Pruritus bei Dialysepflicht gibt Auskunft über Prognose

Entwickelt sich unter Hämodialyse ein moderater bis extremer Pruritus, macht er den Betroffenen meistens dauerhaft zu schaffen. Das hat Konsequenzen für die Lebensqualität – und die Lebenserwartung. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Prävalenz des nephrogenen Pruritus bei Hämodialyse ist nach wie vor hoch: In DOPPS (Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study), einer internationalen prospektiven Kohortenstudie, waren zwischen 2009 und 2018 konstant etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmenden von moderatem bis extremem Juckreiz betroffen. Eine Verlaufsuntersuchung von DOPPS zeigt nun, dass ein mindestens mittelschwerer Pruritus die Mehrzahl der Patienten und Patientinnen länger als zwölf Monate quälte. Der Juckreiz war zudem nicht nur mit subjektivem Leiden verbunden, er korrelierte auch mit einem schlechteren klinischen Outcome. Analysiert wurden die Daten von 7976 Teilnehmenden, die bei der Aufnahme in die Studie und etwa zwölf Monate später die Frage „In welchem Ausmaß waren Sie in den letzten vier Wochen durch juckende Haut beeinträchtigt: gar nicht/etwas/moderat/sehr stark/extrem?“ beantwortet hatten. Zu beiden Zeitpunkten hatten 36% der Befragten über mindestens moderaten Pruritus berichtet: Etwa die Hälfte der Teilnehmenden (51%) war zu mindestens einem Zeitpunkt betroffen, 22% an beiden Terminen. Von denen, die bei der ersten Abfrage moderaten bis extremen Pruritus angegeben hatten, blieben 61% mindestens moderat belastet. Insgesamt war bei 44% der Schweregrad bei der ersten und zweiten Abfrage identisch, bei jeweils 28% hatte er sich verbessert bzw. verschlechtert. Nur Minderheit (wirksam) medikamentös behandelt Von den terminal Nierenkranken mit moderatem bis extremem Pruritus erhielt eine kleine Minderheit – 5% insgesamt, 7% in Europa – eine Off-label-Therapie mit den nachweislich wirksamen Gabapentinoiden; zusätzlichen 9% wurden sie im Lauf des nächsten Jahres verordnet. Bei weiteren 20% (insgesamt) bzw. 22% (in Europa) wurde der Pruritus mit Antihistaminika behandelt, obwohl deren Wirkung bei Pruritus bei chronischer Nierenerkrankung (CKD) nicht belegt ist und sie in der Leitlinie nicht empfohlen werden. (Das heute für Erwachsene mit moderatem bis schwerem nephrogenem Pruritus bei Hämodialyse primär empfohlene Antipruriginosum Difelikefalin war im Studienzeitraum noch nicht zugelassen.) Veränderungen des mit CKD assoziierten Pruritus (CKD-aP) zogen unmittelbar Veränderungen von subjektiven Ergebnissen (patient reported outcomes, PROs) nach sich. Zum Beispiel stieg bei neu aufgetretener CKD-aP der Anteil der Personen mit unruhigem Schlaf in mindestens drei Nächten der Woche von 38% auf 48%, bei persistierenden Beschwerden verharrte er bei 54–55% und nach ihrem Verschwinden ging er von 48% auf 40% zurück. Ganz ähnliche Muster waren für depressive Symptome und das Gefühl von Schwäche bzw. Erschöpfung zu beobachten. Kardiovaskuläres Risiko um fast 50% erhöht Ein Zusammenhang zeigte sich auch zwischen Pruritus und klinischen Outcomes in den median 15 Monaten nach der zweiten Abfrage: Im Vergleich zu nicht betroffenen Patienten war bei anhaltendem CKD-aP die Mortalität relativ um 29%, das Risiko für Hospitalisierungen um 17% und das für kardiovaskuläre Ereignisse und 48% erhöht. Ähnliche Risikoanstiege fanden sich bei neu aufgetretenem Pruritus, und selbst bei transienten Beschwerden war die Mortalität noch erhöht. Auf die untersuchten Laborwerte, z. B. den Kalzium- oder Phosphatspiegel im Serum, hatten Veränderungen des Pruritus dagegen keinen signifikanten Einfluss. "Regelmäßig nach Juckreiz fragen!" Die Studiengruppe mit Erstautor Nidhi Sukul von der University of Michigan in Ann Arbor rät aufgrund der Ergebnisse, Dialysepatienten standardisiert und häufig nach Pruritus zu fragen, um die Beschwerden früh zu erkennen und die Betroffenen beim Coping unterstützen zu können. Aus ihrer Sicht sind Studien nötig, die die Ätiologie des CKD-aP erforschen und die untersuchen, ob die Behandlung des Pruritus auch die Prognose bei Dialysepflicht verbessern kann. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie ist der Verlauf von Pruritus bei dialysepflichtigen Personen und welcher Zusammenhang besteht zu subjektiven (patient reported outcomes, PROs) und klinischen Endpunkten? Antwort: Etwa die Hälfte der Patienten war im Lauf eines Jahres von mindestens mittelschwerem Pruritus betroffen, bei 61% blieben die Beschwerden erhalten. Nur selten erfolgte eine geeignete medikamentöse Therapie. Der Pruritus korrelierte mit einer Verschlechterung von PROs wie depressiver Stimmung und unruhigem Schlaf und mit einem Anstieg von Mortalität und kardiovaskulären Komplikationen. Bedeutung: Hämodialysepflichtige Personen sollten standardisiert und oft nach Pruritus gefragt und beim Coping unterstützt werden. Einschränkung: Nur zwei Befragungen im Abstand von einem Jahr. Unklar, ob eine Pruritustherapie auch die Prognose verbessern kann.

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