Lymphknoten-Resektion bei Ösophagus-Ca.: Wie viele dürfen es denn sein?

Bei der chirurgischen Therapie des Ösophaguskarzinoms scheint das Ausmaß der Lymphadenektomie das postoperative Überleben der Patienten nicht zu beeinflussen. Mit dieser Erkenntnis aus einer prospektiven Kohortenstudie stellen britische Autoren die gegenwärtige Leitlinienempfehlung infrage. Die aktuell (September 2015) vorgestellte deutsche S3-Leitlinie zum Ösophaguskarzinom empfiehlt im Rahmen der kurativ intendierten Tumorresektion bei Adeno- und Plattenepithelkarzinomen der Speiseröhre in erster Linie die transthorakale Zweifeld-Lymphadenektomie als Standard. Dies bedeutet, dass sowohl die Lymphknoten des thorakalen als auch des abdominellen Feldes ausgeräumt werden. In der Regel werden dabei mehr als 20 regionäre Lymphknoten entfernt – ein Eingriff, der für den Patienten oft mit schweren Nebenwirkungen verbunden ist. Das optimale Ausmaß der Lymphadenektomie wird seit Jahren kontrovers diskutiert; die bisherige Datenlage ist begrenzt. Der Chirurg steht vor dem Dilemma, dass dem möglichen Überlebensvorteil bei ausgedehnter Resektion eine teilweise erhebliche postoperative Morbidität entgegensteht. Unter 10 oder über 20 macht keinen Unterschied Ein internationales Team aus London und Stockholm hat nun die prognostische Rolle des Resektionsausmaßes in einer prospektiven Studie mit 606 Patienten mit Ösophaguskarzinom untersucht. Darin hatte es keinen Einfluss auf das 5-Jahres-Überleben, ob man nur maximal zehn oder mindestens 21 Lymphknoten entfernte. Die Patienten hatten sich zwischen 2000 und 2012 in einer Londoner High-Volume-Klinik einer transthorakalen oder transhiatalen Tumorresektion unterzogen; bei den weitaus meisten (83,5%) handelte es sich bei dem Tumor um ein Adenokarzinom. Nachbeobachtet wurden die Teilnehmer bis längstens 2014. Wie Jesper Lagergren vom Guy's and St Thomas' NHS Foundation Trust in London und Kollegen berichten, starben innerhalb von fünf Jahren nach dem Eingriff 323 Patienten (53%), 39% (des Gesamtkollektivs) aufgrund eines Tumorrezidivs. Als Referenz galten Patienten, bei denen man zwischen 0 und 10 Lymphknoten (histologisch positive und negative zusammengenommen) entfernt hatte (n = 166). Darüber hinaus hatten die Forscher drei weitere Gruppen gebildet: Patienten mit 11 bis 14 (n = 139), 15 bis 20 (n = 151) oder 21 bis 52 (n = 150) resezierten Lymphknoten. Die Wahrscheinlichkeit, in den darauffolgenden fünf Jahren an irgendeiner Ursache zu versterben, war für die Gruppe mit der ausgedehntesten Resektion nur tendenziell (um 7%) erhöht. Tumorstadium berücksichtigt In einer adjustierten Analyse wurden Faktoren berücksichtigt, die das Ergebnis möglicherweise verfälscht haben könnten; neben dem Alter des Patienten vor allem auch die Tumorausdehnung (T-Kategorie) und -differenzierung, der Randstatus, das Ansprechen auf eine präoperative Chemotherapie und das Kalenderjahr der Op. In dieser bereinigten Auswertung lag die Gesamtsterblichkeit um 14% niedriger als der Bezugswert. Auch dieser Unterschied war nicht signifikant. Nicht anders verhielt es sich mit der krebsbedingten Mortalität: Hier lag das adjustierte Sterberisiko in der Gruppe mit der Höchstzahl an entfernten Lymphknoten um 17% unter dem der Referenzgruppe. Dagegen war die Zahl der histologisch positiv befundeten Lymphknoten erwartungsgemäß prognostisch relevant: Den Forschern zufolge hatte sich die adjustierte 5-Jahres-Mortalität bei ein bis zwei positiven Knoten (gegenüber einer Referenzgruppe ohne Lymphknotenmetastasen) gut verdoppelt, bei drei bis sechs positiven Knoten lag die Hazard Ratio (HR) bei 2,82 und bei mehr als sechs bei 3,48. Auch bei einem höheren Anteil positiver Lymphknoten an der Gesamtzahl (positive to negative ratio) stieg die Mortalitätsrate an. Dies zeige, so die Autoren, dass es in der metastasierten Situation für die Prognose durchaus sinnvoll sei, die Zahl der befallenen Lymphknoten zu berücksichtigen. Kein Anhalt für ausgedehnte Resektion Nach Lagergren und Kollegen bietet die Studie jedoch keinerlei Anhalt dafür, dass das Ausmaß der Lymphadenektomie bei primär kurativer Absicht einen prognostischen Faktor darstellt. Weder in die eine noch in die andere Richtung habe es einen nennenswerten Effekt gegeben; dies gelte vor allem auch für frühere Tumorstadien und für Operationen jüngeren Datums. Studien mit Brustkrebspatientinnen oder Frauen mit Endometriumkarzinom beispielsweise haben bereits ähnliche Ergebnisse erbracht; hier kam es durch die ausgedehntere Lymphadenektomie lediglich zu einem Anstieg der Morbidität, nicht aber zu einem Überlebensvorteil. „Ein positiver Lymphknotenbefund stellt eine metastasierte Erkrankung dar“, so die Studienautoren. Einen nicht befallenen Lymphknoten dagegen müsse man nicht entfernen. Möglicherweise ist diese simple Tatsache der Grund dafür, dass die ausgedehnte Resektion das Überleben nicht verbessert hat. Op.-Entscheidung individuell Laut Studienkommentator Dr. Marco G. Patti, Chirurg an der Universität Chicago, stellen die Ergebnisse die aktuellen Empfehlungen zur Zweifeld-Lymphadenektomie, die auch in den britischen Leitlinien als Standard gilt, infrage. Für Patti ist die Hauptfrage noch nicht beantwortet: Bringt diese Strategie einen Überlebensvorteil oder erlaubt die ausgedehntere Resektion nur ein besseres Staging? Bis sich eine definitive Antwort hierauf geben lasse, könne man die Op.-Entscheidung – mit Eröffnung der Brusthöhle (transthorakal) oder vom Bauchraum aus durch das Zwerchfell (transhiatal) – nur vom Patientenstatus und von der eigenen Vorliebe abhängig machen. In der aktuellen deutschen S3-Leitlinie ist die transhiatale Variante nur als Alternative für den ösophagogastralen Übergang (AEG Typ II) vorgesehen.

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