Erschienen in:
08.01.2018 | Schwerpunkt: Geschichtsvergessenheit – Originalien
Nicht unsere Geschichte
Anhaltende Überforderung durch die NS‑Vergangenheit
verfasst von:
Dr. Gudrun Brockhaus
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 1/2018
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Zusammenfassung
Im Jahr 1967 sprechen A. und M. Mitscherlich von dem für das Selbstgefühl unerträglichen Schuldmoment, das die deutsche nationalsozialistische Verbrechensgeschichte beinhaltet. Ein Rückblick auf den emotionalen Umgang mit der NS-Vergangenheit seit 1945 belegt ihre so hellsichtige wie pessimistische Diagnose einer emotionalen Überforderung, die Verbrechensgeschichte in das eigene Selbstbild zu integrieren. Als Kontinuität über die Jahrzehnte erweist sich die Abwehr der Schuldvorwürfe von außen statt der Auseinandersetzung mit der Schuld. Aber auch die Autoren von Die Unfähigkeit zu trauern werden ihrem Anspruch nicht gerecht. Bis heute wird immer wieder die Flucht ins Moralisieren, in Schuldverschiebungen oder Identifikationen mit den Opfern angetreten. Man kann der Überforderung nicht entkommen, nur die eigenen Blickverengungen und emotionalen Sperren reflektieren.