Bestrahlt wurden der gesamte Hals (Level II, III, IV, Va,b) und Pharynx je nach Befall und Befallsrisiko mit 66–70 Gy, 60–62 Gy und 54–56 Gy in 30–33 Fraktionen im Standardtherapiearm, mutmaßlich in SIB-Technik. Im Experimentalarm wurden die Level IV und Vb je nach makroskopischem Befall der Lymphknoten ausgeklammert. Auf deren Bestrahlung beidseits wurde verzichtet, wenn kein oder allein ein retropharyngealer Lymphknotenbefall vorlag. Bei einseitigem Befall nichtretropharyngealer Lymphknoten wurden nur die Level Vb und IV der Gegenseite ausgeklammert. Patienten ab dem Stadium II erhielten eine simultane Chemotherapie; jeder 4. Patient eine Induktionschemotherapie. Man nahm an, dass die im Volumen reduzierte Bestrahlung nach 3 Jahren nur maximal 8 % mehr regionale Rezidive hervorbringen würde als die Bestrahlung des gesamten Halses, um als gleichwertig zu gelten.
Kommentar
„Essen ist der Himmel der einfachen Leute.“ Dieses Jahrtausende alte Sprichwort charakterisiert die innige Bedeutung des beschwerdefreien Essens als Lebensqualität der Asiaten. Während wir Mitteleuropäer uns einer vernünftigen Ernährung rühmen, ist den Asiaten der Genuss kräftiger Speisen heilig. Auch uns geht es tief im Inneren beim Essen nicht nur um eine bloße Nahrungsaufnahme, und ein gutes Essen in illustrer Gesellschaft ist manchem eine „Sünde“ wert. Den Gedanken an das Vergnügen des gemeinsamen Speisens zu verinnerlichen, hilft uns zu verstehen, wie vielschichtig gerade auch in Bezug auf das soziale Leben der Verlust ist, wenn man unter einer Tumortherapie weder gut riechen noch schmecken noch schlucken kann. Deshalb sind Lebensqualitätsanalysen in Studien so wichtig. Der in der Studie von Tang et al. [
3] erreichte Unterschied in der Lebensqualität ist vergleichbar mit den Unterschieden in der Lebensqualität von Patienten, die beispielsweise wegen eines kleinen Tonsillenkarzinoms lediglich allein operiert wurden, verglichen mit Patienten, die wegen eines fortgeschrittenen Karzinoms eine Resektion mit anschließender großvolumiger Radiochemotherapie (RCT) erhielten [
4]. Weil gerade die Schluckfunktion, wie hier gezeigt, die Lebensqualität erheblich beeinflusst, ist ihr Erhalt essenziell. Tang et al. konnten zeigen, dass dies mit der Aussparung eindeutig definierbarer Lymphknotenstationen bei Patienten mit Nasopharynxkarzinomen gelingt, ohne dass es zu Einbußen der Tumorkontrolle kommt. Zusätzlich offenbaren ihre Untersuchungen, dass selbst ein Verzicht auf zu bestrahlendes Volumen unterhalb des Cartilago cricoidea die Schluckfunktion günstig gestaltet, selbst wenn proximal davon Dosen appliziert werden, die ungünstig für die Schluckfunktion sind [
5].
Der randomisierten Interventionsstudie vorausgegangen war eine akribische Analyse der Verteilungsmuster der Lymphknotenmetastasierung an fast tausend Patienten mithilfe der MRT [
2]. Sie bildete die Basis für eine Serie von 54 Patienten mit partieller Halsbestrahlung, die eine 98 %ige regionale Tumorkontrolle zeigte [
6], und führte in letzter Konsequenz zur Durchführung einer randomisierten Phase-III-Studie, die nun auch eindeutig zeigt, dass dieses reduzierte Bestrahlungsvolumen trotzdem zu einer gleichwertigen und hohen Tumorkontrolle führt. Noch heute finden sich erstaunlich wenige von diesen essenziellen Analysen zur Verteilung von Lymphknotenmetastasen und Rezidiven bei jedweder Tumorentität, die unsere Festlegung der Bestrahlungsvolumina so nachhaltig beeinflussen. Hier ist eine wahre Fundgrube, die natürliche und künstliche Intelligenz beflügeln kann.
Auf den ersten Blick schwer erklärlich scheint das marginal bessere Gesamtüberleben und krankheitsspezifische Überleben in der Gruppe mit der dosisreduzierten Bestrahlung. Bei genauerer Betrachtung der Daten könnte dies durch die Tatsache bedingt sein, dass sich in der Gruppe der Patienten mit bilateraler Bestrahlung mehr Patienten mit T3/T4-Tumoren und ältere Patienten befanden als in der Gruppe der volumenreduzierten RT. Allerdings ändert dieser Aspekt nichts an der Tatsache, dass die volumenreduzierte Bestrahlung in dem eingeschlossenen Patientenkollektiv, welches in Europa sicher eine Rarität darstellen dürfte, bedenkenlos empfohlen werden kann. Wofür aus unserer Sicht derzeit keine hinreichenden Beweise vorliegen, ist der Verzicht auf die Bestrahlung der kontralateralen proximalen Lymphknotenstationen, auch nicht bei einseitigem Nasopharynxkarzinom. Aber das bleibt noch nachträglich zu untersuchen.
Marlen Haderlein und Sabine Semrau, Erlangen
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