Therapie im Stadium IIIA: Wie ist der Behandlungsalltag?

Durch die seit nun über 1,5 Jahren bestehende adjuvante Zulassung von Dabrafenib in Kombination mit Trametinib haben sich die Möglichkeiten der Therapie von erwachsenen Patienten mit einem BRAFV600-mutierten Melanom im Stadium III nach vollständiger Resektion deutlich erweitert [1, 2]. Obwohl die aktuelle S3-Leitlinie die zielgerichtete Therapieoption mit dem höchsten Empfehlungsgrad explizit empfiehlt, wird sie derzeit im Stadium IIIA nur zögerlich eingesetzt, wie eine Befragung von Dermatoonkologen ergab. Das Ergebnis einer Befragung von 19 Dermatoonkologen aus zertifizierten Hauttumorzentren zeigt, dass das Therapieverhalten bei Melanom-Patienten im Stadium III mit einer BRAFV600-Mutation insgesamt noch recht heterogen ist. Insbesondere die Behandlung von Patienten im Stadium IIIA wird häufig und kontrovers diskutiert. Analoge Daten beim Mammakarzinom zeigen, dass dort bei nur einer Rezidivrate von 5% eine adjuvante Therapie eingeleitet wird [3]. Innerhalb des ersten Jahres rezidivieren im Stadium III insgesamt 44% ohne Behandlung. Im Stadium IIIA liegt der Anteil bei 16% [4]. Befragung von Hauttumorzentren zum Stadium III Prof. Dr. Jessica C. Hassel, Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen, Heidelberg, und Prof. Dr. Thomas Eigentler, Zentrum für Dermatoonkologie, Universitätsklinikum Tübingen, stellten das Ergebnis der Befragung der Hauttumorzentren vor. Nach der Diagnosestellung wird als frühestes Stadium, in dem die aktive BRAF-Testung erfolgt, demnach das Stadium IIA genannt (ab IIA: 5%; ab IIB: 26%; ab IIC: 32%; ab IIIA: 26%). 34% der Patienten im Stadium IIIA bevorzugen ein einvernehmliches Abwarten (27% einvernehmliches Abwarten und 7% Therapieablehner). Die Melanom-Patienten im Stadium III mit einer BRAFv600-Mutation nach vollständiger Tumorresektion können von einer Behandlung mit Dabrafenib (Tafinlar®) und Trametinib (Mekinist®) profitieren [5]. „Ärzte nutzen diese Behandlungschance bislang im Stadium IIIA wenig”, berichtete Hassel. Der Anteil der Ärzte, die sich zwischen Stadium IIIA (>1mm) und IIID für das Abwarten entscheiden, sinkt von 34% auf 7%. Die Wahl der Therapiestrategie nach positiver Testung ist abhängig vom Stadium der Erkrankung: So wird im Stadium IIIA die Immunonkologie häufiger eingesetzt als eine zielgerichtete Therapie. „Viele Ärzte begründen dies damit, dass man in diesem Stadium genügend Zeit habe, den Effekt einer Immuntherapie abzuwarten“, erläuterte Hassel. Es fällt auf, dass die befragten Dermatoonkologen bei den III-A-Patienten kaum einen Unterschied machen, ob die Mikrometastase >1mm oder <1mm ist. Allerdings besteht in jedem Stadium eine sehr hohe Streubreite: „Das Therapieverhalten der Ärzte ist in allen Stadien sehr heterogen“, betonte Hassel. Heterogene Antworten auch bei den Begründungen Auch die Begründungen für die Therapiewahl sind sehr heterogen: Das Argument für eine zielgerichtete Therapie in den höheren Stadien war vor allem der höhere Behandlungsdruck ab Stadium IIIC, der einen raschen Wirkeintritt erforderlich macht. Die zielgerichtete Therapie in niedrigen Stadien begründen Ärzte damit, dass sie bei Patienten mit Tumoren im prognostisch günstigen Stadium IIIA das Risiko irreversibler Immunnebenwirkungen vermeiden wollen. Etwa jeder zweite Befragte gab an, dass das Alter des Patienten die Therapieentscheidung kaum beeinflusst. Die übrigen Ärzte bevorzugen bei älteren Patienten aufgrund der besseren Verträglichkeit die zielgerichtete Therapie. Die Wirksamkeit der Therapieprinzipien wird von der Hälfte der Befragten als gleichwertig eingeschätzt. Bei der Verträglichkeit und Lebensqualität sieht etwa die Hälfte der Befragten Vorteile der zielgerichteten Therapie. Wünsche der Patienten an die adjuvante Therapie Bei der Therapiewahl sind auch die Erwartungen und Wünsche der Patienten zu bedenken. Laut der Befragung in den beteiligten Hauttumorzentren kennt etwa jeder vierte Patient, mit dem ein Aufklärungsgespräch geführt wird, adjuvante Therapieoptionen und einige wenige Patienten würden bereits einen konkreten Therapiewunsch äußern. Der Befragung zufolge wünschen die Patienten sich vorrangig Heilung und eine gute Lebensqualität, gefolgt von guter Verträglichkeit. Sie erwarten eine gute Aufklärung und möchten nur wenige Termine im Therapiezentrum wahrnehmen müssen. Als Kriterien, anhand derer sich die Patienten für eine immunonkologische oder eine zielgerichtete Therapie entscheiden, nannten die Dermatoonkologen den Applikationsmodus, die Empfehlung des aufklärenden Arztes, die Wirksamkeit sowie die Nebenwirkungen. Leitlinien-Empfehlung wird noch nicht konsequent befolgt Sowohl die immunonkologische als auch die zielgerichtete Therapie wird in der S3-Leitlinie für Patienten mit Tumoren in den Stadien IIIA bis IIID mit einer BRAFV600E- oder BRAFV600K-Mutation empfohlen [5]. Den Patienten sollte dabei generell auch eine Behandlung mit einem BRAF‐ und MEK-Inhibitor angeboten werden (Empfehlungsgrad A, Konsensusstärke 100%) [5]. „Diesen Empfehlungen wird den Umfrageergebnissen zufolge bislang noch nicht konsequent gefolgt“, sagte Eigentler. Ein möglicher Grund für den zurückhaltenden Einsatz der adjuvanten Therapie im Stadium IIIA könnte die Neuklassifizierung der Tumorstadien sein, durch die sich die Prognose der Patienten verglichen mit der Vorgängerversion verbessert hat (5 Jahre melanomspezifisches Überleben im Stadium IIIA AJCC 8 93% [6]). Lokale Erfassungen aus Deutschland zeigen jedoch, dass das Risiko für Patienten nach der neuen Klassifikation höher ist (5 Jahre melanomspezifisches Überleben im Stadium IIIA 89%) [7]. Zudem wurde gezeigt, dass auch Patienten mit Tumoren im Stadium IIIA nach neuer Klassifikation von einer Therapie mit Dabrafenib plus Trametinib verglichen mit Placebo profitieren [4]. Vorteile der zielgerichteten Therapie auch im Stadium IIIA Dabrafenib plus Trametinib erwies sich in der randomisierten, placebokontrollierten Studie COMBI-AD in allen untersuchten Endpunkten als vorteilhaft [8]. An der weltweit durchgeführten Phase-III-Studie nahmen mehr als 870 therapienaive Melanom-Patienten im Stadium III mit BRAFV600E/K-Mutation nach vollständiger chirurgischer Resektion teil. Sie wurden innerhalb von 12 Wochen nach Resektion randomisiert mit Dabrafenib (150mg zweimal täglich) und Trametinib (2mg einmal täglich) behandelt. In der Primäranalyse mit einem medianen Follow-up von 2,8 Jahren war das RFS (Relapse-free Survival, primärer Endpunkt) unter der Kombinationstherapie besser: Das Risiko des Wiederauftretens des Tumors wurde gegenüber Placebo um 53% reduziert (Hazard Ratio [HR] 0,47; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,39–0,58; Median nicht erreicht vs. 16,6 Monate; p<0,001). Nach drei Jahren lebten zudem noch 6 von 10 Patienten im Kombinationsarm rezidivfrei (HR 0,47; p<0,001; 58% vs. 39%). Vorteile hinsichtlich des RFS wurden im Kombinationsarm in allen Subgruppen, einschließlich der Stadien IIIA, IIIB und IIIC gesehen. In der Studie wurden dabei insgesamt 154 Patienten im Stadium IIIA erfasst. Das Risiko eines Rezidivs in dieser Patientengruppe war unter der zielgerichteten Therapie um 56% geringer als im Placebo-Arm (HR 0,44; 95%-KI 0,23–0,84). Langzeitdaten bestätigen gesenktes RFS- und DMFS-Risiko Die Langzeitresultate der COMBI-AD-Studie bestätigen den Vorteil von Dabrafenib plus Trametinib beim RFS unter adjuvanter Therapie: Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 44 Monaten für die Wirkstoffkombination und 42 Monaten für Placebo lagen die 3- und 4-Jahres-Raten für das RFS bei 59% bzw. 54% unter Dabrafenib plus Trametinib und bei 40% bzw. 38% unter Placebo [4] (Abb. 1). Die Langzeitdaten bestätigen auch den Vorteil beim RFS entsprechend der neuen AJCC-Klassifikation von 2017: Eine Post-hoc-Analyse nach dieser Tumorklassifizierung ergab unter Dabrafenib plus Trametinib ein besseres RFS als im Placebo-Arm in allen untersuchten Tumorstadien. Abb. 1: Die Kombination Dabrafenib plus Trametinib senkt langfristig das Risiko für ein Tumorrezidiv (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Auch hinsichtlich des Auftretens von Fernmetastasen (DMFS, Distant Metastasis-free Survival) schnitt die Wirkstoffkombination besser ab. Die geschätzte Heilungsrate lag bei 54% versus 37% unter Placebo [4]. Fazit Das Ziel einer adjuvanten Behandlung ist die Kuration. Diese ist in früheren Substadien wahrscheinlicher durch Operation bereits erreicht, als in späteren Stadien. Dennoch zeigen aktuelle Daten aus Deutschland: Das Risiko eines Rezidivs ist bei Patienten im Stadium IIIA höher als zunächst angenommen. Die Chance auf Kuration kann jedoch mithilfe medikamentöser Therapien weiter erhöht werden. Mithilfe eines statistischen Berechnungsmodells ergab sich in der Studie Combi-AD ein geschätzter Patientenanteil mit langfristig ausbleibendem Rezidiv von 54% (95%-KI 49–59%) und war somit um 17% höher als im Placebo-Arm (37%; 95%-KI 32–42%) [4]. Angesichts der anhand des statistischen Berechnungsmodells ergänzten RFS-Langzeitdaten scheint das Ziel Kuration mit Tafinlar® und Mekinist® näher zu rücken. Gerade bei III-A-Patienten sollte bei einer adjuvanten Therapie unbedingt vermieden werden, einen möglicherweise bereits geheilten Patienten dauerhaft zu beeinträchtigen. Die Langzeitverträglichkeit ist somit ein wichtiges Thema. Dabrafenib plus Trametinib bietet die direkte und zielgerichtete Behandlungsmöglichkeit mit guter Datenlage und Chance auf hohe Lebensqualität [9]. Nach vier Jahren war noch jeder zweite Patient rezidivfrei [4]. Im Jahr 2020 werden die 5-Jahres-Daten zum RFS erwartet. Literatur Fachinformation Tafinlar® 50mg/75mg Hartkapseln Fachinformation Mekinist® Filmtabletten Shim HJ et al., Asian Pac J Cancer Prev 2014, 15:5539–5544 Hauschild A et al., J Clin Oncol 2018, 36:3441–3449 S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Melanom/Melanom_Version_3/LL_Melanom_Langversion_3.2.pdf, letzter Abruf: 02.03.2020 Gershenwald JE et al., Cancer J Clin 2017, 67:472–492 Kanaki T et al., Eur J Cancer 2019; 119:18–29 Long GV et al., N Engl J Med 2017, 377:1813–1823 Schadendorf D et al., Lancet Oncol 2019, 20:701–710 Impressum Jahresauftaktsymposium der ADO 2020, 24.–25.1.2020, Hannover Berichterstattung: Christine Vetter, Köln Artikel gedruckt in best practice Onkologie 4/2020 hautnah dermatologie 3/2020 Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Sabine Jost Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Malignes Melanom - Therapie im Stadium IIIA: Wie ist der Behandlungsalltag?

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