Risiken einer Opioid-Langzeittherapie

Unter einer länger dauernden Opioidbehandlung erhöht sich das Verletzungs- und Suchtrisiko deutlich. Auch Magen-Darm- sowie Eisenmangelbeschwerden treten gehäuft auf. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Opioidverschreibungen haben in den letzten beiden Dekaden drastisch zugenommen, und zwei Drittel der Verschreibungen gehen an Patienten mit muskuloskelettalen Beschwerden, berichten Gesundheitsforscher um Dr. John Bedson von der Universität in Staffordshire, Großbritannien. Wem und für wie lange solche Medikamente verordnet werden sollten, ist noch Gegenstand heftiger Diskussionen. Für den Nutzen einer langfristigen Behandlung gebe es kaum Evidenz, und in einer aktuellen Studie seien Opioide bei chronischen Rückenschmerzen und Arthrose nicht wirksamer gewesen als andere Klassen von Schmerzmitteln, schreiben die Wissenschaftler. Beobachtungsstudien deuteten jedoch auf ein erhöhtes Risiko für Stürze, schwere Verletzungen sowie Suchterkrankungen bei Patienten mit einer Langzeittherapie. Dem wollten Bedson und Mitarbeiter auf den Grund gehen, indem sie Einträge aus der Allgemeinarztdatenbank „Clinical Practice Research Datalink“ (CPRD) mit Verschreibungs-, Demografie- und Lebensstildaten zu 20 Millionen Briten analysierten. Sie suchten dabei gezielt nach Patienten, welche zwischen 2002 und 2012 langfristig Opioide gegen muskuloskelettale Symptome erhalten hatten. Als langfristig wurde eine Therapie über mindestens 90 Tage hinweg definiert. Viele der Patienten hatten Opioide über mehrere Langzeitepisoden bekommen und waren dazwischen immer wieder opioidfrei. Die Forscher schauten nach Verletzungen, Suchtdiagnosen und anderen Problemen in Zeiten mit und ohne Opioide. Verletzungsrisiko dosisabhängig um ein Drittel erhöht Insgesamt fanden die Forscher mehr als 98.000 Patienten mit einer Langzeitopioidtherapie. Im Schnitt dauerten die Behandlungen rund acht Monate, da aber mehr als ein Viertel der Therapien zum Ende der Analyse noch nicht beendet waren, dürfte die mittlere Dauer noch deutlich darüber liegen. Die Patienten waren zu Beginn der Behandlung im Schnitt 61 Jahre alt und erhielten in den Behandlungsphasen im Mittel eine Opioiddosis von 12 Morphinäquivalenten. Als primären Endpunkt wählten die Forscher schwere Traumata (Knochenbrüche, Bandscheibenvorfälle, Sehnen- und Bänderrisse, Kopfverletzungen) sowie absichtliche Überdosierungen. Ohne Opioide erlitten 2,9% der Patienten pro Jahr schwere Traumata, mit den Medikamenten waren es 3,8%, was einer absoluten Risikoerhöhung um 0,9% pro Jahr sowie einer relativen Erhöhung um 22% entspricht. Berücksichtigen die Forscher Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und andere bekannte Faktoren, reduzierte sich die relative Risikoerhöhung auf 14%. Dabei zeigte sich ein klarer Dosiszusammenhang: Am höchsten war die adjustierte Risikosteigerung bei einer Tagesdosis über 50 Morphinäquivalenten (plus 34%), bei weniger als 20 Morphinäquivalenten betrug sie 9%. Inzidenz von Opioidintoxikationen vierfach erhöht Absichtliche Opioidüberdosierungen wurden pro 10.000 Personenjahre 4,8-mal in Phasen ohne und 11,6-mal in Phasen mit Opioiden registriert. Auch dieser Zusammenhang war stark dosisabhängig, die höchste Inzidenz fanden die Forscher bei mehr als 50 Morphinäquivalenten am Tag (31,7/10.000 Personenjahre). Unter Berücksichtigung von Begleitfaktoren wurden absichtliche Opioidintoxikationen in Episoden mit hochdosierter Opioidbehandlung vierfach häufiger beobachtet als in Episoden ohne Opioide. Auch Vergiftungen mit anderen Medikamenten wie Hypnotika und Beruhigungsmittel wurden bei Patienten in Phasen mit hoher Opioidosierung deutlich häufiger gemeldet (plus 71%). Stürze, gastrointestinale Beschwerden, Suchtdiagnosen sowie ein Eisenmangel als Marker für gastrointestinale Blutungen häuften sich ebenfalls dosisabhängig während einer Opioidlangzeitbehandlung. Dagegen gab es unter Opioiden nicht öfter Ekzeme und andere dermatologische Erkrankungen, was für die Studienautoren die Glaubwürdigkeit der übrigen Zusammenhänge erhärtet. Ärzte sollten Opioide gegen muskuloskelettale Schmerzen sehr vorsichtig verschreiben und den Nutzen evaluieren, bevor sich ein riskanter Langzeitgebrauch etabliert, schreiben die Forscher um Bedson. Das Wichtigste in Kürze Frage: Treten unter einer Opioidlangzeittherapie gegen muskuloskelettale Schmerzen vermehrt Verletzungen und Intoxikationen auf? Antwort: Das Risiko für schwere Frakturen, Kopfverletzungen sowie absichtliche Intoxikationen ist dosisabhängig bei einer Opioidtherapie über mehr als drei Monate signifikant erhöht. Bedeutung: Der Langzeigebrauch von Opioiden birgt deutliche Risiken. Einschränkung: Beobachtungsstudien mit unklaren kausalen Bezügen.

Springer Medizin

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