Hyperprogressiver Krebs nach einer Dosis Nivolumab

Mit den neueren Immuntherapeutika gegen Krebs verbinden sich viele Hoffnungen. Doch keineswegs alle Patienten profitieren von ihnen. Und für manche kann die Behandlung den Anfang vom Ende bedeuten, wie ein Fallbericht zeigt. Die Krebstherapie mit Immuncheckpoint-Hemmern hat bei manchen Patienten alles andere als den beabsichtigten Effekt. Statt den Tumor zu verkleinern, führt die Gabe der Substanzen zu einem explosionsartigen Wachstum. Einen eindrücklichen Fallbericht eines solchen Ereignisses haben Jenny Xiang von der Yale University School of Medicine und Kollegen im Fachjournal „Laryngoscope“ geschildert. Betroffen war eine 60-jährige Frau. Als sie in der Klinik erscheint, weist die Patientin eine Schwellung der linken Wange auf. Sie blutet aus der Nase, mit dem linken Auge sieht sie nur verschwommen. Die Diagnose lautet schließlich auf ein mäßig bis schlecht differenziertes keratinisierendes Plattenepithelkarzinom der linken Kieferhöhle, klinisches Stadium IVB (cT4bN2bM0, HPV- und EBV-negativ). Eine Induktionschemotherapie beginnt, vier dreiwöchige Zyklen mit Docetaxel, Cisplatin und 5-Fluorouracil. Die Therapie schlägt gut an, die radiologische Response ist exzellent. Nach dem vierten Zyklus ist der Tumor stabil. Doch einen Monat später zeigt die MRT, dass sich der Tumor aus der Kieferhöhle in die Siebbeinzellen und die linke Nasenhöhle ausgedehnt hat. Die Patientin wird daraufhin operiert, der Tumor reseziert und die linke Augenhöhle ausgeräumt. Die pathologische Untersuchung ergibt ein schlecht differenziertes Plattenepithelkarzinom (ypT4aN0) mit extensiven Nekrosen. Die Resektionsränder sind nicht frei. Im anschließenden CT finden sich keine Fernmetastasen. Es folgt eine sechswöchige adjuvante Radiatio mit wöchentlicher Gabe von Carboplatin. Der Tumor kehrt zurück Nach zwei Wochen berichtet die Frau über zunehmende Schmerzen links orbital, das Gewebe ist gerötet und geschwollen. Die Biopsie zeigt: Der Tumor ist wieder da. Im MRT ist ein Befall der rechten Nasenhöhle, des rechten Apex orbitae und des linken Stirnbeinknochens mit extrakranialer Extension zu sehen, es besteht der Verdacht auf eine Ausdehnung in die Leptomeningen. Und nun, eine Woche nach dem Befund, erhält die Patientin eine Dosis des PD-1-Hemmers Nivolumab. Am Tag danach sieht sie auf dem verbliebenen rechten Auge nur noch verschwommen, drei Tage später ist sie vollständig blind. Die Ärzte vermuten eine kompressionsbedingte Neuropathie des Nervus opticus. Im MRT ist eine Tumorprogression festzustellen. Der Sehnerv scheint prächiasmatisch und rechtsseitig involviert zu sein, die bifrontale leptomingeale Beteiligung hat sich verschlimmert. Im PET/CT zeigt sich eine fortschreitende Erkrankung mit intrakranialer Invasion und neuen, ausgedehnten pulmonalen, hepatischen und ossären Metastasen. Weder die Gabe von Methylprednisolon noch eine Kombination von Carboplatin und Docetaxel haben irgendeine Wirkung. Das MRT belegt eine diffuse Ausdehnung des Tumors in der rechten Nasenhöhle sowie im orbitalen Apex und eine Verdopplung der Tumormasse am linken Stirnbein verglichen mit der Aufnahme vor der Gabe von Nivolumab. Die Krankheit schreitet fort, die Frau bleibt blind; zwei Wochen später wird sie in ein Hospiz verlegt. Früheren Untersuchungen zu diesem Thema ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Phänomen der Hyperprogression von Malignomen nach dem Einsatz von Immuncheckpoint-Hemmern nicht um Einzelfälle handelt. Je nach Definition sind zwischen 9% und 39% der Patienten betroffen. Noch lässt sich schwer vorhersehen, welche Patienten gefährdet sind. An klaren diagnostischen Kriterien mangelt es ebenso wie am Wissen, wie dem exzessiven Tumorwachstum therapeutisch am besten zu begegnen ist.

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