Erfolg mit affinitätsverstärkten T-Zellen bei multiplem Myelom

Onkologen haben in Phase 1/2 eine neue Form des T-Zell-Engineerings bei therapierrefraktärem multiplem Myelom geprüft. Sie stellten ex vivo Zellen mit affinitätsverstärkten T-Zell-Rezeptoren her. Damit erzielten sie Ansprechraten von bis zu 80% – ohne Zytokinsturm. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Neue T-Zelltherapien werden derzeit gegen unterschiedliche Krebserkrankungen geprüft. Ärzte entnehmen den Patienten dabei T-Zellen und verändern sie gentechnisch so, dass sie den jeweiligen Tumor des Patienten zielgenau erkennen. Dies ist mit chimären Antigenrezeptoren möglich (CAR), die mithilfe viraler Transfervektoren übertragen werden. Vor rund einem Jahr wurde das erste Produkt dieser Art in der EU zugelassen. Bei Patienten mit Rezidiven oder erfolglosen Vortherapien haben Onkologen in Studien mit der CAR-T-Zelltherapie Ansprechraten bis zu 90% erzielt. Ein Problem dabei sind mitunter heftige Entzündungsreaktionen, sogenannte Zytokinstürme (cytokine release syndrome, CRS), sowie schwere neurotoxische Reaktionen. Ein anderer Weg besteht darin, T-Zellen mit natürlich vorkommenden Rezeptoren auszustatten, die Tumoren besser erkennen. Dies soll eine physiologischere Abwehrreaktion ermöglichen und schwere Nebenwirkungen vermeiden. Eine erste kleine Studie deutet auf eine hohe Ansprechrate ohne einen Zytokinsturm bei multiplem Myelom. Die neue T-Zelltherapie richtete sich gegen ein Neun-Aminosäuren-Peptid, welches sowohl in NY-ESO-1- als auch in LAGE-1-Antigenen* vorkommt und zusammen mit einem bestimmten HLA-A-Protein auf den Krebszellen präsentiert wird. NY-ESO-1 wird bei etwa 30% aller Patienten mit multiplem Myelom exprimiert, LAGE-1 bei rund 50%. Die Patienten müssen folglich bei dieser Therapie mit einem „specific peptide enhanced affinity receptor“ (SPEAR) entweder das eine oder das andere Antigen in den Tumoren aufweisen und zugleich das passende HLA-A-Allel haben, nur so können die modifizierten T-Zell-Rezeptoren die Tumorzellen erkennen. Ausgewählt für die Phase-1/2a-Studie wurden zudem Patienten, die für andere Therapien nicht oder nicht mehr infrage kamen, weil sie einen therapierefraktären oder rezidivierenden Tumor oder einen mit ungünstigem Risikoprofil aufwiesen. Dies war bei nur 25 von 85 untersuchten Patienten der Fall. Forscher um Edward Stadtmauer vom Abramson Cancer Center in Philadelphia isolierten zunächst T-Zellen der 25 Patienten per Apherese und transfizierten sie mit der Erbinformation für den affinitätsverstärkten Rezeptor. Zudem unterzogen sie die Patienten einer myeloablativen Chemotherapie mit Melphalan und einer anschließenden autologen Stammzellbehandlung. Zwei Tage nach dem Stammzelltransfer infundierten sie den Patienten die genmodifizierten und in Kultur expandierten T-Zellen. Die Betroffenen waren im Median 59 Jahre alt und zuvor mit drei verschiedenen Krebstherapien behandelt worden. Die Hälfte nach einem Jahr noch progressionsfrei Ein Jahr nach der Behandlung lebten noch 52% der Patienten progressionsfrei, nach drei Jahren noch drei. Im Median waren die Patienten knapp 14 Monate ohne Progression und 35 Monate insgesamt am Leben. Die objektive Ansprechrate betrug 80% nach 42 Tagen, 76% nach 100 Tagen und 44% nach einem Jahr. Wie erwartet, erlitten die meisten Patienten Grad-3- und -4-Nebenwirkungen als Folge der Melphalanbehandlung, die meisten erholten sich davon jedoch rasch wieder, bei einem Patienten blieb eine reduzierte Auswurffraktion bestehen. Eine bedrohliche Zytokinreaktion nach der T-Zell-Applikation wurde nicht beobachtet, es kam aber bei acht der Patienten zu einem makulopapulösen Ausschlag, ein Viertel entwickelte eine autologe Abstoßungsreaktion, die sich bei drei der Patienten als schwere Haut- oder Magen-Darm-Erkrankung manifestierte. Den Ärzten gelang es, solche Probleme mit Steroiden oder oralen Immunsuppressiva zu kontrollieren. Enzephalopathien oder Polyneuropathien wurden hingegen nicht festgestellt. Weitere Untersuchungen zeigten, dass sich die modifizierten T-Zellen in vivo vermehrten, ins Knochenmark wanderten und einige Zeit im Körper persistierten. Die Forscher sehen es als Erfolg, dass drei Jahre nach der Therapie fast noch die Hälfte der Patienten am Leben war und drei von ihnen keine Zeichen einer Tumorprogression zeigten. Nun müsse genauer geschaut werden, ob Persistenz der T-Zellen und Therapieerfolg in einem Zusammenhang stehen, berichtet das Team um Stadtmauer. *Abkürzungen: LAGE-1: L-antigen family member 1 NY-ESO-1: New York esophageal squamous cell carcinoma-1 Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie sicher und wirksam ist eine affinitätsverstärkte T-Zelltherapie bei multiplem Myelom? Antwort: In einer Phase-1/2-Studie war nach einem Jahr die Hälfte der Patienten mit rezidivierenden oder therapierefraktären Tumoren progressionsfrei, ohne dass ein Zytokinsturm beobachtet wurde. Bedeutung: Die affinitätsverstärkte T-Zelltherapie könnte sich als Alternative zur CAR-T-Zelltherapie entwickeln. Einschränkung: Kleine Studie mit 25 Patienten.

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