Das noduläre lymphozytenprädominante Hodgkin-Lymphom (NLPHL) ist ein Subtyp des Hodgkin-Lymphoms, der einige Besonderheiten im Vergleich zum klassischen Hodgkin-Lymphom zeigt: unter anderem der erhaltene B‑Zell-Phänotyp der Tumorzellen [2], eine Prädominanz des männlichen Geschlechts [4] und ein meist indolentes klinisches Verhalten mit jedoch einem erhöhten Rezidivrisiko im Vergleich zum klassischen Hodgkin-Lymphom [2]. Bislang ist über die Ätiologie des NLPHL nur wenig bekannt: Bei etwa einem Drittel der Patienten liegen Translokationen in den Tumorzellen vor, die den BCL6-Locus involvieren [14, 15]. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass in etwa der Hälfte der NLPHL-Fälle das SOCS1-Gen, ein Inhibitor des JAK-STAT-Signalwegs, in den LP-Zellen mutiert ist [11]. Da der Tumorzellgehalt im Gewebe in den NLPHL-Fällen unter 1 % liegt, ist es technisch sehr schwierig, die LP-Zellen molekular zu untersuchen. Bislang besteht noch keine technische Möglichkeit, die LP-Zellen in hoher Anzahl mit einer hohen Reinheit aus den NLPHL-infiltrierten Lymphknoten zu isolieren [5]. In bis zu 30 % der NLPHL-Patienten entwickelt sich im Rezidiv ein aggressives B‑Zell-Lymphom mit einem relativ hohen Tumorzellgehalt [1]. Bei einem kleinen Teil der Patienten ist sogar bereits bei der Primärdiagnose ein solches sekundäres aggressives B‑Zell-Lymphom im Sinne eines diffusen großzelligen B‑Zell-Lymphoms (DLBCL) im gleichen Lymphknoten nachweisbar (Abb. 1; [7]). In der hier beschriebenen Arbeit [8] wurden daher die DLBCL-Anteile von 2 Patienten mit NLPHL und DLBCL im gleichen Lymphknoten lasermikrodisseziert und mit einer Gesamtgenomsequenzierung untersucht. Es konnte zuvor mittels V‑Gen-PCR der mikrodissezierten Tumorzellen gezeigt werden, dass der NLPHL- und der DLBCL-Anteil jeweils klonal verwandt sind und nur wenige nicht gemeinsame somatische Mutationen der Immunglobulingene als Zeichen einer angehenden somatischen Hypermutation aufweisen. Das Vorliegen einer angehenden somatischen Hypermutation im NLPHL ist beschrieben [3]. In der Gesamtgenomsequenzierung der beiden DLBCLs konnten beim ersten Patienten 54 und beim zweiten Patienten 578 Gene mit nichtsynonymen somatischen Mutationen identifiziert werden. Die große Diskrepanz in der Anzahl der gefundenen Mutationen zwischen den beiden Patienten mag sich dadurch erklären, dass bei dem zweiten Patienten auch DNA-Reparaturgene wie ATM und TP53 mutiert waren. Die im NLPHL mutierten Gene sind zum Teil ebenfalls mutiert in DLBCLs vom GCB-Typ und Fällen des klassischen Hodgkin-Lymphoms (Abb. 1; [9, 10, 12, 13]). Somit nehmen, basierend auf ihren Mutationen, die beiden DLBCL-Fälle abgeleitet aus NLPHL eine Zwischenposition zwischen DLBCLs vom GCB-Typ und dem klassischen Hodgkin-Lymphom ein. Ausgewählte, in beiden DLBCL-Fällen identifizierte Mutationen wurden auch an lasermikrodissezierten LP-Zellen der jeweiligen NLPHL-Anteile getestet und hier konnte insgesamt eine hohe Kongruenz der Mutationen zwischen den beiden Kombinationslymphomanteilen NLPHL und DLBCL festgestellt werden. Diese lag bei 82 % und 57 % in den beiden Patienten. In beiden Kombinationslymphomen waren 4 Gene mutiert, jeweils in der NLPHL- und DLBCL-Komponente: SOCS1, SGK1, DUSP2 und MMP1. Die Mutationen in diesen Genen stellen somit frühe und wahrscheinlich wichtige Ereignisse in der Tumorentstehung dar. Daher wurde getestet, ob auch in weiteren NLPHL-Fällen ohne Transformation in ein DLBCL diese Mutationen gefunden werden können. Zu diesem Zweck wurde ein Genpanel etabliert, das die ultratiefe Sequenzierung dieser Gene und weiterer ausgewählter Kandidaten am Ganzschnitt von weiteren NLPHL-Fällen erlaubt. Mit dieser Technik konnten weitere NLPHL-Fälle mit Mutationen in SGK1, SOCS1 und DUSP2 identifiziert werden, während keine weiteren Mutationen in MMP1 nachweisbar waren. Die meisten NLPHL-Fälle mit Mutationen in o. g. Genen zeigten ein atypisches histopathologisches Wachstumsmuster. Durch den Mutationsnachweis in ebendiesen atypischen NLPHL-Formen kann möglicherweise das klinisch aggressivere Verhalten dieser Varianten erklärt werden [6]. Überraschenderweise zeigten sich jedoch in einem weiteren untersuchten Gen, JUNB, welches zunächst nur in einem der beiden Kombinationslymphome mutiert war, zahlreiche STOP-Mutationen, was für eine Tumorsuppressorfunktion von JUNB im NLPHL spricht. Die JUNB-STOP-Mutationen lagen jeweils heterozygot in den LP-Zellen vor und mittels Immunhistochemie konnte in den meisten Fällen noch eine schwache Expression des Wildtyp-JUNB-Proteins in den LP-Zellen nachgewiesen werden. Das SGK1-Protein war in fast allen primären NLPHL-Fällen in den LP-Zellen exprimiert und es konnte weiterhin eine kräftige SGK1-Proteinexpression in der DEV-Zelllinie, der einzigen verfügbaren NLPHL-Zelllinie, gezeigt werden. Behandlung der DEV-Zellen mit einem spezifischen SGK1-Inhibitor führte zu einer hohen Rate an apoptotischen Zellen, was spekulieren lässt, dass SGK1 im NLPHL ein Onkogen darstellen könnte.
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