetragen und wie häufig sie einen Sonnenbrand erlitten hatten. Bei den MS-Kranken wurden nur die Jahre vor der Diagnose berücksichtigt. Zudem schauten die Forscher, wo die Frauen seit ihrer Kindheit gelebt hatten und berechneten die in ihrer Umgebung verfügbare UV-Dosis. Diese hing vom Breitengrad und der durchschnittlichen Bewölkung ab. Aus allen diesen Angaben kalkulierten sie für jede Teilnehmerin die UV-B-Exposition und teilten diese in hoch, mittel und niedrig ein. 55% geringeres MS-Risiko Glaubt man den Erinnerungen der MS-Kranken, dann hatten sich diese deutlich weniger in der Sonne aufgehalten und insgesamt weniger UV-B-Licht abbekommen als Frauen ohne die Erkrankung. Bezogen auf die Gesamtexposition errechnete das Team um Tremlett ein um 55% geringeres MS-Risiko für Kinder, die im Alter von 5–15 Jahren in den Sommermonaten eine mittlere oder hohe UV-Dosis erhalten – verglichen mit Kindern, die nur selten die Sonne sehen. Für die Wintermonate ist der Zusammenhang ebenfalls erkennbar, aber geringer ausgeprägt und statistisch nicht signifikant. Empfehlung der Redaktion 2018 | OriginalPaper | Buchkapitel Multiple Sklerose und andere autoimmune ZNS-Erkrankungen Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) stellen eines der sich am schnellsten entwickelnden Gebiete in der Neurologie dar. Die Entdeckung neuer Autoantikörper hat zur Beschreibung neuer Krankheitsentitäten und zu einer … Lediglich einen Trend zu einem geringeren MS-Risiko ergeben die Daten für die UV-B-Gesamtexposition im Alter von 16–20 Jahren. Später zeigt sich jedoch wieder ein signifikanter Zusammenhang, und zwar für die Gesamtexposition in den Sommermonaten der 21- bis 30-Jährigen sowie für die Sommer- und Winterexposition der 31- bis 40-Jährigen. Für die Sommermonate kalkulierten die Forscher in der letzten Altersstufe ein um rund 80% reduziertes MS-Risiko bei hoher UV-B-Exposition, wenn Begleitfaktoren wie BMI, Rauchen oder Vitamin-D-Supplementierung berücksichtigt wurden. Mit Blick auf die direkt in der Sonne verbrachte Zeit ergibt sich ein signifikanter Zusammenhang lediglich für die 31- bis 40-Jährigen: Viel Zeit in der Sonne geht danach mit einem um 77% reduzierten MS-Risiko einher. Für die anderen Altersgruppen deutet sich immerhin ein Trend zugunsten einer hohen Sonnenexposition an. Wohnort relevant Schauten die Forscher nur auf die UV-Strahlung am Wohnort, fanden sie ebenfalls einen signifikanten Einfluss: Krankenschwestern in Regionen mit sehr hoher UV-B-Strahlung erkranken nach diesen Daten zu 45% seltener an MS als solche mit geringer UV-Belastung. Werden die einzelnen Altersgruppen betrachtet, ist der Zusammenhang jedoch nur für die Kindheit statistisch belastbar. Was lässt sich aus diesen Kalkulationen schließen? Zunächst einmal zeigt sich über alle Altersgruppen hinweg ein klarer Trend: viel UV-B, geringes MS-Risiko. Signifikant ist der Zusammenhang vor allem in der Kindheit und den Jahren vor der MS-Diagnose, was schlicht an der geringen Zahl der Teilnehmerinnen liegen könnte. Außerdem dürften sich die Frauen wohl vor allem gut an die Sonnenexposition der jüngst vergangenen Jahre erinnern. Es ist daher fraglich, wie zuverlässig die subjektiven Daten in den übrigen Altersstufen sind. Hinzu kommt, wie bei allen Fall-Kontroll-Studien, dass Patienten oft Risikofaktoren überbewerten. MS-Kranke tendieren vielleicht dazu, ihre UV-Exposition geringer zu schätzen, als sie tatsächlich ist, weil sie darin einen Grund für ihre Erkrankung sehen. Immerhin wird auch durch objektive Daten bestätigt, dass eine hohe UV-B-Strahlung am Wohnort mit einem reduzierten MS-Risiko einhergeht. Das Risiko scheint an Orten mit viel Sonnenlicht um etwa 50% reduziert zu sein, und zwar in allen Altersstufen, was jedoch schlicht daran liegen kann, dass die meisten Menschen konstant in einer Region wohnen bleiben. Ob es ein kritisches Zeitfenster für ein erhöhtes MS-Risiko gibt, lässt sich aus diesen Daten also kaum ablesen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wann ist die UV-Exposition relevant für das MS-Risiko? Antwort: Eine Fall-Kontroll-Studie sieht vor allem in der Kindheit und im mittleren Lebensalter bei geringer UV-Exposition ein relativ hohes MS-Risiko. Bedeutung: Viel Zeit an der frischen Luft – am besten von Kindesbeinen an – scheint vor MS zu schützen. Einschränkung: Die Analyse beruht zum Teil auf subjektiven Angaben, die Teilnehmerzahl war gering.

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