Refraktäres Myelom: Aus für Melflufen trotz positiver Studie

In der OCEAN-Studie zum refraktären multiplen Myelom wird mit Melflufen plus Dexamethason das primäre Ziel erreicht. Trotzdem ist die Studie der Auslöser für die Rücknahme des Peptid-Wirkstoff-Konjugats vom US-amerikanischen Markt. Die Tatsache, dass Drei- und Vierfachtherapien beim multiplem Myelom (MM) in immer frühere Therapielinien wandern, macht zusätzliche Medikamente mit neuen Wirkmechanismen für refraktäre Erkrankungen erforderlich. Als Kandidat dafür galt Melphalanflufenamid (Melflufen), das Medikament erhielt im Februar 2021 von der FDA eine beschleunigte Zulassung für diese Indikation. Melflufen ist der erste Vertreter einer neuen Klasse von Peptid-Wirkstoff-Konjugaten. Die Kopplung an ein Peptid macht den Wirkstoff lipophil und erleichtert die Passage durch die Zellmembran. In der Myelomzelle spalten die dort überexprimierten Aminopeptidasen die Peptidbindung und sorgen so dafür, dass die hydrophilen aktiven Komponenten Melphalan und Desethyl-Melflufen in der Zelle gefangen sind. In präklinischen Untersuchungen hatte Melflufen eine 50-mal höherer Zytotoxizität als Melphalan. Entscheidend für die FDA-Zulassung war die Phase-2-Studie HORIZON: Patienten mit multiplem Myelom (MM), das gegen drei Wirkstoffklassen refraktär war, sprachen zu 26% auf Melflufen plus Dexamethason an, das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 3,9 Monate. Der Fortbestand der Zulassung war jedoch geknüpft an den positiven Ausgang der offenen Phase-3-Studie OCEAN. PFS um 1,9 Monate verlängert Diese Bedingung wurde insofern erfüllt, als das primäre Ziel von OCEAN erreicht wurde: Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem MM und mit zwei bis vier vorausgegangenen Therapielinien und Lenalidomid-Resistenz lebten mit Melflufen/Dexamethason (n = 246) signifikant länger progressionsfrei als mit Pomalidomid/Dexamethason (n = 249). Gemäß dem unabhängigen Gutachtergremium lag das mediane PFS bei 6,8 gegenüber 4,9 Monaten bei einem Follow-up von median 15,5 bzw. 19,8 Monaten. Damit wurde das Risiko für Progress oder Tod durch Melflufen um 21% reduziert (HR 0,79; 95%-KI 0,64–0,98). Tendenziell erhöhtes Sterberisiko Die Gesamtansprechrate betrug 33% mit Melflufen und 27% mit Pomalidomid, eine statistisch bedeutungslose Differenz. Auch beim Gesamtüberleben (OS) gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen, rein numerisch war das mediane OS unter Melflufen mit 19,8 Monaten sogar kürzer als unter Pomalidomid mit 25,0 Monaten (HR 1,1; 95%-KI 0,85–1,44). Als Treiber für das tendenziell erhöhte Sterberisiko erwiesen sich die Studienteilnehmer, die zuvor eine autologe Stammzelltransplantation erhalten hatten (120 mit Melfluen und 125 mit Pomalidomid): Bei ihnen war das OS mit Melflufen signifikant kürzer als mit Pomalidomid (median 16,7 vs. 31,0 Monate). Empfehlung der Redaktion Multiples Myelom – Themenseite Das Multiple Myelom stellt etwa 10% aller Krebserkrankungen des blutbildenden Systems. Häufig als Synonym gebraucht wird der Begriff Plasmozytom. Auf unserer Themenseite finden Sie News, Übersichten und CME-Kurse zu dieser bösartigen Tumorerkrankung aus der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome. Die häufigsten Therapienebenwirkungen von Grad 3 oder 4 waren Thrombozytopenie (61% Melflufen vs. 9% Pomalidomid), Neutropenie (54% vs. 39%) und Anämie (38% vs. 10%). Schwerwiegende Nebenwirkungen ereigneten sich bei 42% vs. 46% der Patienten, am häufigsten Pneumonien und Thrombozytopenien. Es wurden zwei bzw. vier Todesfälle mit potenziellem Therapiebezug registriert. Warnung der FDA Aufgrund der jetzt auch in Lancet Haematology nachzulesenden Studienergebnisse hatte die FDA im Juni letzten Jahres vor einem erhöhten Sterberisiko in Zusammenhang mit Melflufen gewarnt. Der Hersteller Oncopeptides wurde aufgefordert, die Aufnahme von Patienten in die OCEAN-Studie und weitere Studien zu beenden. OCEAN-Teilnehmer, bei denen ein Nutzen der Therapie zu erkennen war, konnten nach entsprechender Aufklärung und Zustimmung mit Melflufen weiterbehandelt werden. Daraufhin entschied sich Oncopeptides im Oktober, den Wirkstoff vom Markt zu nehmen. In einem Kommentar zur Studie in Lancet Haematology stimmt der Autor Prashant Kapoor von der Mayo-Klinik in Rochester dem FDA-Urteil bei, die OS-Ergebnisse seien „besorgniserregend“. Zudem wecke ein PFS-Vorteil von zwei Monaten im Vergleich zu einer nicht standardgemäßen Kontrollgruppe Zweifel an der klinischen Relevanz. „Vorsichtig optimistisch“ stimmen Kapoor allerdings die Resultate bei den nicht transplantierten Patienten. Außerdem zeige OCEAN, dass Medikamente über eine Peptid-Plattform in die Tumorzellen geschleust werden könnten, hier sei eine weitere Generation von Medikamentenkandidaten zu erwarten.

Springer Medizin

Refraktäres Myelom: Aus für Melflufen trotz positiver Studie

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Onkologie

Adjuvante Immuntherapie verlängert Leben bei RCC

Alectinib verbessert krankheitsfreies Überleben bei ALK-positivem NSCLC

Bei Senioren mit Prostatakarzinom auf Anämie achten!

ICI-Therapie in der Schwangerschaft wird gut toleriert

Update Onkologie