19.10.2023 | Neurointensivmedizin | Journal Club
Fokus Neurologische Intensivmedizin 2022/2023
Zusammenfassung ausgewählter intensivmedizinischer Studien
Erschienen in: Die Anaesthesiologie | Ausgabe 12/2023
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In den Jahren 2022 und 2023 wurden zahlreiche Studien im Bereich der neurologischen Intensivmedizin veröffentlicht, von denen nachfolgend eine Auswahl zusammengefasst wird. Ein Schwerpunkt liegt auf der endovaskulären Therapie des Hirninfarkts mit dem zugehörigen periprozeduralen Management. Darüber hinaus werden Aspekte des raumfordernden Hirninfarkts, des Schädel-Hirn-Traumas, des Status epilepticus, des Delirs und der Meningitis adressiert. Zudem werden einzelne Aspekte einer neuen, von der Neurocritical Care Society (NCS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurointensivmedizin (DGNI) verfassten Leitlinie zur Prognoseabschätzung nach überlebtem Herz-Kreislauf-Stillstand referiert. Eine Übersicht der Arbeiten enthält Tab. 1. Die vorliegende Zusammenstellung soll die vielfältigen Entwicklungen im Bereich der neurologischen Intensivmedizin widerspiegeln sowie Anregungen für die klinische Praxis und die Ausarbeitung weiterführender wissenschaftlicher Fragestellungen bieten.
Originaltitel
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Zusammenfassung/Hauptergebnisse
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Tissue clock beyond time clock: Endovascular thrombectomy for patients with large vessel occlusion stroke beyond 24 h [7]
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Diese retrospektive multizentrische Studie zu den Effekten der endovaskulären Therapie beim großgefäßverschlussbedingten Hirninfarkt außerhalb eines Zeitfensters von 24 h konnte für Patientinnen und Patienten mit einem schwereren neurologischen Defizit (NIHSS > 5) in Bezug auf den funktionellen Zustand nach 3 Monaten und die Sterblichkeit einen Vorteil für die mechanische Thrombektomie gegenüber der konservativen Therapie zeigen
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Trial of endovascular thrombectomy for large ischemic strokes [8]
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In der randomisierten multizentrischen Studie zu den Effekten der endovaskulären Therapie beim großgefäßverschlussbedingten Hirninfarkt mit bereits bestehender Infarktdemarkierung (ASPECTS 3 bis 5) zeigte sich in Bezug auf den funktionellen Zustand nach 3 Monaten ein Vorteil der mechanischen Thrombektomie gegenüber der konservativen Therapie
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Outcomes after endovascular therapy with procedural sedation vs general anesthesia in patients with acute ischemic stroke: The AMETIS randomized clinical trial [20]
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In dieser randomisierten multizentrischen Studie zum periprozeduralen Management der endovaskulären Therapie fanden sich in Bezug auf den funktionellen Zustand nach 3 Monaten sowie die Rate an größeren (periprozeduralen) Komplikationen innerhalb der ersten 7 Tage keine Unterschiede beim Vergleich der Allgemeinanästhesie mit der alleinigen Sedierung ohne Notwendigkeit für eine Intubation und maschinelle Beatmung
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Long-term outcome after decompressive hemicraniectomy for malignant middle cerebral artery infarction [28]
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Mit einem kombiniert retrospektiv-prospektiven Design untersuchte diese Kohortenstudie den Langzeitverlauf nach dekompressiver Hemikraniektomie, die aufgrund eines raumfordernden Hirninfarkts notwendig geworden war. Hierbei zeigte sich eine Sterblichkeit von 35 % innerhalb der ersten 6 Monate und weiteren 12,5 % im nachfolgenden Beobachtungszeitraum. Der Anteil an Patientinnen und Patienten, die eine geringe bis moderate funktionelle Beeinträchtigung (mRS < 4) aufwiesen, betrug nach 6 Monaten 23 % und im Langzeitverlauf (im Mittel 8 Jahre) 42 %
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Early versus late tracheostomy in patients with traumatic brain injury: A US nationwide analysis [34]
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Diese retrospektive Kohortenstudie adressierte anhand eines großen Datensatzes (US-amerikanische Datenbank der Krankenhausbehandlungen) den Zeitpunkt der Tracheotomie beim Schädel-Hirn-Trauma und zeigte dabei einen statistischen Zusammenhang zwischen der frühen Tracheotomie (< 7 Tage nach Krankenhausaufnahme) und einem kürzeren stationären Aufenthalt, einer geringeren Rate an Komplikationen (Pneumonien, Sepsen u. a.) sowie einer höheren Sterblichkeit, wenngleich in der Kaplan-Maier-Analyse ein Kreuzen der Überlebenskurven um den 75. Tag erkennbar wurde
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Phenobarbital in super-refractory status epilepticus (PIRATE): A retrospective, multicenter analysis [40]
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Mithilfe eines retrospektiven multizentrischen Designs adressierte diese Studie Effekte von Phenobarbital bei der Behandlung des superrefraktären Status epilepticus. Eine Anfallskontrolle konnte in ca. 60 % der Patientinnen und Patienten und damit bei einem relativ großen Anteil erzielt werden, wobei das Erreichen der Anfallsfreiheit mit höheren Serumspiegeln assoziiert war
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Early prediction of delirium upon intensive care unit admission: model development, validation, and deployment [44]
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Diese retrospektive Kohortenstudie ergab Hinweise darauf, dass mit Techniken des Machine Learning ein im intensivmedizinischen Kontext auftretendes Delir anhand von Routinedaten frühzeitig, teils sogar bereits in der Aufnahmesituation auf die Intensivstation prädiziert werden kann
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Acute bacterial meningitis in healthy adult patients: a prospective cohort study [47]
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Anhand einer prospektiven Kohortenstudie konnten im Vergleich der Zeiträume 1982–2000 und 2001–2019 u. a. eine Zunahme des Alters der Patientinnen und Patienten, eine geringere Häufigkeit der typischen klinischen Trias (Nackensteife, Fieber, Bewusstseinsstörung) mit v. a. Abnahme der Nackensteife sowie hinsichtlich des Erregerspektrums eine Abnahme der Häufigkeit von Neisseria meningitidis und eine Zunahme von Listeria monocytogenes gezeigt werden
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Guidelines for neuroprognostication in comatose adult survivors of cardiac arrest [53]
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Als eine gemeinsame Initiative der Neurocritical Care Society und der Deutschen Gesellschaft für Neurointensivmedizin fasst diese Leitlinie den aktuellen Stand der Literatur zusammen und gibt konkrete Hinweise für die klinische Praxis der neurologischen Prognoseabschätzung nach überlebtem Herz-Kreislauf-Stillstand. Hervorgehoben werden dabei u. a. die Prinzipien der Sedativafreiheit zum Untersuchungszeitpunkt und der multimodalen Prognoseabschätzung, wobei die prädiktiven Wertigkeiten klinischer (z. B. beidseitige Störung der Pupillomotorik) und elektrophysiologischer (SSEP, EEG) Befunde bewertet werden
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