Kommentar
Die CROSS-Studie hat bereits den Nutzen einer neoadjuvanten Radiochemotherapie bei resektablen Ösophaguskarzinomen bezüglich des Überlebens (OS) der Patienten belegt. Darüber hinaus zeigte sich, dass 49 % der Patienten mit Plattenepithel- und 23 % der Patienten mit Adenokarzinom eine komplette Tumorremission im Resektionspräparat aufwiesen [
1]. Das heute gültige Behandlungskonzept besagt deshalb, dass bei operablen Tumoren nach der neoadjuvanten RCT immer eine kurativ intendierte Resektionsbehandlung zu erfolgen hat. Das operative Vorgehen birgt allerdings eine Reihe von Risiken, wie Anastomoseninsuffizienz, Blutungen, ARDS, Chylusfisteln oder Nervenverletzungen [
2]. Gerade beim Vorliegen von Ösophaguskarzinomen und insbesondere bei Plattenepithelkarzinomen haben die Patienten hochfrequent Begleiterkrankungen, die zumindest postoperative Komplikation implizieren können, die wiederrum mit einem Anstieg der Letalität auf 12 % (in Häusern mit hohen Fallzahlen) bzw. 20 % (bei Häusern mit niedrigen Fallzahlen) auch in Deutschland einhergehen. Zudem erfahren resezierte Patienten Einbußen an Lebensqualität; diese nähert sich erst nach etwa 2 Jahren derjenigen von Patienten nach alleiniger RCT, also ohne Operation, an [
3]. Daher stellt sich beim Ösophaguskarzinom noch dringlicher als bei Vorliegen eines Rektumkarzinoms die Frage, ob die Subgruppe der Patienten mit Komplettremissionen nach neoadjuvanter RCT sicher identifiziert werden kann, um eine Operation zu vermeiden. Uns scheint es dabei sogar gerechtfertigt, eine geringe Rate an rezidivierenden Patienten in Kauf zu nehmen, bei denen sich trotz attestierter Komplettremission nach RCT ein Lokalrezidiv einstellt. Diese können nämlich noch einer Salvageresektion nach 41,4 Gy bzw. 50,4 Gy zugeführt werden.
Mehrere Strategien zur Identifizierung von kompletten Respondern nach neoadjuvanter RCT werden insbesondere von niederländischen Arbeitsgruppen und der RTOG vorangetrieben. Während die RTOG in der RTOG 0246-Studie auf radiologische Bildgebung, Endoskopie und Abwarten setzte, um den Grad der Remission herauszufinden [
4], befassen sich niederländische Arbeitsgruppen mit multimodalen diagnostischen Konzepten zur frühen Identifikation solcher Verläufe. Eines ist das Konzept der perSANO-Studie, bei der strategische und geschichtete Biopsien („bite-on-bite biopsy“) und die Endosonographie im Vordergrund stehen [
5]. Die andere ist das der PET- und MRT-Bildgebung. Die hier besprochene Studie zur multiparametrischen Bildgebung mittels
18F‑FDG-PET/CT und der diffusionsgewichteten MRT sind erste Ansätze dazu.
Bisherige Studien haben zunächst meist nur eine bildgebende Modalität untersucht. In einer Metaanalyse zur FDG-PET/CT wurde der Rückgang des SUV
max 2 Wochen nach Beginn der RT gefunden als geeigneter prädiktiver Parameter für den Endpunkt „< 10 % lebende Tumorzellen“. Jedoch war die Sensitivität zu gering, ebenso die Spezifität, um den Einsatz in der Klinik zu wagen [
6]. Zudem wurden erste Daten zur Wertigkeit der diffusionsgewichteten MRT in dieser Situation veröffentlicht [
7]. Die komplementäre Bildgebung mit beiden Methoden, also die FDG-PET/CT nach Therapie, die relative SUV
mean, die TLG sowie die diffusionsgewichtete MRT während der RCT und auch der relative ADC-Wert zu verschiedenen Zeitpunkten der Therapie, haben in der hier diskutierten Publikation die zuverlässigsten prädiktiven Parameter identifiziert für die Vorhersage pathohistologischer Tumor-Komplettremissionen. Zudem entwickelten die Autoren einen Score, der auch die Tumorhistologie berücksichtigt und so die pathohistologische Komplettremission relativ präzise (Sensitivität von 83 %) im untersuchten Kollektiv vorhersagen konnte. Auf diese Entwicklung können zukünftig personalisierte Therapiekonzepte aufgebaut werden.
Allerdings weist die Studie, wie andere in der Methodenentwicklung übrigens häufig auch, mehrere Schwachpunkte auf, so dass man das hier beschriebene Konzept keineswegs schon in der klinischen Routine etablieren kann. Neben methodischen Problemen, dass beispielsweise nur 69 der 82 eingeschossenen Patienten analysiert werden konnten, was u. a. an den zu kleinen Tumorvolumina und fehlenden Signalen in der Bildgebung lag, wurden die Patienten auch nicht konzeptionell einheitlich behandelt. Die Gesamtdosis der Bestrahlung betrug entweder 41,4 Gy oder 50,4 Gy, was relativ betrachtet eine mehr als 20 % höhere Dosis darstellt. Zudem erfolgte die simultane Chemotherapie entweder mit Carboplatin/Paclitaxel oder 5‑Flurouracil-basiert (zusammen mit Platin oder Taxan). Die größte Schwäche besteht allerdings darin, dass lediglich eine explorative Kohorte untersucht wurde und die so generierten Daten bisher nicht an anderen Patientenkollektiven validiert werden konnten. Daher besteht ein relevantes Risiko, dass die Etablierung des Modells durch „overfitting“ im verwendeten Patientenkollektiv deutlich bessere Ergebnisse geliefert hat, als es der Realiltät entspricht.
Nichtsdestotrotz scheinen beide bildgebenden Verfahren einen gewissen Wert für die Prädiktion des Therapieansprechens auf eine neoadjuvante RCT von Ösophaguskarzinomen zu besitzen. Sicher ist aber auch, dass es noch kein perfektes Modell für ihren Einsatz gibt. An ihm muss noch gearbeitet werden. Ein Anfang ist durch die niederländische Arbeitsgruppe gemacht. Man darf auf die Phase-III-Studien gespannt sein, die das CROSS-Protokoll inklusive der frühen Resektion bei klinisch als Komplettresponder eingeschätzten Patienten mit denen des Zuwartens und Salvageresektion vergleicht. Bereits in der Studie von Bedenne und Mitarbeitern [
8] zeigte sich nämlich, dass die Responder nach RCT, die mithilfe des
altertümlichen Röntgenbreischluckes erkannt worden waren, keinen Überlebensnachteil dadurch hatten, dass auf die Resektion zugunsten einer Fortführung der RCT verzichtet wurde.
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