Kommentar
Die Rolle des Mikrobioms bei der Entstehung und Ausprägung häufiger radiogener Nebenwirkungen wird zunehmend erkannt, was entsprechende Ansätze für Prävention und Therapie bietet [
4,
5]. Genaue Pathomechanismen sind jedoch nicht ausreichend belegt. Allerdings deutet eine wachsende Zahl von präklinischen und klinischen Arbeiten darauf hin, dass die Besiedlung der Haut mit
S. aureus eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Ausprägung radiogener Nebenwirkungen spielt [
6]. Vermutet wird, dass die radiogene Beeinträchtigung der Hautbarriere die Kolonisation erleichtert und bakterielle Toxine sowie entzündungsfördernde Mediatoren die lokale Immunantwort verstärken. Daraus könnten eine Verstärkung der (Schleim‑)Hautentzündung und eine höhere Schwere der Mukositis resultieren.
Topische Antibiotika werden bereits erfolgreich zur nasalen Dekolonisierung eingesetzt, um das Risiko postoperativer Infektionen zu reduzieren. So wird z. B. Mupirocin als topisches Antibiotikum, das hauptsächlich wirksam ist gegen grampositive Bakterien, gegen den Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) eingesetzt. Klinisch wird es seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich in der Therapie von Hautinfektionen angewendet. Die orale Radiomukositis stellt in der kurativen Radiochemotherapie des Nasopharynxkarzinoms eine der klinisch relevantesten Nebenwirkungen dar, da sie sowohl die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt als auch Therapieunterbrechungen nach sich ziehen kann.
Die vorliegende Studie von Liao et al. zeigt eine klinisch bedeutsame Reduktion der schweren Radiomukositis um mehr als die Hälfte, deutlich überlegen im Vergleich zu anderen Interventionen in ähnlichen Kollektiven wie z. B. Probiotikasupplementierung [
7]. Die Verbesserung der patientenrelevanten Endpunkte Schmerzen und Dysphagie ist in diesem Kontext sehr wertvoll. Die Durchführung der Studie war methodisch solide; so waren die wichtigsten Störfaktoren (konkomitante Chemotherapie und Strahlenbelastung der Mundhöhle) in beiden Gruppen gleich. Die fehlende Placebokontrolle und das Open-label-Design sind die größten Einschränkungen der Studie (auch wenn der primäre Endpunkt durch eine verblindete Person beurteilt wurde). Weitere dosimetrische Parameter der Strahlentherapie hätten genauer angegeben werden können und ein zusätzlicher Bewertungszeitpunkt nach Therapieende (z. B. zwei Wochen später) ergänzt, da es gegebenenfalls auch zu einer schnelleren Abheilung durch Mupirocin kommen könnte. Angaben zur Komedikation (insbesondere Analgetika) wurden nicht berichtet. Mit den seriellen Abstrichen liefert die Studie einen klaren Wirksamkeitsnachweis, was die Hypothese der bakteriellen Dekolonisierung weiter unterstützt. Ob diese Präventionsmethode auch bei anderen Bestrahlungsindikationen im Kopf-Hals-Gebiet (z. B. Oropharynx) wirksam ist, ist aktuell unklar. Auch die Generalisierbarkeit auf andere Patientenkollektive erfordert weitere Studien, da die Kolonisierung mit
S. aureus kulturellen Einflüssen unterliegt [
8]. Bakterielle Resistenzen gegen Mupirocin stellen derzeit zwar kein akutes Problem dar, könnten jedoch künftig an Bedeutung gewinnen [
9].
Die Wirksamkeit der bakteriellen Dekolonisierung wurde auch bereits nachgewiesen bei Radiodermatitis im Kontext der adjuvanten Brustbestrahlung [
10]. Hier wurde im Gegensatz zur Nasopharynxkarzinomstudie eine signifikante Verringerung der Radiodermatitisrate beobachtet, jedoch wurde zusätzlich zur Mupirocin-Nasensalbe eine Chlorhexidin-Körperpflege durchgeführt. Ein kombinierter Ansatz könnte die Radiodermatitisrate beim Nasopharynxkarzinom gegebenenfalls auch verringern. Weitere (auch nichtmedikamentöse) Modalitäten zur bakteriellen Dekolonisierung werden zurzeit untersucht (z. B. mittels Kaltplasma in ARO-2024-07; [
11]).
Cas Stefaan Dejonckheere und Lukas Käsmann, Bonn und München/Landshut
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