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Bakterielle Dekolonisierung mit Mupirocin-Nasensalbe reduziert schwere orale Radiomukositis bei Nasopharynxkarzinom – Ergebnisse einer randomisierten Phase-III-Studie

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Originalpublikation

Liao Z, Xiong X, Zhao L et al (2025) Bacterial Decolonization With Mupirocin Ointment for Acute Radiation Oral Mucositis Prevention: A Phase 3 Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol. 2025 Aug 7:e252361. https://​doi.​org/​10.​1001/​jamaoncol.​2025.​2361.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund
Die orale Radiomukositis ist eine häufige, teils dosislimitierende akute Nebenwirkung bei der definitiven Therapie des Nasopharynxkarzinoms, insbesondere in Kombination mit Chemotherapie [1]. Studien deuten auf eine Rolle des Mikrobioms, insbesondere von Staphylococcus aureus, in der Pathogenese hin. So wurde der Einsatz einer Probiotikasupplementierung bereits erfolgreich untersucht [2]. Ziel der aktuellen monozentrischen Phase-III-Studie war es, zu prüfen, ob eine bakterielle Dekolonisierung mit Mupirocin-Nasensalbe das Auftreten einer schweren oralen Mukositis (Grad ≥ 3) im Vergleich zur Standardpflege reduziert [3].
Patienten und Methode
Der experimentelle Studienarm erhielt Mupirocin-Nasensalbe zweimal täglich ab drei Tage vor Beginn der Bestrahlung bis zum Ende (in Zyklen von fünf aufeinanderfolgenden Tagen gefolgt von einer Woche Pause). Beide Gruppen erhielten eine standardisierte orale (Kangfuxin-Mundspüllösung) und nasale Pflege (Kochsalzwasserspülung). Primärer Endpunkt war die Inzidenz einer schweren Radiomukositis (Grad ≥ 3; nach RTOG) während Strahlentherapie (verblindet), sekundäre Endpunkte waren u. a. Lebensqualität (QLQ-H&N43), Schmerzen (NRS) und die Dynamik der Besiedlung mit S. aureus in Nase und Mund.
Ergebnisse
176 Patienten wurden eingeschlossen, 96 % davon erhielten eine kombinierte Radiochemotherapie. Alle Patienten erhielten eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT). Eine schwere Radiomukositis trat in der Mupirocin-Gruppe bei 22,7 % und in der Kontrollgruppe bei 47,7 % auf (RR = 0,48 [95 %-KI 0,31–0,74]; p < 0,001). Der Effekt der bakteriellen Dekolonisierung blieb in der multivariaten Analyse aufrecht (OR = 0,27 [95 %-KI 0,13–0,54]; p < 0,001). Zudem wurden signifikant geringere orale Schmerzen und weniger Dysphagie dokumentiert. Die Mupirocin-Gruppe wies niedrigere S.-aureus-Kolonisationsraten am Therapieende auf (nasal 9,4 vs. 22,9 %; oral 5,9 vs. 20,5 %). Die Rate an Radiodermatitis sowie Anlage einer Ernährungssonde während Strahlentherapie war zwischen beiden Gruppen gleich. Unerwünschte Ereignisse traten bei 3,4 % der Mupirocin-Patienten auf (zwei Patienten mit Übelkeit und ein Patient mit juckender Rhinorrhö).
Schlussfolgerung der Autoren
Mupirocin halbiert als kostengünstige und sichere Methode die Häufigkeit einer schweren oralen Radiomukositis bei Patienten mit Nasopharynxkarzinom unter Radiotherapie und verbessert die Lebensqualität.

Kommentar

Die Rolle des Mikrobioms bei der Entstehung und Ausprägung häufiger radiogener Nebenwirkungen wird zunehmend erkannt, was entsprechende Ansätze für Prävention und Therapie bietet [4, 5]. Genaue Pathomechanismen sind jedoch nicht ausreichend belegt. Allerdings deutet eine wachsende Zahl von präklinischen und klinischen Arbeiten darauf hin, dass die Besiedlung der Haut mit S. aureus eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Ausprägung radiogener Nebenwirkungen spielt [6]. Vermutet wird, dass die radiogene Beeinträchtigung der Hautbarriere die Kolonisation erleichtert und bakterielle Toxine sowie entzündungsfördernde Mediatoren die lokale Immunantwort verstärken. Daraus könnten eine Verstärkung der (Schleim‑)Hautentzündung und eine höhere Schwere der Mukositis resultieren.
Topische Antibiotika werden bereits erfolgreich zur nasalen Dekolonisierung eingesetzt, um das Risiko postoperativer Infektionen zu reduzieren. So wird z. B. Mupirocin als topisches Antibiotikum, das hauptsächlich wirksam ist gegen grampositive Bakterien, gegen den Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) eingesetzt. Klinisch wird es seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich in der Therapie von Hautinfektionen angewendet. Die orale Radiomukositis stellt in der kurativen Radiochemotherapie des Nasopharynxkarzinoms eine der klinisch relevantesten Nebenwirkungen dar, da sie sowohl die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt als auch Therapieunterbrechungen nach sich ziehen kann.
Die vorliegende Studie von Liao et al. zeigt eine klinisch bedeutsame Reduktion der schweren Radiomukositis um mehr als die Hälfte, deutlich überlegen im Vergleich zu anderen Interventionen in ähnlichen Kollektiven wie z. B. Probiotikasupplementierung [7]. Die Verbesserung der patientenrelevanten Endpunkte Schmerzen und Dysphagie ist in diesem Kontext sehr wertvoll. Die Durchführung der Studie war methodisch solide; so waren die wichtigsten Störfaktoren (konkomitante Chemotherapie und Strahlenbelastung der Mundhöhle) in beiden Gruppen gleich. Die fehlende Placebokontrolle und das Open-label-Design sind die größten Einschränkungen der Studie (auch wenn der primäre Endpunkt durch eine verblindete Person beurteilt wurde). Weitere dosimetrische Parameter der Strahlentherapie hätten genauer angegeben werden können und ein zusätzlicher Bewertungszeitpunkt nach Therapieende (z. B. zwei Wochen später) ergänzt, da es gegebenenfalls auch zu einer schnelleren Abheilung durch Mupirocin kommen könnte. Angaben zur Komedikation (insbesondere Analgetika) wurden nicht berichtet. Mit den seriellen Abstrichen liefert die Studie einen klaren Wirksamkeitsnachweis, was die Hypothese der bakteriellen Dekolonisierung weiter unterstützt. Ob diese Präventionsmethode auch bei anderen Bestrahlungsindikationen im Kopf-Hals-Gebiet (z. B. Oropharynx) wirksam ist, ist aktuell unklar. Auch die Generalisierbarkeit auf andere Patientenkollektive erfordert weitere Studien, da die Kolonisierung mit S. aureus kulturellen Einflüssen unterliegt [8]. Bakterielle Resistenzen gegen Mupirocin stellen derzeit zwar kein akutes Problem dar, könnten jedoch künftig an Bedeutung gewinnen [9].
Die Wirksamkeit der bakteriellen Dekolonisierung wurde auch bereits nachgewiesen bei Radiodermatitis im Kontext der adjuvanten Brustbestrahlung [10]. Hier wurde im Gegensatz zur Nasopharynxkarzinomstudie eine signifikante Verringerung der Radiodermatitisrate beobachtet, jedoch wurde zusätzlich zur Mupirocin-Nasensalbe eine Chlorhexidin-Körperpflege durchgeführt. Ein kombinierter Ansatz könnte die Radiodermatitisrate beim Nasopharynxkarzinom gegebenenfalls auch verringern. Weitere (auch nichtmedikamentöse) Modalitäten zur bakteriellen Dekolonisierung werden zurzeit untersucht (z. B. mittels Kaltplasma in ARO-2024-07; [11]).
Fazit
Die gezielte bakterielle Dekolonisierung mit Mupirocin-Nasensalbe senkte das Risiko einer schweren oralen Radiomukositis signifikant und verbesserte die Lebensqualität bei chinesischen Patienten mit Nasopharynxkarzinom. Angesichts der geringen Kosten und guten Verträglichkeit könnte dieses Konzept rasch in die klinische Praxis überführt werden, sofern weitere Studien in breiteren Patientenkollektiven die Ergebnisse bestätigen.
Cas Stefaan Dejonckheere und Lukas Käsmann, Bonn und München/Landshut

Interessenkonflikt

C.S. Dejonckheere und L. Käsmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access This article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License, which permits use, sharing, adaptation, distribution and reproduction in any medium or format, as long as you give appropriate credit to the original author(s) and the source, provide a link to the Creative Commons licence, and indicate if changes were made. The images or other third party material in this article are included in the article's Creative Commons licence, unless indicated otherwise in a credit line to the material. If material is not included in the article's Creative Commons licence and your intended use is not permitted by statutory regulation or exceeds the permitted use, you will need to obtain permission directly from the copyright holder. To view a copy of this licence, visit http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​.

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Titel
Bakterielle Dekolonisierung mit Mupirocin-Nasensalbe reduziert schwere orale Radiomukositis bei Nasopharynxkarzinom – Ergebnisse einer randomisierten Phase-III-Studie
Verfasst von
Cas Stefaan Dejonckheere
Lukas Käsmann
Publikationsdatum
06.10.2025
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Strahlentherapie und Onkologie
Print ISSN: 0179-7158
Elektronische ISSN: 1439-099X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00066-025-02472-2
1.
Zurück zum Zitat Li J et al (2023) Incidence and risk factors for radiotherapy-induced oral mucositis among patients with nasopharyngeal carcinoma: a meta-analysis. Asian Nurs Res 17:70–82CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Zhu ZY et al (2024) The effect of probiotics on severe oral mucositis in cancer patients undergoing chemotherapy and/or radiotherapy: a meta-analysis. J Stomatol Oral Maxillofac Surg. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​jormas.​2024.​101983CrossRefPubMed
3.
Zurück zum Zitat Liao Z et al (2025) Bacterial decolonization with mupirocin ointment for acute radiation oral mucositis prevention: a phase 3 randomized clinical trial. JAMA Oncol. https://​doi.​org/​10.​1001/​jamaoncol.​2025.​2361CrossRefPubMed
4.
Zurück zum Zitat Stringer AM et al (2024) Updated perspectives on the contribution of the microbiome to the pathogenesis of mucositis using the MASCC/ISOO framework. Support Care Cancer. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00520-024-08752-4CrossRefPubMedPubMedCentral
5.
Zurück zum Zitat Dejonckheere CS, Layer JP, Schmeel LC, Gkika E (2024) Identification of the skin microbiome as an emerging and modifiable risk factor for radiation dermatitis in breast cancer. Support Care Cancer 32:13–15
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Zurück zum Zitat Kost Y et al (2023) Association of staphylococcus aureus colonization with severity of acute radiation dermatitis in patients with breast or head and neck cancer. JAMA Oncol. https://​doi.​org/​10.​1001/​jamaoncol.​2023.​0454CrossRefPubMedPubMedCentral
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Zurück zum Zitat Peng X et al (2024) Streptococcus salivarius K12 alleviates oral Mucositis in patients undergoing radiotherapy for malignant head and neck tumors: a randomized controlled trial. J Clin Oncol 42:1426–1435CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat Avendano EE et al (2024) Race, ethnicity, and risk for colonization and infection with key bacterial pathogens: a scoping review. medRxiv
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Zurück zum Zitat Dadashi M, Hajikhani B, Darban-Sarokhalil D, van Belkum A, Goudarzi M (2020) Mupirocin resistance in staphylococcus aureus: a systematic review and meta-analysis. J Glob Antimicrob Resist 20:238–247CrossRefPubMed
10.
Zurück zum Zitat Kost Y et al (2023) Bacterial decolonization for prevention of radiation dermatitis: a randomized clinical trial. JAMA Oncol. https://​doi.​org/​10.​1001/​jamaoncol.​2023.​0444CrossRefPubMedPubMedCentral
11.
Zurück zum Zitat Dejonckheere CS et al (2025) Non-invasive physical plasma for preventing radiation dermatitis in breast cancer: study protocol for a phase 3 randomised double-blind placebo-controlled trial (NIPP-RD III). Trials. https://​doi.​org/​10.​1186/​s13063-025-08806-wCrossRefPubMedPubMedCentral

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