Zusammenfassung
Seit August 2019 wird in Deutschland ein Neugeborenscreening (NGS) auf schwere kombinierte Immundefekte (SCID) durchgeführt. Das SCID-NGS erfolgt mithilfe der quantitativen Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion (RT-qPCR) auf „T-cell receptor excision circles“ (TREC) aus derselben Trockenblutkarte wie das übrige NGS. Die SCID sind eine heterogene Gruppe angeborener Immundefekte mit schwerer T‑Zell-Defizienz. Unbehandelte Kinder versterben meist innerhalb der ersten beiden Lebensjahre an Infektionen oder schwerer Autoimmunität. Rechtzeitig diagnostiziert und behandelt können betroffene Kinder hingegen geheilt werden. Eine späte Diagnose nach Symptombeginn führt jedoch zu einer hohen Krankheitslast, irreversiblen Organschädigungen und schlechten Erfolgsaussichten für eine kurative Therapie, meist durch eine Stammzelltransplantation (SZT). Durch das SCID-NGS ist es möglich, betroffene Kindern bereits in den ersten Lebenstagen zu erkennen und die Therapiechancen deutlich zu verbessern. Im SCID-NGS werden aber nicht generell angeborene Störungen der Immunität ausgeschlossen, sondern nur die allerschwersten Formen einer angeboren T‑Zell-Defizienz. Außerdem weisen ca. 75 % der auffällig getesteten Neugeborenen mit einer T‑Zell-Defizienz keinen SCID, sondern z. B. ein genetisches Syndrom (z. B. ein komplettes DiGeorge-Syndrom) oder eine sekundäre T‑Zell-Defizienz (z. B. Lymphgefäßfehlbildungen) auf oder sind Frühgeborene mit sehr unreifem Immunsystem. Diese Kinder benötigen meistens keine SZT, profitieren aber von spezifischen prophylaktischen und/oder therapeutischen Maßnahmen. Positiv gescreente Neugeborene sollten umgehend einer spezialisierten immunologischen Einrichtung (CID-Klinik oder CID-Zentrum) vorgestellt werden, damit eine weiterführende und differenzierende Diagnostik und ggf. Therapie erfolgen können.