Sind schwere Ranzen schuld am Rückenschmerz?

Sind schwere Schulranzen wirklich mitverantwortlich für Rückenschmerzen im Teenie-Alter? Nach Auswertung von 21 Studien mit insgesamt über 18.000 Schülerinnen und Schülern fanden spanische Forscher keinen Zusammenhang. Angesichts der geringen Evidenz – der Metaanalyse liegen ausschließlich Querschnittstudien zugrunde – dürfte das letzte Wort hierzu jedoch noch nicht gesprochen sein. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Fast die Hälfte aller Teenager im Alter von 14 Jahren hat schon einmal Erfahrungen mit Rückenschmerzen gemacht. Dies ist eine besorgniserregende Zahl, vor allem auch deswegen, weil viele Kinder die Beschwerden offenbar bis ins Erwachsenenalter mitschleppen. Dass die vollgepackten Ranzen, mit denen große und kleine Pennäler jetzt wieder den Schulweg antreten, mit den Rückenproblemen zu tun haben könnten, ist eine verbreitete Vermutung, die auch aus klinischen Überlegungen heraus Sinn macht; nur ist die Evidenz hierfür bislang gering. Daten von über 18.000 Schülerinnen und Schülern Ein Team aus Spanien hat nun einigen Aufwand betrieben, um eine möglichst solide Basis für den vermuteten Zusammenhang zu bekommen. In ihre Analyse flossen die Daten aus 21 Studien mit insgesamt 18.296 Schülern im Alter zwischen 9 und 16 Jahren ein. Als „schwer“ galt ein Schulranzen, wenn sein Gewicht mehr als 10% des Körpergewichts des Kindes betrug. Als „Rückenschmerzen“ wurden nicht traumatische sowie nicht auf systemische Erkrankungen zurückzuführende Schmerzen am Rücken im Bereich zwischen Rippenbogen und Gesäßfurchen definiert. Schmerzrate mit und ohne schweren Ranzen gleich Ergebnis: Rückenschmerzen traten bei Kindern, die schwere Schultaschen schleppten, genauso häufig auf wie bei denen, die weniger als 10% ihres Körpergewichts mit sich herumtrugen. Laut Inmaculada Calvo-Muñoz vom Spanish Back Pain Research Network in Madrid und ihrem Team wird „die Vermutung, dass exzessives Gewicht von Schulranzen bei Kindern und Teenagern zwischen 9 und 16 Jahren Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich auslösen könnte, durch die verfügbare Evidenz nicht gestützt“. An der kleinsten Studie waren 55 Schüler, an der größten rund 4800 beteiligt. Mit elf Studien konnte eine Metaanalyse durchgeführt werden, sieben davon wurden noch einmal speziell aufgedröselt, indem man sich von den jeweiligen Autoren die kompletten Datensätze zu den einzelnen Teilnehmern geben ließ (Individual Patient Data, IPD) und die Originalanalysen noch einmal nachvollzog. Auch hier ließ sich keine signifikante Assoziation zeigen. Dies war auch dann der Fall, wenn man Alter, Geschlecht und außerschulische sportliche Aktivität berücksichtigte. Longitudinalstudien gefordert Wie die Forscher betonen, hatten immerhin 19 Studien standardisierte Fragebögen verwendet. Die Ergebnisse waren für eine Metaanalyse ausreichend homogen, und wie die IPD-Analyse zeigte, waren sie auch im Einzelfall nachvollziehbar. Dennoch blieb die Evidenz insgesamt gering, was vor allem daran liegt, dass ausschließlich Querschnittstudien berücksichtigt worden waren. Diese unterschieden beispielsweise nicht, an wie vielen Tagen und wie lange am Stück die Schüler schwere Ranzen trugen. Letztlich, so Calvo-Muñoz et al., sei es auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht möglich zu sagen, ob eine allzu schwere Schultasche nicht vielleicht doch dazu beitrage, dass Rückenschmerzen bei Schülern entstehen bzw. bereits bestehende Schmerzen fortbestehen oder sich verschlimmern. Bei den betroffenen Kindern müsse man auch mögliche „nicht mechanische“ Ursachen wie Konflikte in Schule und Elternhaus, Verhaltensstörungen oder ADHS berücksichtigen. Und auch der Grenzwert von 10% des Körpergewichts, der eigentlich aus der Arbeitsmedizin, also von Untersuchungen an Erwachsenen stammt, bedürfe erst einmal der Validierung bei Kindern. Wahrscheinlich sei auch nicht das Gewicht der Schultasche per se problematisch, sondern die Frage, inwieweit dieses die Kapazitäten ihres Trägers übersteige. Zukünftige Studien müssten nicht nur verlässliche Daten zur täglichen Tragedauer, sondern auch zum Körpergewicht, zu muskulären Parametern und zu psychosozialen Faktoren sammeln, fordern Calvo-Muñoz und Kollegen. Um einen höheren Evidenzgrad zu erreichen, müssten diese idealerweise als Longitudinalstudien mit großen Teilnehmerzahlen und langfristiger Beobachtungsdauer konzipiert sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lasse sich nicht ausschließen, dass schwere Schultaschen zumindest einen Teil des Problems darstellen. Fest steht: Das letzte Kapitel zum Thema Schulranzen ist noch nicht geschrieben. Das Wichtigste in Kürze Frage: Hat das Gewicht der Schultasche Einfluss auf die Prävalenz von Rückenschmerzen bei Schülern? Antwort: Bei Schulkindern zwischen 9 und 16 Jahren war das Tragen von Ranzen, die mehr als 10% vom Körpergewicht ausmachten, nicht mit Rückenschmerzen assoziiert. Bedeutung: Die Evidenz aus den zugrundeliegenden Studien ist gering; demnach lässt sich gegenwärtig nicht mit Sicherheit ausschließen, dass schwere Schultaschen zur Entstehung bzw. Chronifizierung von Rückenschmerzen beitragen. Einschränkung: Metaanalyse mit Daten aus Querschnittstudien.

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