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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 1/2017

09.01.2017 | Übersicht

Neues (und nicht so Neues) im Recht der Unterbringung nach § 63 StGB

verfasst von: Wolfgang Pfister

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 1/2017

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Zusammenfassung

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) ist wegen ihrer zeitlichen Unbegrenztheit neben der Sicherungsverwahrung die schwerste Sanktion des deutschen Strafrechts. Steigende Belegungszahlen in den Maßregelvollzugskliniken haben den Gesetzgeber veranlasst, die Vorschriften über Anordnung und Fortdauer der Unterbringung mit dem Ziel zu verändern, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stärker in den Fokus zu rücken und eine schnellere Entlassung der weniger gefährlichen Untergebrachten zu ermöglichen. Der Beitrag beschreibt, was sich in den Vorschriften über die Anordnung der Maßregel, deren Vollstreckung und deren Beendigung sowie über das dabei anzuwendende Verfahren geändert hat. Dabei erweisen sich die Änderungen inhaltlich nur z. T. als „neu“, da der Gesetzgeber an mehreren Stellen lediglich gesetzlich festgeschrieben hat, was nach der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte schon seit Langem als Auslegung des bisherigen Rechts gegolten hatte. Abschließend wird die Bedeutung der Novelle für die praktische Arbeit der Gutachter untersucht.
Fußnoten
1
§ 63 StGB galt von 1975 bis zum 31.7.2016 unverändert. Mit Wirkung vom 31.1.1998 ist in § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB für die Entlassung zur Bewährung die „Erwartensklausel“ an die Stelle der „Erprobungsklausel“ getreten. Zum 29.7.2004 ist mit § 67d Abs. 6 StGB die Möglichkeit geschaffen worden, die Maßregel wegen Entfallens der Voraussetzungen oder wegen Unverhältnismäßigkeit für erledigt zu erklären.
 
2
Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8.7.2016, BGBl I 2016, S. 1610.
 
3
Zahl der Untergebrachten jeweils am 31.3. d. J. nach der Strafvollzugsstatistik, Statistisches Bundesamt: 2000: 4098/2005: 5640/2006: 5917/2007: 6061/2008: 6287/2009: 6440/2010: 6569/2011: 6620/2012: 6750; für die beiden bislang letzten statistisch erfassten Jahre ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen: 2013: 6652/2014: 6540.
 
4
Eher u. a., R&P 2016, 96.
 
5
Eher u. a. aaO.
 
6
Im Fall des Untergebrachten Mollath hat sich das BVerfG in seinem Beschluss vom 20.8.2013 – 2 BvR 371/12, NJW 2013, 3228 nicht mit der Anordnung der Maßregel zu befassen gehabt. Gegenstand war ausschließlich die als unzureichend beanstandete Begründung fortdauernder Gefährlichkeit in der Entscheidung des OLG Bamberg. Insofern hat sich der Beschluss nicht von allen anderen, gleichgelagerten Entscheidungen des BVerfG unterschieden. Grundlegend zu dem die Anordnung und die Vollstreckung der Maßregel beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: BVerfG, U. v. 8.10.1985 – 2 BvR 1150/80, R&P 1986, 25; im Übrigen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit: BVerfG, B. v. 14.1.2005 – 2 BvR 983/04, R&P 2005, 79; B. v. 23.1.2008 – 2 BvR 2380/06, juris; B. v. 26.3.2009 – 2 BvR 2543/08, R&P 2009, 224 (Ls); B. v. 19.6.2012 – 2 BvR 2521/11, R&P 2012, 225 (Ls); B. v. 4.10.2012 – 2 BvR 442/12, R&P 2013, 42; B. v. 16.5.2013 – 2 BvR 2671/11, R&P 2013, 161; B. v. 5.7.2013 – 2 BvR 2957/12, R&P 2014, 50 (Ls); B. v. 5.7.2013 – 2 BvR 789/13, NStZ-RR 2013, 360 (Ls); B. v. 24.7.2013 – 2 BvR 298/12, R&P 2014, 31; B. v. 12.12.2013 – 2 BvR 1690/13, juris; B. v. 17.2.2014 – 2 BvR 1795/12, juris; B. v. 4.3.2014 – 2 BvR 1020/13, NStZ-RR 2014, 222; B. v. 2.7.2014 – 2 BvR 1056/12, juris; B. v. 2.7.2014 – 2 BvR 64/14, BtPrax 2014, 221; B. v. 11.7.2014 – 2 BvR 689/14, NJW 2014, 3294; B. v. 11.7.2014 – 2 BvR 2848/12, juris; B. v. 20.11.2014 – 2 BvR 2774/12, R&P 2015, 118 (Ls); B. v. 22.1.2015 – 2 BvR 2049/13, R&P 2015, 148; B. v. 21.4.2015 – 2 BvR 2462/13, NStZ-RR 2016, 9 (Ls); B. v. 18.2.2016 – 2 BvR 2191/13, StV 2016, 589 (Ls); B. v. 8.7.2016 – 2 BvR 435/15, FuR 2016, 587; B. v. 20.10.2016 – 2 BvR 517/16, juris; B. v. 3.11.2016 – 2 BvR 2921/14, juris; B. v. 16.11.2016 – 2 BvR 1739/14, juris.
 
7
BVerfG, B. v. 27.3.2012 – 2 BvR 2258/09, R&P 2012, 158.
 
8
BT-Drucks. 18/8267.
 
9
Vgl. BVerfG, B. v. 24.7.2013 – 2 BvR 298/12, R&P 2014, 31; BGH, B. v. 18.7.2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383.
 
10
BT-Drucks. 18/7244 S. 17.
 
11
BT-Drucks. 18/7244 S. 18.
 
12
BT-Drucks. aaO.
 
13
Vgl. dazu BT-Drucks. 18/7244 S. 20 mit Nachweisen zur Rechtsprechung.
 
14
BT-Drucks. 18/7244 S. 21.
 
15
BGH, U. v. 29.9.2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341 und v. 15.8.2013 – 4 StR 179/13, juris.
 
16
BGH, B. v. 9.4.2013 – 5 StR 120/13, BGHSt 58, 242; U. v. 2.3.2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240 und v. 23.1.1986 – 4 StR 620/85, NStZ 1986, 237.
 
17
Vgl. BT-Drucks. 18/7244 S. 22.
 
18
BVerfG, B. v. 27.3.2012 – 2 BvR 2258/09, R&P 2012, 158.
 
19
Die Vorschrift gilt für die unbefristeten Maßregeln nach §§ 63, 66, 66a und 66b StGB sowie für die befristete Maßregel nach § 64 StGB, sofern die Höchstfrist noch nicht abgelaufen ist.
 
20
BVerfG, U. v. 8.10.1985 – 2 BvR 1150/80, R&P 1986, 25.
 
21
BT-Drucks. 18/7244 S. 29.
 
22
Vgl. dazu Rissing-van Saan/Peglau in LK-StGB, § 67d Rn. 55.
 
23
BT-Drucks. 18/7244 S. 30.
 
24
BVerfG, U. v. 8.10.1985 – 2 BvR 1150/80, R&P 1986, 25; B. v. 23.1.2003 – 2 BvR 2380/06, juris.
 
25
BT-Drucks. 18/7244 S. 32.
 
26
Siehe im Einzelnen dazu die umfangreichen Erläuterungen BT-Drucks. 18/7244 S. 33 bis 35.
 
27
BT-Drucks. 18/7244 S. 33.
 
28
BT-Drucks. 18/7244 S. 36.
 
29
Vgl. BT-Drucks. 18/7244 S. 13.
 
30
Die Begründung des Gesetzentwurfs zitiert BVerfG, B. v. 17.2.2014 – 2 BvR 1795/12, juris; als Beleg hätten aber auch alle anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. oben Fn 6) dienen können.
 
31
BT-Drucks. 18/7244 S. 36; siehe dazu auch die vom bayerischen Staatsministeriums der Justiz erarbeitete „Handreichung: Gutachterliche Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtungen für Überprüfungsentscheidungen gem. § 67e StGB bei Unterbringungen gem. § 63 StGB“, http://​www.​freistaat-bayern.​eu/​wp-content/​/​uploads/​2015/​01/​Handreichung.​pdf.
 
32
BT-Drucks. 18/7244 S. 37.
 
33
Vgl. hierzu OLG Karlsruhe, B. v. 9.8.2016 – 2 Ws 254/16, NStZ-RR 2016, 356.
 
34
OLG Karlsruhe, B. v. 14.11.2016 – 2 Ws 318/16, juris.
 
35
BT-Drucks. 18/7244 S. 38.
 
36
Die letztgenannte Variante der Begutachtung hat kaum praktische Bedeutung. Sie setzt den außergewöhnlichen Fall voraus, dass nach § 67 Abs. 2 StGB der Vorwegvollzug der Strafe oder eines Teils von ihr vor der Unterbringung nach § 63 StGB angeordnet worden und nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe zu entscheiden ist, ob der (Sicherungs)Zweck der Maßregel deren Vollstreckung noch erfordert.
 
37
BT-Drucks. 18/7244 S. 39.
 
38
BT-Drucks. aaO.
 
39
BT-Drucks. aaO.
 
40
Vgl. BT-Drucks. 16/1110 S. 20 unter Hinweis auf BVerfG, U. v. 8.10.1985 – 2 BvR 1150/80, R&P 1986, 25.
 
41
Das sind die Verfahren, bei denen die Unterbringung bereits vollstreckt wird; nicht etwa nur die Verfahren, die zur konkreten Fortdauerentscheidung bei einer Strafvollstreckungskammer anhängig sind.
 
42
Nach zehnjähriger Unterbringung konnte nach bisherigem Recht das zweite Gutachten desselben Gutachters eingeholt werden. Nunmehr ist zu diesem Zeitpunkt das vierte Gutachten einzuholen, wobei ein vierter Gutachter tätig werden kann.
 
43
Kröber FPPK 2016, 212.
 
Metadaten
Titel
Neues (und nicht so Neues) im Recht der Unterbringung nach § 63 StGB
verfasst von
Wolfgang Pfister
Publikationsdatum
09.01.2017
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 1/2017
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-016-0402-3

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