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30.01.2023 | Onkologie | Nachrichten

Große US-Analyse

Krebs immer seltener ein Grund für Suizid

verfasst von: Thomas Müller

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Krebskranke begehen zwar immer noch häufiger Suizid als Personen ohne Tumoren, vor allem in den ersten sechs Monaten nach der Diagnose. War die Suizidrate bei Krebskranken im Jahr 2000 in den USA aber noch um knapp 70% erhöht, sind es mittlerweile nur noch 16%.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Eine Krebsdiagnose ist ein einschneidendes und sehr belastendes Ereignis, entsprechend wenig überrascht es, dass Studien eine bis zu zehnfach erhöhte Suizidrate unmittelbar nach der Diagnose festgestellt haben. Wie stark das Suizidrisiko bei Krebskranken mittel- und langfristig erhöht ist und welche Faktoren die Suizidneigung bei Krebs verstärken, ist jedoch bislang recht wenig untersucht, berichten Gesundheitsforschende um Dr. Xin Hu von der Emory-Universität in Atlanta in den USA. Anhand einer landesweiten längerfristigen Analyse kommen sie zu dem Schluss, dass das relative Suizidrisiko bei Krebskranken zwar noch immer deutlich erhöht ist, aber lange nicht mehr so hoch wie noch zu Beginn des Jahrhunderts. Besonders kritisch sind weiterhin die ersten Monate nach der Diagnose, und dies vor allem bei sozial Schwachen und Tumoren mit sehr ungünstiger Prognose.

Für ihre Analyse haben die Forschenden um Hu Angaben von knapp 17 Millionen Menschen ausgewertet, die in 43 US-Staaten in den Jahren 2000–2016 an Krebs erkrankt und in diversen Krebsregistern erfasst worden waren. Sie schauten, wie viele von ihnen bis Ende 2016 Suizid begangen hatten und verglichen die Zahlen adjustiert für Alter, Geschlecht und Ethnie mit denen der übrigen Bevölkerung. Die wichtigsten Resultate:

  • Insgesamt konnten die Krebskranken im Mittel 5,6 Jahre nachbeobachtet werden, in dieser Zeit starben 20.800 (0,1%) durch Suizid, das waren 26% mehr als erwartet, basierend auf der adjustierten Suizidrate in der übrigen Bevölkerung.
  • Unter Männern mit Krebs lag die adjustierte Suizidrate um 29%, unter Frauen um 14% höher als jeweils bei Männern und Frauen ohne Krebs.
  • Über die Zeit hinweg ergab sich ein sinkender Trend für die relative Suizidrate unter Krebskranken: Im Jahr 2000 lag sie um 67% höher als in der übrigen Bevölkerung, im Jahr 2010 nur noch um 15% höher und ist seither stabil. Für das letzte erfasste Jahr 2016 fand das Team um Hu eine um 16% erhöhte Suizidrate unter Krebskranken.
  • Bei indigenen Gruppen und Latinos mit Krebs war die Suizidrate besonders stark erhöht (jeweils um 79% und 48%).
  • Der Versicherungsstatus sagt ebenfalls einiges aus: Sozial Schwache mit staatlicher MedicaidVersicherung wiesen bei einer Tumorerkrankung eine um 72% erhöhte Suizidrate auf, Medicare-Versicherte unter 65 Jahren, das sind in der Regel solche mit Behinderungen, zeigten ein Plus von 94%, Unversicherte von 66%.
  • Die Zeit nach der Diagnose ist höchst relevant: Im ersten halben Jahr nach einer Krebsdiagnose ergeben die Berechnungen ein siebenfach, im zweiten halben Jahr noch ein fünffach erhöhtes Suizidrisiko. Fünf Jahre nach der Diagnose lässt sich keine erhöhte Suizidrate mehr nachweisen.
  • Lungen, Magen-, Pankreas-, Ösophagus sowie Oropharyngealtumoren gehen mit einer besonders markant erhöhten Suizidrate einher (plus 140–220%). Dies wird mit einem hohen Leidensdruck sowie einer ungünstigen Prognose erklärt.

Den generellen Trend zur Abschwächung des Suizidrisikos unter Krebskranken erklären Hu und Mitarbeitende mit einer besseren palliativen und psychosozialen Versorgung. In vielen Bereichen, etwa bei sozial Schwachen oder Personen mit ungünstiger Tumorprognose, sei aber nach wie vor von einem stark erhöhten Suizidrisiko auszugehen, vor allem in den ersten Monaten nach der Krebsdiagnose.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welche Faktoren beeinflussen das Suizidrisiko Krebskranker?

Antwort: In den USA ist das Suizidrisiko von Krebskranken noch immer deutlich höher als in der übrigen Bevölkerung, vor allem unter sozial Schwachen und bei Tumoren mit ungünstiger Prognose. Das höchste Risiko besteht in den ersten sechs Monaten nach der Diagnose.

Bedeutung: Eine bessere psychosoziale Unterstützung in den ersten Monaten nach einer Krebsdiagnose könnte viele Suizide verhindern.

Einschränkung: Daten beziehen sich auf die USA mit anderen Versorgungsstrukturen als in Deutschland.

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Literatur

Hu X et al. Suicide Risk Among Individuals Diagnosed With Cancer in the US, 2000-2016. JAMA Network Open 2023;6(1):e2251863. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2022.51863

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