Skip to main content
Erschienen in: Der Nervenarzt 1/2020

01.02.2020 | Multiple Sklerose | Leitthema

SS-Hauptsturmführer Helmut J. Bauer (1914–2008)

verfasst von: Dr. rer. medic. Mathias Schmidt, Michael Martin, Dominik Groß

Erschienen in: Der Nervenarzt | Sonderheft 1/2020

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Zusammenfassung

Gut bekannt ist, dass Helmut Bauer ab 1963 als Ordinarius die Klinik für Neurologie an der Universität Göttingen leitete und einer der deutschen Pioniere der Multiple-Sklerose-Forschung war. Ferner wirkte er in den Jahren 1971 bis 1972 als Vorsitzender, später Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Zuvor war er bereits zum Ehrenmitglied ernannt worden. Nahezu unbekannt ist jedoch sein Lebensabschnitt, der ins „Dritte Reich“ und die unmittelbare Nachkriegszeit fällt. 1932 aus den USA zum Medizinstudium ins Deutsche Reich zurückgekehrt, nahm er 1940 wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an, was als Bekenntnis zum NS-Regime gewertet werden muss. Zunächst in der Auslandsabteilung der Reichsärztekammer tätig, trat er 1941 der SS bei und wirkte als Angehöriger des SS-Sonderkommandos Künsberg in Frankreich, Griechenland und Italien sowie von 1941 bis 1943 im Baltikum und in der Sowjetunion. Als Sachbearbeiter für Medizin gehörte die Beschlagnahmung medizinischer Materialien und Unterlagen, auch von Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und aus jüdischem Privatbesitz, zu seinen Aufgaben. 1943 und 1944 arbeitete er, zuletzt als SS-Hauptsturmführer, an der „Forschungsstelle für Auslandsmedizin“ sowie am Institut für Mikrobiologie auf Schloss Sachsenburg bei Frankenberg/Sachsen, einer gemeinsamen Einrichtung von Wehrmacht, Reichsinnenministerium und Robert-Koch-Institut in Kooperation mit der SS. Neben der Arbeit an einem Pestimpfstoff und der Beteiligung an Kriegspropaganda war die statistische Auswertung „rassischer Prüfungen“ von Umsiedlern eine der Hauptaufgaben der Forschungsstelle. Nach kurzer Internierung gelang es Bauer, das Entnazifizierungsverfahren 1948 als „Entlasteter“ abzuschließen und seine medizinische Karriere erfolgreich fortzusetzen. Demgegenüber ist festzustellen, dass Bauer in seinen diversen Funktionen in die politischen, militärischen und rassenhygienischen Verbrechen der Nationalsozialisten involviert war, und somit zu jener Gruppe von Personen gehörte, die das politische System mittrugen.
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Angrick A (2003) Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943. Hamburger Edition, HIS Verlag, Hamburg Angrick A (2003) Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943. Hamburger Edition, HIS Verlag, Hamburg
2.
Zurück zum Zitat Angrick A, Klein P (2006) Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Angrick A, Klein P (2006) Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
3.
Zurück zum Zitat Archiv Auswärtiges Amt, Berlin, Archivband R 27554 Archiv Auswärtiges Amt, Berlin, Archivband R 27554
5.
Zurück zum Zitat Einsatzberichte des SK Künsberg (1940/1941). Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin, R27554 Einsatzberichte des SK Künsberg (1940/1941). Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin, R27554
6.
Zurück zum Zitat Entnazifizierungsakte Bauer, Helmut Johannes (1947). Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Duisburg), NW1100/BG3400177 Entnazifizierungsakte Bauer, Helmut Johannes (1947). Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Duisburg), NW1100/BG3400177
7.
Zurück zum Zitat Fiebrandt M (2014) Auslese für die Siedlergesellschaft. Die Einbeziehung Volksdeutscher in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939–1945 Bd. 55. Vandenhoeck & Ruprecht, GöttingenCrossRef Fiebrandt M (2014) Auslese für die Siedlergesellschaft. Die Einbeziehung Volksdeutscher in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939–1945 Bd. 55. Vandenhoeck & Ruprecht, GöttingenCrossRef
8.
Zurück zum Zitat Franke N (1997) „Stets besonders eingesetzt“. Autoimmun 3:4–6 Franke N (1997) „Stets besonders eingesetzt“. Autoimmun 3:4–6
9.
Zurück zum Zitat Geißler E (1999) Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945, 2. Aufl. Studien zur Friedensforschung. LIT, Münster Geißler E (1999) Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945, 2. Aufl. Studien zur Friedensforschung. LIT, Münster
10.
Zurück zum Zitat Grüttner M (2012) Brandstifter und Biedermänner. Deutschland 1933–1939. Klett-Cotta, Stuttgart Grüttner M (2012) Brandstifter und Biedermänner. Deutschland 1933–1939. Klett-Cotta, Stuttgart
11.
Zurück zum Zitat Hartung U (1997) Raubzüge in der Sowjetunion. Das Sonderkommando Künsberg 1941–1943. Edition Temmen, Bremen Hartung U (1997) Raubzüge in der Sowjetunion. Das Sonderkommando Künsberg 1941–1943. Edition Temmen, Bremen
12.
Zurück zum Zitat Hein B (2012) Elite für Volk und Führer? Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder 1925–1945. Oldenbourg, MünchenCrossRef Hein B (2012) Elite für Volk und Führer? Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder 1925–1945. Oldenbourg, MünchenCrossRef
13.
Zurück zum Zitat Hein B (2015) Die SS. Geschichte und Verbrechen. C.H. Beck Wissen. C.H. Beck, München Hein B (2015) Die SS. Geschichte und Verbrechen. C.H. Beck Wissen. C.H. Beck, München
15.
Zurück zum Zitat Kontrollrats-Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946. Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Intensivierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen. Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 11, 31. Oktober 1946, S. 184. Abschnitt II, E (Die NSDAP-Gliederungen), 2 (Allgemeine SS und ihre sonstigen Gliederungen) Kontrollrats-Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946. Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Intensivierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen. Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 11, 31. Oktober 1946, S. 184. Abschnitt II, E (Die NSDAP-Gliederungen), 2 (Allgemeine SS und ihre sonstigen Gliederungen)
16.
Zurück zum Zitat Longerich P (1989) Die braunen Bataillone. Geschichte der SA. C.H. Beck, München Longerich P (1989) Die braunen Bataillone. Geschichte der SA. C.H. Beck, München
18.
Zurück zum Zitat Moser G (2006) „Forschungen für die Abwehr biologischer Kriegsmethoden“ und Krebsforschung im Zweiten Weltkrieg. Die Forschungsarbeiten beim „Reichsbevollmächtigten für Krebsforschung“, Kurt Blome, 1943–1945. In: Eckart WU, Neumann A (Hrsg) Medizin im Zweiten Weltkrieg. Militärmedizinische Praxis und medizinische Wissenschaft im „Totalen Krieg“. Krieg in der Geschichte, Bd. 30. Schöningh, Paderborn, S 131–150 Moser G (2006) „Forschungen für die Abwehr biologischer Kriegsmethoden“ und Krebsforschung im Zweiten Weltkrieg. Die Forschungsarbeiten beim „Reichsbevollmächtigten für Krebsforschung“, Kurt Blome, 1943–1945. In: Eckart WU, Neumann A (Hrsg) Medizin im Zweiten Weltkrieg. Militärmedizinische Praxis und medizinische Wissenschaft im „Totalen Krieg“. Krieg in der Geschichte, Bd. 30. Schöningh, Paderborn, S 131–150
19.
Zurück zum Zitat Moser G (2009) Peststämme aus dem Pariser Pasteur-Institut. Forschung und Entwicklung eines deutschen Pestimpfstoffes durch das Robert-Koch-Institut im NS-besetzten Europa. In: Hulverscheidt M, Laukötter A (Hrsg) Infektion und Institution. Zur Wissenschaftsgeschichte des Robert-Koch-Instituts im Nationalsozialismus. Wallstein, Göttingen, S 206–231 Moser G (2009) Peststämme aus dem Pariser Pasteur-Institut. Forschung und Entwicklung eines deutschen Pestimpfstoffes durch das Robert-Koch-Institut im NS-besetzten Europa. In: Hulverscheidt M, Laukötter A (Hrsg) Infektion und Institution. Zur Wissenschaftsgeschichte des Robert-Koch-Instituts im Nationalsozialismus. Wallstein, Göttingen, S 206–231
20.
Zurück zum Zitat Pfletschinger G (2000) Krebsstatistik, Medizinhistorik, „Umsiedlung“ und medizinische Auslandskontakte in der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik am Beispiel von Hellmut Haubold (02.10.1905–19.09.1968). Diss med., Berlin Pfletschinger G (2000) Krebsstatistik, Medizinhistorik, „Umsiedlung“ und medizinische Auslandskontakte in der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik am Beispiel von Hellmut Haubold (02.10.1905–19.09.1968). Diss med., Berlin
21.
Zurück zum Zitat Rauh P, Leven K‑H (2013) Ernst Wilhelm Baader (1892–1962) und die Arbeitsmedizin im Nationalsozialismus. Medizingeschichte im Kontext, Bd. 18. Peter Lang, Frankfurt am MainCrossRef Rauh P, Leven K‑H (2013) Ernst Wilhelm Baader (1892–1962) und die Arbeitsmedizin im Nationalsozialismus. Medizingeschichte im Kontext, Bd. 18. Peter Lang, Frankfurt am MainCrossRef
22.
Zurück zum Zitat Schmidt M, Gutsul N, Kleinmanns J (2017) Medizin und Politik in der NS-Zeit am Beispiel der Ärzte des „Sonderkommandos Künsberg“ und des „Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg“. In: Schmidt M, Groß D, Karenberg A (Hrsg) Neue Forschungen zur Medizingeschichte. Beiträge des „Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker“. Schriften des Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker, Bd. 4. University Press, Kassel, S 103–128 Schmidt M, Gutsul N, Kleinmanns J (2017) Medizin und Politik in der NS-Zeit am Beispiel der Ärzte des „Sonderkommandos Künsberg“ und des „Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg“. In: Schmidt M, Groß D, Karenberg A (Hrsg) Neue Forschungen zur Medizingeschichte. Beiträge des „Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker“. Schriften des Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker, Bd. 4. University Press, Kassel, S 103–128
23.
Zurück zum Zitat Schmidt M, Westemeier J, Groß D (2019) Renowned MS specialist and National Socialist: the two lives of neurologist Helmut J. Bauer (1914–2008). Neurology 93:109–113CrossRef Schmidt M, Westemeier J, Groß D (2019) Renowned MS specialist and National Socialist: the two lives of neurologist Helmut J. Bauer (1914–2008). Neurology 93:109–113CrossRef
24.
Zurück zum Zitat Siemens D (2012) Gewalt, Gemeinschaft, Inszenierung. Zur Geschichte der Sturmabteilung (SA) der NSDAP. In: Becker S, Studt C (Hrsg) „Und sie werden nicht mehr frei sein ihr ganzes Leben“. Funktion und Stellenwert der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände im „Dritten Reich“. LIT, Berlin, S 49–68 Siemens D (2012) Gewalt, Gemeinschaft, Inszenierung. Zur Geschichte der Sturmabteilung (SA) der NSDAP. In: Becker S, Studt C (Hrsg) „Und sie werden nicht mehr frei sein ihr ganzes Leben“. Funktion und Stellenwert der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände im „Dritten Reich“. LIT, Berlin, S 49–68
25.
Zurück zum Zitat SSO-Akte Bauer, Helmut Johannes (1941–1945). Bundesarchiv Berlin, VBS 286/6400001801 SSO-Akte Bauer, Helmut Johannes (1941–1945). Bundesarchiv Berlin, VBS 286/6400001801
Metadaten
Titel
SS-Hauptsturmführer Helmut J. Bauer (1914–2008)
verfasst von
Dr. rer. medic. Mathias Schmidt
Michael Martin
Dominik Groß
Publikationsdatum
01.02.2020
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Multiple Sklerose
Erschienen in
Der Nervenarzt / Ausgabe Sonderheft 1/2020
Print ISSN: 0028-2804
Elektronische ISSN: 1433-0407
DOI
https://doi.org/10.1007/s00115-019-00845-4

Weitere Artikel der Sonderheft 1/2020

Der Nervenarzt 1/2020 Zur Ausgabe

Passend zum Thema

ANZEIGE
OnSite Advertorial Multiple Sklerose
Service mit Mehrwert

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene

Diagnose und Therapie der MS können für Patient*innen und Neurolog*innen mit Herausforderungen einhergehen [1,2]. Mit umfangreichen Servicemaßnahmen klärt Biogen Ärztinnen und Ärzte über mögliche Therapieoptionen auf und unterstützt diese bei der Fortbildung sowie Betroffene im Alltag.