Neuer Ansatz zur Reduktion des renalen und kardiovaskulären Risikos

Die chronische Nierenerkrankung ist mit die häufigste Folgekomplikation beim Typ-2-Diabetes. Sie bleibt oft lange unerkannt und ist maßgeblich an der ungünstigen Prognose für den Verlauf des Typ-2-Diabetes beteiligt. Frühes Screening auf Nierenfunktionsstörungen und enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Hausärzten, Diabetologen und Nephrologen sind unabdingbar, um alle Optionen der kardialen und renalen Protektion nutzen zu können. Mit Finerenona wurde ein neuer Ansatz bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer Nephropathie erfolgreich geprüft: Die Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD sowie die Analyse FIDELITYb untersuchten das Potenzial für die Prognoseverbesserung über ein breites Patientenkollektiv. Die Inzidenz des Diabetes mellitus Typ 2 steigt seit vielen Jahren weltweit an. Erschwerend kommt hinzu, dass Folgekrankheiten bei Betroffenen häufig sind: Rund 40% der Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickeln trotz antiglykämischer und antihypertensiver Therapie eine chronische Nierenerkrankung (CKD; chronic kidney disease) [1]. Charakterisiert ist diese Entwicklung durch einen zunächst allmählichen, später aber dann steilen Anstieg der Eiweißausscheidung im Urin. Parallel nimmt die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) stetig ab, sodass ohne eine adäquate Therapie letztlich eine Dialysepflicht entstehen kann. Zudem haben Patienten mit Typ-2-Diabetes mit begleitender CKD ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität [2]. Faktoren der CKD-Pathogenese Die Entwicklung und Progression der CKD bei Patienten mit Typ-2-Diabetes wird durch die kombinierten Effekte metabolischer, hämodynamischer, inflammatorischer und profibrotischer Faktoren angetrieben [3–5]: So werden als Reaktion auf die Hyperglykämie nierenschädigende Prozesse wie die Bildung von AGE (advanced glycosylation endproduct) und reaktiven Sauerstoffspezies sowie die Aktivierung von Signalwegen und Veränderungen im Energiestoffwechsel angestoßen [3, 4]. Hämodynamisch entscheidend ist insbesondere die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), die neben der systemischen auch eine intraglomeruläre Hypertonie, eine glomeruläre Hyperfiltration und Störungen in der Natrium-Flüssigkeits-Balance induziert [3]. Ein entscheidender Vorgang ist die Freisetzung proinflammatorischer Moleküle, die in der Niere Entzündungsprozesse auslösen, welche zur Fibrose führen [5]. Als pathophysiologisch ebenfalls von Bedeutung ist der in den Zellen von Niere, Herz und Gefäßsystem exprimierte Mine-ralokortikoid-Rezeptor (MR): So ist die MR-Überaktivierung gleichfalls bei Entzündung und Fibrose in verschiedenen Organsystemen involviert und führt sowohl in Herz als auch in Niere zu komplexen Schädigungen wie kardialem Remodeling, glomerulärer Hypertrophie, Glomerulosklerose und reduzierter Nierenperfusion (Abb. 1) [5]. Abb. 1 Metabolische, hämodynamische, inflammatorische und fibrotische Faktoren fördern die CKD-Progression bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (modifiziert nach [3-5]) Springer Medizin Verlag GmbH × Frühes Screening auf Nierenschäden Um der schleichenden Progression einer Nierenschädigung sowie eines Nierenfunktionsverlustes effektiver entgegen wirken zu können, gewinnt die Etablierung aussagekräftiger Screening-Maßnahmen an Bedeutung, so Dr. Ludwig Merker, Diabetologie Neanderthal, Erkrath. Als initiale Maßnahme empfiehlt er die Durchführung eines Mehrfachfelder-Streifentests, der bei Nachweis einer Albuminurie einen frühen Hinweis auf eine erste Nierenschädigung liefert [6]. Bei positivem Befund schließt sich die Bestimmung der Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) für die Diagnosebestätigung einer CKD und für die Verlaufskontrolle an. Die UACR gibt Hinweise auf die Nierenschädigung und ermöglicht die Risikoabschätzung von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität. Ein weiterer entscheidender Parameter ist die geschätzte GFR (eGFR) als Ausdruck der Nierenfunktion. Die Bestimmung sowohl von eGFR als auch von UACR bei betroffenen Patienten ist unverzichtbar, da beide Marker zusammen eine bessere Risikoabschätzung ermöglichen. UACR- und eGFR-Messung sollten laut Empfehlung der Fachgesellschaft KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcomes) mindestens einmal jährlich, bei zunehmendem Schweregrad der CKD jedoch bis zu viermal pro Jahr erfolgen, um das CKD-Risiko abschätzen zu können (Kasten) [7]. Von der KDIGO empfohlene Kontrolluntersuchungen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes Abhängig vom Stadium der CKD sollten 2–4x pro Jahr folgende Werte kontrolliert werden: eGFR UACR Blutdruck (Zielwert: ≤130/80 mmHg) HbA1c (Zielwert: 6,5–7,5%) Lipide (besonders LDL-Cholesterin, ggf. Triglyzeride) KDIGO=Kidney Disease ImprovingGlobal Outcomes; CDK=chronische Nierenerkrankung; eGFR=geschätzte glomeruläre Filtrationsrate; UACR=Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio; HbA1c=glykiertes Hämoglobin; LDL=Low-density-Lipoprotein; mod. nach [7] Restrisiko trotz Standardtherapien Als Ziele in der CKD-Behandlung führte Prof. Dr. Martin Hausberg, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH, die Progressionshemmung sowohl der Nierenschädigung als auch anderer Manifestationen der diabetischen Mikro- und Makroangiopathie an. Mit den RAAS-Inhibitoren steht seit längerem eine auf die hämodynamischen Faktoren abzielende Therapie zur Verfügung. Mit den SGLT2 (sodium glucose cotransporter 2)-Inhibitoren wurde vor kurzem eine neue Option der Kardio- und Nephroprotektion entwickelt. „Doch besteht bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD trotz aktueller Standardtherapie ein erhebliches Restrisiko für die CKD-Progression“, mahnte Hausberg. Mit Finerenon wurde ein selektiver nicht steroidaler MR-Antagonist (nsMRA) entwickelt, der die MR-Überaktivierung blockiert. Der Wirkstoff besitzt im Vergleich zu steroidalen MRA einen anderen Bindungsmechanismus und eine spezifische Verteilung in Herz und Niere (wie in experimentellen Untersuchungen nachgewiesen [8]), was zu einer hohen Potenz, Selektivität und einer unterschiedlichen Wirkung auf die MR-Kofaktorbindung führt [8, 9]. Finerenon – erfolgreich klinisch geprüft Finerenon wurde in den Phase-III-Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD bei >13.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD erfolgreich geprüft [10, 11]. Damit handelt es sich um das bisher größte Studienprogramm in diesem Kollektiv. FIDELIO-DKD umfasste 5.734 Teilnehmer mit mittelschwerer bis schwerer CKD und hatte einen kombinierten primären renalen Endpunkt, der terminales Nierenversagen oder eGFR <15ml/min/1,73m², ≥40%ige Abnahme der eGFR und Tod durch Nierenversagen umfasste [10]. FIGARO-DKD schloss 7.437 Patienten auch mit weniger schwer ausgeprägter CKD ein. Der kombinierte primäre kardiovaskuläre Endpunkt umfasste kardiovaskulären Tod, nicht tödlichen Myokardinfarkt oder Schlaganfall sowie Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz [11]. Beide Studien hatten ein ähnliches Design und prüften Finerenon zusätzlich zur Standardtherapie mit einem optimal ausdosierten RAAS-Blocker hinsichtlich der Reduktion von Morbidität und Mortalität. Größtes Studienprogramm bei Typ-2-Diabetes und CKD Die Daten beider Studien wurden in der präspezifizierten gepoolten Analyse FIDELITY ausgewertet [12]. Die Endpunkte der Analyse entsprachen dem kombinierten renalen bzw. kardiovaskulären Endpunkt von FIDELIO-DKD bzw. FIGARO-DKD. In beiden Endpunkten erwies sich Finerenon gegenüber Placebo überlegen: Zusätzlich zur optimierten RAAS-Blockade senkte der nsMRA die Inzidenz des kombinierten kardiovaskulären Endpunkts um relativ 14% (14,4% versus 12,7%; Hazard Ratio [HR] 0,86; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,78–0,95; p=0,0018). Auch der kombinierte renale Endpunkt (definiert als Zeit bis zum Nierenversagen, ein anhaltender eGFR-Rückgang um mindestens 57% gegenüber dem Ausgangswert oder Tod durch Nierenversagen) wurde durch Finerenon positiv beeinflusst, das Risiko ebenfalls um relativ 23% gesenkt (HR 0,77; 95%-KI 0,67–0,88; p=0,0002). Die Wirkung von Finerenon auf den systolischen Blutdruck war mit einem mittleren placebokorrigierten Abfall von 3,7mmHg nur moderat ausgeprägt. Bei 14% der Teilnehmer trat eine leichte Hyperkaliämie auf (versus 6,9% unter Placebo), die jedoch nur in 1,7% der Fälle einen dauerhaften Therapieabbruch zur Folge hatte. Brusthyperplasie und Gynäkomastie oder eine Beeinflussung des HbA1c (glykiertes Hämoglobin)-Wertes wurden nicht beobachtet. „Finerenon besitzt das Potenzial, eine wirksame Therapieoption hinsichtlich der Risikoreduktion für ein Fortschreiten der CKD sowie kardiovaskulärer Risikoreduktion für Patienten mit leichter bis schwerer CKD und Typ-2-Diabetes zu werden“, erklärte Prof. Dr. Hermann Haller, Medizinische Hochschule Hannover. Als künftig besonders wichtig bezeichnete er die Kontrolle der UACR zusätzlich zur eGFR-Bestimmung, um verlässlich die Patienten identifizieren zu können, die von Finerenon profitieren. Deshalb bedarf es laut Ansicht der Referenten zukünftig einer intensivierten Zusammenarbeit von Hausärzten, Internisten, Diabetologen und Nephrologen. aFinerenon ist von der Europäischen Kommission noch nicht zugelassen. bDie Ergebnisse der präspezifizierten gepoolten Analyse FIDELITY sind explorativ. Literatur Nelson RG et al., JAMA 2019, 322:2104–2114 Wen CP et al., Kidney Int 2017, 92:388–396 Alicic RZ et al., Clin J Am Soc Nephrol 2017, 12:2032–2045 Mora-Fernández C et al., J Physiol 2014, 18:3997–4012 Bauersachs J et al., Hypertension 2016, 65:257–263 Merker L et al., Diabetologie 2021, 16 (Suppl 2):51–55; under review KDIGO, Kidney Int 2013, 3:S1–S150 Agarwal R et al., Nephrol Dial Transplant 2020, doi: 10.1093/ndt/gfaa294 Agarwal R et al., Eur Heart J 2021,42:152–161 Bakris GL et al., N Engl J Med 2020, 383:2219–2229 Pitt B et al., N Engl J Med 2021, doi: 10.1056/NEJMoa2110956 Filippatos G et al., ESC 2021, Abstr. 7161 Impressum „Bühne frei: Nieren- und Herzschutz bei chronischer Nierenerkrankung (CKD) und Typ-2-Diabetes“ Wissenschaftliche Fachpressekonferenz, Rostock, 24. September 2021 und virtuell Bericht: Dr. Katharina Arnheim, Freiburg i.Br. Artikel gedruckt in: Der Nephrologe 6, November 2021 Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortlich i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Teresa Windelen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Prognoseverbesserung der Nephropathie bei Typ-2-Diabetes: Neuer Ansatz zur Reduktion des renalen und kardiovaskulären Risikos

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