Erfolg mit Rituximab bei neu diagnostizierter Myasthenia gravis

Laut Leitlinie kommt der CD-20-Antikörper Rituximab erst bei refraktärer generalisierter Myasthenia gravis (gMG) zum Einsatz. Das ist möglicherweise zu spät. Eine placebokontrollierte Studie spricht für den Nutzen einer früheren Therapie. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Der CD-20-Antikörper Rituximab eliminiert unreife, naive und Memory-B-Zellen, aber keine Plasmazellen; theoretisch wäre es daher von Vorteil, den Antikörper möglichst früh nach dem Ausbruch einer generalisierten Myasthenia gravis (gMG) zu geben: Auf diese Weise ließe sich möglicherweise der Aufbau eines krankheitsassoziierten Plasmazell-Pools verhindern. Erste Hinweise auf eine bessere Wirksamkeit der frühen gegenüber einer späteren Therapie hatte eine schwedische Forschungsgruppe bereits 2019 aus einer retrospektiven Studie gewonnen. Nun kann das Team um Fredrik Piehl vom Stockholmer Karolinska-Institut seine Hypothese auch mit einer randomisierten placebokontrollierten Studie belegen: Bei Patienten und Patientinnen mit neu diagnostizierter gMG erhöhte eine niedrig dosierte Rituximabinfusion die Aussicht, nach vier Monaten minimale Krankheitsmanifestationen zu haben. Häufiger minimale MG-Manifestationen An der Studie mit dem Akronym RINOMAX beteiligten sich 33 Männer und 14 Frauen, die seit maximal zwölf Monaten an einer Acetylcholinrezeptor-Antikörper-positiven gMG litten und einen Quantitativen MG(QMG)-Score ≥ 6 hatten. Patienten mit V. a. Thymom, Thymektomie und vorausgegangener Behandlung mit hoch dosierten Kortikosteroiden oder anderen Immunsuppressiva waren von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Studientherapie bestand in der einmaligen I.v.-Infusion von 500 mg Rituximab (n = 25) bzw. eines Placebos (n = 22). Primäres Studienziel waren minimale MG-Manifestationen in Woche 16, definiert als QMG-Score ≤ 4 mit maximal 10 mg Prednisolon pro Tag und ohne Rescue-Therapie, sprich ohne höher dosierte Kortikosteroide, andere Immunmodulatoren und Plasmaaustausch. Dieses primäre Ziel erreichten 71% (17 von 24) mit Rituximab und 29% (6 von 21) mit Placebo. Damit wurde die Wahrscheinlichkeit eines solches Ergebnisses durch die Antikörpergabe um den Faktor 2,5 erhöht. Dieser Vorteil blieb auch nach 24, 36 und 48 Wochen erhalten. Seltener Rescue-Therapien nötig Nicht besser als die Placebogabe schnitt die Rituximabtherapie dagegen nach 16 Wochen bei den sekundären Endpunkten MG Activities of Daily Living und MG Quality of Life ab – sofern Patienten mit Rescue-Therapie, wie vorgesehen, zensiert wurden. Wurden Rescue-Therapien jedoch mit in Betracht gezogen (Post-hoc-Analyse), ergab sich auch in diesen Parametern ein signifikanter bzw. tendenzieller Unterschied zugunsten des CD-20-Antikörpers. Rescue-Therapien musste bis Woche 24 nur ein Rituximab-Patient in Anspruch nehmen, mit Placebo waren es acht (4% vs. 36%). Insgesamt kam es bei drei Teilnehmern zu MG-Exazerbationen, die einen Krankenhausaufenthalt nötig machten, alle gehörten der Placebogruppe an. Unerwünschte Ereignisse wurden mit Rituximab häufiger registriert als mit Placebo, schwere Nebenwirkungen traten bei sechs bzw. vier Probanden auf. Der einzige Todesfall ereignete sich in der Rituximabgruppe infolge eines Herzinfarkts bei bekannter KHK. "Früh nach Krankheitsausbruch in Betracht ziehen" Die Ergebnisse der Studie – eine einzelne Dosis von 500 mg Rituximab erhöhte die Wahrscheinlichkeit auf minimale MG-Manifestationen und reduzierte die Notwendigkeit von Rescue-Therapien – stehen in Widerspruch zur ebenfalls randomisierten BeatMG-Studie (Nowak RJ et al. Neurology 2021): Darin war es mit einer höher dosierten Rituximabtherapie (viermal 375 mg pro m2) nicht gelungen, einen stärker Steroid-einsparenden Effekt zu erzielen als mit Placebo. Piehl et al. machen dafür neben den abweichenden Therapieregimen die unterschiedlichen Studienpopulationen verantwortlich; in BeatMG etwa waren vielen Patienten schon länger und milder erkrankt. Empfehlung der Redaktion Myopathien – Themenseite Myopathien sind Muskelerkrankungen, die auf keine nervliche Ursache zurückzuführen sind. Sie weisen hinsichtlich klinischer Ausprägung, Pathogenese, Verlauf und Prognose eine erhebliche Heterogenität auf. Auf der Themenseite finden Sie praktisch relevante Beiträge, Kasuistiken und Nachrichten. Laut dem Studienteam um Piehl haben die neuen Daten praktische Konsequenzen: „Die Behandlung mit Rituximab kann früh nach dem Ausbruch einer gMG in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer Krankheitsverschlechterung und die Notwendigkeit zusätzlicher Therapien zu reduzieren.“ Das langfristige Nutzen-Risiko-Verhältnis müsse allerdings noch erforscht werden. Die Verfasser eines studienbegleitenden Editorials, Miguel Chuquilin (University of Florida, Gainesville) und Richard Barohn (University of Missouri School of Medicine, Columbia), sehen trotz neuer Optionen wie Eculizumab, Ravulizumab und Efgartigimod in der MG-Therapie weiter einen Platz „für ältere Medikamente mit neuer Verwendung wie Rituximab“ (https://doi.org/10.1001/jamaneurol.2022.2887). Die Studie zeige, dass manche Patienten mit gMG und Antikörpern gegen den Acetylcholinrezeptor (AChR+) vor allem in der Frühphase nach der Diagnose von niedrigdosiertem Rituximab profitieren könnten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Erhöht eine einzelne Infusion von Rituximab kurz nach Ausbruch einer generalisierten Myasthenia gravis (gMG) die Wahrscheinlichkeit, vier Monate später nur minimale Krankheitsmanifestationen zu haben? Antwort: Ja. Mit Rituximab gelang das ohne Einsatz von Rescue-Therapien 17 von 24 Teilnehmenden (71%), mit Placebo nur 6 von 21 (29%). Bedeutung: Rituximab kann früh nach dem Ausbruch einer gMG in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer Krankheitsverschlechterung und die Notwendigkeit zusätzlicher Therapien zu reduzieren Einschränkung: Kleine Studie, keine Langzeitdaten.

Springer Medizin

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