Skip to main content
Erschienen in:

06.09.2018 | Neurologie | Originalien

Nach der Reform ist vor der Reform

Ergebnisse der Novellierungsprozesse der Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Bundesländer

verfasst von: G. Gerlinger, A. Deister, A. Heinz, M. Koller, S. Müller, T. Steinert, T. Pollmächer

Erschienen in: Der Nervenarzt | Ausgabe 1/2019

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung

Wenn Symptome psychischer Erkrankungen dazu führen, dass der betroffene Mensch sich selbst oder andere gefährdet, kann auf Basis der Unterbringungsgesetze bzw. Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Länder gegen seinen Willen eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus richterlich angeordnet werden. Diese Landesgesetze werden seit 2011 überarbeitet. Ziel des vorliegenden Papiers ist eine Bestandsaufnahme und Analyse der Ergebnisse der Novellierungsprozesse, auf deren Basis weiterer Handlungsbedarf für die Gesetzgeber definiert werden soll.

Methodik

Recherche und vergleichende Analyse des aktuellen Stands und der Ergebnisse der Novellierungsprozesse in den einzelnen Bundesländern. Anhand ausgewählter, rechtlich und medizinisch besonders relevanter Bereiche werden die Landesgesetze verglichen.

Ergebnisse

Die Regelungen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sind auch nach den Anpassungen höchst heterogen und entsprechen in vielen Ländern nicht vollständig den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Diskussion

Die Landesgesetze sollten insbesondere dort, wo sie Grund- und Menschenrechte einschränken, also bei den Unterbringungsvoraussetzungen und -zielen und bei den Regelungen zu Zwangsmaßnahmen, länderübergreifend harmonisiert werden.
Fußnoten
1
Die Zahl der gerichtlichen Genehmigungen wird hierbei nicht erhoben. Als Anhaltspunkt kann die Quote der Genehmigung in betreuungsrechtlichen Unterbringungsverfahren dienen, welche kontinuierlich etwa 95 % beträgt (Bundesamt für Justiz, Betreuungsverfahren 2014).
 
2
Redaktionelle Änderungen an PsychKG, die keine Anpassung an die BVerfG-Rechtsprechung enthielten, wurden hier nicht als Novellierung gewertet (z. B. Änderung des ThürPsychKG, seit 28.07.2014 in Kraft).
 
3
Zur Frage, ob Sicherungsmaßnahmen im Rahmen einer Unterbringung als „Freiheitsentziehung in der Freiheitsentziehung“ bereits richterlich genehmigt oder einer erneuten Genehmigung bedürfen, hat die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.2018 Klarheit gebracht: 5‑Punkt- und 7‑Punkt-Fixierungen, die nicht lediglich kurzfristig (Dauer unter 30 min) sind, lösen zukünftig einen Richtervorbehalt im Sinne des § 104 Abs. 2 GG aus.
 
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Adorjan K, Steinert T, Flammer E, Deister A, Koller M, Zinkler M, Herpertz S, Häfner S, Hohl-Radke F, Beine KH, Falkai P, Gerlinger G, Pogarell O, Pollmächer T (2017) Zwangsmaßnahmen in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Eine Pilotstudie der DGPPN zur Erprobung eines einheitlichen Erfassungsinstrumentes. Nervenarzt 88:802–810CrossRef Adorjan K, Steinert T, Flammer E, Deister A, Koller M, Zinkler M, Herpertz S, Häfner S, Hohl-Radke F, Beine KH, Falkai P, Gerlinger G, Pogarell O, Pollmächer T (2017) Zwangsmaßnahmen in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Eine Pilotstudie der DGPPN zur Erprobung eines einheitlichen Erfassungsinstrumentes. Nervenarzt 88:802–810CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Brink C (2002) Zwangseinweisungen in die Psychiatrie. In: Herbert U (Hrsg) Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Wallstein, Göttingen, S 468–507 Brink C (2002) Zwangseinweisungen in die Psychiatrie. In: Herbert U (Hrsg) Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Wallstein, Göttingen, S 468–507
3.
Zurück zum Zitat Bruns H, Henking T (2015) Unterbringungen und Zwangsbehandlungen in Zahlen. In: Henking T, Vollmann J (Hrsg) Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen. Ein Leitfaden für die Praxis. Springer, Berlin, S 19–27CrossRef Bruns H, Henking T (2015) Unterbringungen und Zwangsbehandlungen in Zahlen. In: Henking T, Vollmann J (Hrsg) Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen. Ein Leitfaden für die Praxis. Springer, Berlin, S 19–27CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) – Taskforce Patientenautonomie (2016) Eckpunkte für die Regelung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern – mit Erläuterungen. Nervenarzt 87:311–317CrossRef Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) – Taskforce Patientenautonomie (2016) Eckpunkte für die Regelung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern – mit Erläuterungen. Nervenarzt 87:311–317CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L, Busch M, Hapke U, Maske U, Gaebel W, Maier W, Wagner M, Zielasek J, Wittchen HU (2014) Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Nervenarzt 85:77–87CrossRef Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L, Busch M, Hapke U, Maske U, Gaebel W, Maier W, Wagner M, Zielasek J, Wittchen HU (2014) Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Nervenarzt 85:77–87CrossRef
7.
Zurück zum Zitat Jacobi F, Höfler M, Strehle J et al (2016) Erratum zu: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Nervenarzt 87:88–90CrossRef Jacobi F, Höfler M, Strehle J et al (2016) Erratum zu: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Nervenarzt 87:88–90CrossRef
8.
Zurück zum Zitat Juckel G, Haußleitner I (2015) Die stationäre Unterbringung nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG NRW) – was sind die stärksten Prädiktoren? Psychiatr Prax 42:133–139PubMed Juckel G, Haußleitner I (2015) Die stationäre Unterbringung nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG NRW) – was sind die stärksten Prädiktoren? Psychiatr Prax 42:133–139PubMed
10.
Zurück zum Zitat Martin V, Steinert T (2004) Ein Vergleich der Unterbringungsgesetze in den 16 deutschen Bundesländern. Krankenhauspsychiatrie 15:1–11 Martin V, Steinert T (2004) Ein Vergleich der Unterbringungsgesetze in den 16 deutschen Bundesländern. Krankenhauspsychiatrie 15:1–11
11.
Zurück zum Zitat Müller S (2018) Einfluss der UN-Behindertenrechtskonvention auf die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung zu Zwangsmaßnahmen. Fortschr Neurol Psychiatr 86:1–8 Müller S (2018) Einfluss der UN-Behindertenrechtskonvention auf die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung zu Zwangsmaßnahmen. Fortschr Neurol Psychiatr 86:1–8
12.
Zurück zum Zitat Prescott D, Madden L, Dennis M, Tisher P, Wingate C (2007) Reducing mechanical restraints in acute psychiatric care settings using rapid response teams. J Behav Health Serv Res 34:96–105CrossRef Prescott D, Madden L, Dennis M, Tisher P, Wingate C (2007) Reducing mechanical restraints in acute psychiatric care settings using rapid response teams. J Behav Health Serv Res 34:96–105CrossRef
14.
Zurück zum Zitat Swanson J, Swartz M, Elbogen E, Van Dorn R, Wagner R, Moser L, Wilder C, Gilbert A (2008) Psychiatric advance directives and reduction of coercive crisis interventions. J Ment Health 17:255–267CrossRef Swanson J, Swartz M, Elbogen E, Van Dorn R, Wagner R, Moser L, Wilder C, Gilbert A (2008) Psychiatric advance directives and reduction of coercive crisis interventions. J Ment Health 17:255–267CrossRef
15.
Zurück zum Zitat Valdes-Stauber J, Wiederholt F, Kilian R (2012) Gibt es unterschiedliche Tendenzen in der Anordnung von Betreuungen und Unterbringungen zwischen Großstadt und Land? Ein bayerischer Vergleich zwischen München und dem Allgäu. Psychiatr Prax 39:267–274CrossRef Valdes-Stauber J, Wiederholt F, Kilian R (2012) Gibt es unterschiedliche Tendenzen in der Anordnung von Betreuungen und Unterbringungen zwischen Großstadt und Land? Ein bayerischer Vergleich zwischen München und dem Allgäu. Psychiatr Prax 39:267–274CrossRef
16.
Zurück zum Zitat Whitecross F, Seeary A, Lee S (2013) Measuring the impacts of seclusion on psychiatry inpatients and the effectiveness of a pilot single-session post-seclusion counselling intervention. Int J Ment Health Nurs 22:512–521CrossRef Whitecross F, Seeary A, Lee S (2013) Measuring the impacts of seclusion on psychiatry inpatients and the effectiveness of a pilot single-session post-seclusion counselling intervention. Int J Ment Health Nurs 22:512–521CrossRef
Metadaten
Titel
Nach der Reform ist vor der Reform
Ergebnisse der Novellierungsprozesse der Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Bundesländer
verfasst von
G. Gerlinger
A. Deister
A. Heinz
M. Koller
S. Müller
T. Steinert
T. Pollmächer
Publikationsdatum
06.09.2018
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Der Nervenarzt / Ausgabe 1/2019
Print ISSN: 0028-2804
Elektronische ISSN: 1433-0407
DOI
https://doi.org/10.1007/s00115-018-0612-3

Neu in den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie

Stumme Schlaganfälle − ein häufiger Nebenbefund im Kopf-CT?

In 4% der in der Notfallambulanz initiierten zerebralen Bildgebung sind „alte“ Schlaganfälle zu erkennen. Gar nicht so selten handelt es sich laut einer aktuellen Studie dabei um unbemerkte Insulte. Bietet sich hier womöglich die Chance auf ein effektives opportunistisches Screening?

Migräne verstehen und psychotherapeutisch behandeln

Das Wissen über die Mechanismen, die im Gehirn bei einer Migräneattacke ablaufen, und mögliche Auslöser wird immer breiter. Der psychologische Psychotherapeut Dr. Dipl.-Psych. Timo Klan fasst den aktuellen Erkenntnisstand zusammen. Und er gibt Tipps für eine differenzierte, individuelle Diagnostik auch von Begleiterkrankungen und beschreibt erfolgreiche psychotherapeutische Interventionen.

Gefahr von Hirnblutungen: DOAK riskanter als ASS?

Aus Angst vor Blutungen wird Patienten mit Vorhofflimmern nicht selten ASS anstelle einer Antikoagulation verordnet. Zumindest im Hinblick auf intrakranielle Blutungen bietet ASS jedoch nicht mehr Sicherheit als direkte orale Antikoagulanzien, zeigt eine Metaanalyse.

Die beste Medizin gegen Altersdepression: Laufen, Lernen, Lachen, Lieben

Depressionen im Alter haben vielfältige Ursachen und verlaufen anders als bei jungen Menschen. Ohne einen multimodalen Ansatz kommt man oft nicht weit: Neben Medikamenten und Psychotherapien ist die physische, kognitive und soziale Aktivierung entscheidend.