Immer mehr Patienten leiden an Gesundheitsangst

Gesundheitsangststörungen als Form hypochondrialer Störungen erreichen möglicherweise epidemische Ausmaße, so die Vorstellung einiger Psychiater und Psychologen in Großbritannien, Dänemark und Schweden. Dazu beitragen könnte ihrer Ansicht nach die „Cyberchondrie“. Ärzte sollten stärker für die Angststörung sensibilisiert sein. Gesundheitsangststörung ist eine Krankheitsbezeichnung in Anlehnung an eine somatoforme Störung, die im ICD-10-System als hypochondriale Störung, in der DSM-IV-Klassifikation psychischer Störungen als Hypochondrie und in der DSM-5-Klassifikation nun als Krankheitsangststörung bezeichnet wird. Professor Peter Tyrer vom Zentrum für seelische Gesundheit am Imperial College in London und seine Kollegen sehen jedoch den Unterschied zur Krankheitsangststörung darin, dass die Patienten mit der Gesundheitsangststörung weniger – wie Patienten mit somatischen Symptomen – eine Linderung solcher Symptome herbeisehnen, sondern sich vielmehr sehnlichst wünschen, sich über eine mögliche Erkrankung keine Sorgen machen zu müssen: Eine Schlüsselkomponente – die im DSM-5 nicht aufgeführt ist – sei nämlich das permanente Grübeln über eine mögliche Krankheit, das die Patienten nicht mehr loslasse, so die Ärzte. Erkrankungsrate in manchen Regionen bis zu 20 % Tyrer und seine Kollegen berichten über mehrere Studien, in denen geprüft wurde, wie häufig Gesundheitsangststörungen sind. Eine australische Studie zum Beispiel habe in einer Umfrage in der Bevölkerung im Jahr 2007 aufgedeckt, dass dort der Anteil der Patienten mit Gesundheitsangststörungen bei 3,4 % lag. In der Grafschaft Nottinghamshire in Mittelengland dagegen wurde bereits ein Jahr zuvor eine Untersuchung zur Erkrankungsrate bei Patienten gemacht, die in kardiologischen, pneumologischen, gastroenterologischen und endokrinologischen Kliniken versorgt wurden. Mit einer Rate von 12 % lag sie dort deutlich höher. Sie stieg sogar innerhalb von vier Jahren auf 20 %. Eine mögliche Ursache dieser Entwicklung ist nach Ansicht der Wissenschaftler die „Pathologisierung unserer Gesellschaft“, und zwar in Kombination mit der Nutzung des Internet. Die dafür verwendete Bezeichnung „Cyberchondrie“ wurde bereits 2009 erstmals verwendet (ACM Transactions on Information Systems (TOIS) 2009; 27: 1–23). Die betroffenen Patienten steigern durch die Recherchen im Internet im Zusammenhang mit möglichen Symptomen unbegründet ihre Angst, tatsächlich erkrankt zu sein. Die Internetnutzung sei hilfreich für jene, die nach Ursachen für ihre Symptome suchen, aber sie sei eine Bedrohung für Patienten mit einer Gesundheitsangststörung, so die Wissenschaftler. Es helfe nichts, ihnen zu sagen, dass die Erkrankung, von der sie glauben, daran erkrankt zu sein, extrem selten ist. Manche halten es dann für möglich, dass genau sie es sind, die die Krankheit haben. Für Patienten mit Gesundheitsangststörungen gibt es mehrere Therapieoptionen. Sie reichen nach Angaben von Tyrer und seinen Kollegen von der traditionellen Verhaltenstherapie über die gruppenbasierte Achtsamkeitstherapie bis zur Akzeptanz- und Commitmenttherapie. Vorteil dieser Strategien sei, dass der Therapieerfolg lange anhalte. Nach Ansicht der Wissenschaftler sollten Ärzte sensibler für dieses Krankheitsbild sein. Meist sei die Diagnose einfach zu stellen. Ihren Erfahrungen zufolge werde sie von den Patienten meist auch umgehend akzeptiert, „wenn sie ihnen respektvoll erläutert wird“. Alle Patienten mit Gesundheitsangststörungen sollten mithilfe der verfügbaren Therapieoptionen versorgt werden.

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