Eine 24-jährige Patientin stellte sich zur Mitbeurteilung bei akuter Hornhautdekompensation am rechten Auge vor. Die Patientin klagte über seit ein paar Tagen bestehende Augenschmerzen und häufiges Fremdkörpergefühl am rechten Auge. In der Allgemeinanamnese bestand eine Trisomie 21. In der Familienanamnese wurde ein Keratokonus verneint.
Befund
Bei der Erstvorstellung wurden am betroffenen rechten Auge Handbewegungen wahrgenommen. Spaltlampenbiomikroskopisch zeigte sich eine dekompensierte Hornhaut mit Hydrops corneae (HC) und Descemet-Riss kaudal (Abb. 1).
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In der optischen Kohärenztomographie des vorderen Augenabschnitts (VAA-OCT) zeigte sich am rechten Auge ein ausgeprägtes Stromaödem bei Descemet-Riss (Abb. 2).
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Therapie und Verlauf
Die Patientin erhielt am rechten Auge Natriumchlorid 5 %-Augentropfen (AT) als hypertone Kochsalzlösung 5-mal/Tag, Ofloxacin-Augentropfen 3-mal/Tag und Prednisolonpivalat-Augensalbe (AS) 5 mg/g zur Nacht.
Eine perforierende Keratoplastik wurde 2 Wochen später durchgeführt.
Postoperativ erhielt die Patientin eine lokale Therapie mit Hyaluronsäure-AT und Vitamin-A-AS stündlich im Wechsel, Ofloxacin-AT 5-mal/Tag sowie Prednisolonacetat 1 %-AT 3-mal/Tag. Systemisch erhielt sie Methylprednisolon 100 mg p.o. mit einem Reduktionsschema von 20 mg alle 2 Tage sowie Omeprazol 40 mg pro Tag.
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Histopathologischer Befund
Die mikroskopische Beurteilung zeigte ein unterschiedlich hoch aufgebautes Epithel sowie eine intakte Bowman-Lamelle. Das Hornhautstroma zentral war deutlich verbreitert und ödematös aufgequollen. Die Descemet-Membran wies einen Defekt von etwa 456 µm auf (Abb. 3).
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Diagnose
Es handelt sich um einen akuten Hydrops corneae bei Keratokonus.
Fall 2
Anamnese
Eine 44-jährige Patientin wurde in unsere Klinik zur Mitbeurteilung und weiteren Behandlung bei Verdacht auf HC am linken Auge überwiesen. Die Patientin gab eine progressive Sehverschlechterung am linken Auge seit 30 Jahren an.
Die Augenanamnese ergab eine Hornhautdekompensation als Folge mehrerer drucksenkender Operationen bei kongenitalem Glaukom.
Befund
Bei der Erstvorstellung wurden am betroffenen linken Auge Handbewegungen wahrgenommen. Spaltlampenbiomikroskopisch zeigten sich Haab-Leisten sowie rein klinisch das Bild eines akuten HC nasal inferior (Abb. 4).
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Die VAA-OCT zeigte links eine anatomisch völlig intakte Hornhaut unter einer teils zystischen und teils soliden Auflagerung im Sinne eines großflächigen Salzmann-Knotens (Abb. 5).
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Therapie und Verlauf
Bei dieser Patientin wurde eine Pannektomie mit phototherapeutischer Keratektomie am linken Auge durchgeführt. Am ersten postoperativen Tag zeigte sich links eine weitgehend klare Hornhaut ohne Salzmann-Knoten und ohne Pannus. Postoperativ erhielt die Patientin eine lokale Therapie mit Hyaluronsäure-AT 8-mal/Tag, Ofloxacin EDO-AT 5-mal/Tag und Fluorometholon 1 %-AT 4-mal/Tag alle 4 Wochen um 1 Tropfen ausschleichend.
Histopathologischer Befund
Mikroskopisch zeigte sich in der PAS-Färbung ein mehrschichtiges, dysplasiefreies Epithel mit darunter leicht PAS-positiver Membran. Daran angrenzend fand sich ein hyalinisiertes und zellarmes, zum Rand hin aufgelockertes Bindegewebe, bestehend aus kollagenen Fasern (Abb. 6).
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Diagnose
Es handelte sich um einen Riesen-Salzmann-Knoten im Rahmen einer Salzmannschen nodulären Degeneration (SND).
Diskussion
Die Differenzialdiagnose eines akuten HC bei Keratokonus von einem vakuolisierten Riesen-Salzmann-Knoten kann im klinischen Alltag eine Herausforderung darstellen.
Der HC ist eine Komplikation, welche bei ca. 3 % aller Keratokonuspatienten auftritt [2]. In fortgeschrittenen Stadien des Keratokonus kann sich die Descemet-Membran so stark verdünnen und dehnen, dass es zu einer Ruptur kommt. Dies verursacht eine Einlagerung von Kammerwasser ins Hornhautstroma mit Spaltung der Kollagenfasern und anschließender Quellung („Hydrops“).
Der akute HC tritt insbesondere im 2. bis 3. Lebensjahrzent bei männlichen Patienten auf, welche bei der Keratokonusdiagnose bereits eine fortgeschrittene Hornhautektasie sowie eine schlechte korrigierte Sehschärfe zeigen. Bis dato geht man davon aus, dass häufiges Augenreiben der Hauptrisikofaktor für die Entwicklung des HC ist.
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Die typischen Symptome bei HC bestehen aus akutem Visusabfall, Photophobie und Augenschmerzen. Die Spaltlampenuntersuchung ergibt typischerweise ein markiertes stromales und epitheliales mikrozystisches Ödem sowie große intrastromale zystoide Vakuolen [5].
Demgegenüber ist die SND eine seltene, nichtentzündliche, langsam fortschreitende und degenerative Hornhauterkrankung. Diese Pathologie tritt am häufigsten beidseitig bei Frauen in der 5. bis 6. Lebensdekade auf und ist oft mit einer Vorgeschichte von Hornhautentzündungen verbunden [4].
Grau-blaue oder gelblich-graue knotige Trübungen mit einem Durchmesser von durchschnittlich 1–3 mm bilden sich vor der Bowman-Lamelle. Diese Knoten können miteinander zu einem flächigen prominenten Pannus degenerativus verschmelzen.
Obwohl die Ätiologie der Krankheit idiopathisch ist, wurde vermutet, dass die chronische Reizung der Augenoberfläche eine wichtige Rolle spielt [1].
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Die klassischen Symptome der SND sind Fremdkörpergefühl und vermindertes Sehvermögen. Der Visusausfall bei SND ist im Gegensatz zum akuten HC ein schleichend auftretendes Ereignis. Die klinische Diagnose stützt sich primär auf die Spaltlampenuntersuchung.
Ernste Komplikationen beim HC stellen ein extrem seltenes Ereignis dar. Die Vernarbung und Resorption des Ödems erstreckt sich bei abwartendem Verhalten über 2 bis 6 Monate, kann aber heutzutage durch tiefstromale Kompressionsnähte deutlich verkürzt werden [6]. Dagegen kann die SND bei einem Großteil der Patienten unter lokaler Therapie mittelfristig stabil bleiben, aber nicht spontan zurückgehen [1]. Kleine, asymptomatische Knoten, welche die optische Achse nicht betreffen, erfordern keinen chirurgischen Eingriff.
Der Pannus der SND kann in der Regel leicht manuell von der Hornhautoberfläche abgelöst werden. Bei einigen dieser Augen ist eine anschließende phototherapeutische Keratektomie zur Regularisierung der Oberfläche notwendig. Dies führt sekundär zu einer Verbesserung der Tränenfilmverteilung durch die Beseitigung des Phänomens der „optischen Cornea plana“ und Normalisierung der zentralen kornealen Brechkraft [8]. Dagegen bedarf das Auftreten eines HC in der Regel nach Abheilung einer perforierenden Keratoplastik zur visuellen Rehabilitation aufgrund der tiefstromalen Vernarbungen [3]. Dabei wiesen jedoch die Augen mit Keratoplastik nach HC im Vergleich zu anderen zugrunde liegenden Indikationen eine höhere Rate an Transplantatabstoßungen auf [7].
Zusammenfassend fußt die Differenzialdiagnose des HC im Vergleich zum Riesen-Salzmann-Knoten auf einer umfassenden Anamnese (akutes Ereignis, Keratokonus in der Anamnese), einer detaillierten Spaltlampenuntersuchung und apparativ v. a. auf der VAA-OCT (nachweisbarer Descemet-Riss vs. anatomisch intakte Hornhaut unter der Auflagerung).
Fazit für die Praxis
Die Unterscheidung zwischen einem akuten HC und einem Riesen-Salzmann-Knoten kann bei einer flächigen, weißlich-prominenten und vakuolig anmutenden Hornhautveränderung im Einzelfall eine klinische Herausforderung darstellen.
Die Anamnese und die VAA-OCT spielen eine entscheidende Rolle bei der Differenzialdiagnose und bei der Auswahl des geeigneten Therapieansatzes.
Die Histopathologie kann die klinische Diagnose nur retrospektiv bestätigen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
T. Paoletti, A. Maamri, E. Zemova, F. Flockerzi und B. Seitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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