Immuntherapien bieten vielversprechende neue Therapieoptionen in der Onkologie. Da aber sowohl primäre (bereits vor Therapiebeginn bestehende) als auch erworbene, unter Therapie induzierte Resistenzen vorkommen, profitieren nicht alle Patienten von diesen neuen Therapieoptionen. Selbst bei den Tumorerkrankungen, bei denen beispielsweise Checkpointinhibitoren zur Standardtherapie gehören, gibt es immer viele Patienten, die nicht von dieser Immuntherapie profitieren. Die Resistenzmechanismen greifen dabei an vielen Regulationsmechanismen (gleichzeitig) an. Mögliche Resistenzmechanismen können etwa die Erkennung des Tumors durch das Immunsystem unterbinden. Hier sind die verminderte Synthese und Expression von „Major-Histocompatibility-Complex(MHC)-Molekülen“ und die verminderte oder gänzlich fehlende Prozessierung und Präsentation von Tumorantigenen von großer Bedeutung. Auch die Behinderung der antitumoralen Wirkung von Immunzellen, z. B. durch Induktion der Erschöpfung von T‑Zellen und Veränderungen in der Tumormikroumgebung wie Barrierebildung, können zur Resistenz gegen Immuntherapien beitragen. In dieser Vielfalt der möglichen Resistenzmechanismen sind noch die Unterschiede zwischen den Tumorentitäten und den beteiligten Organsystemen wichtig. Zusammen entsteht eine komplexe Landschaft aus veränderten (molekularen) Regelkreisen, die bei einzelnen Patienten der Wirkung einer Immuntherapie entgegenstehen können. Die Herausforderung der Zukunft ist, hier diese veränderten Regelkreise zu erkennen und bei dem individuellen Patienten zu korrigieren.
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Die Interaktion des Immunsystems mit entstehenden Tumorzellen und Tumorzellen im Rahmen einer Tumorerkrankung sind inzwischen Teil des Lehrkanons geworden. Verschiedene Tumorerkrankungen und verschiedene Organsysteme haben eigene immunologische Rahmenbedingungen und erhöhen die Komplexität in der klinischen Anwendung von Immuntherapien. Dabei entsteht durch die Zusammensetzung der verschiedenen immunologisch aktiven Zellen im Tumorgewebe und im angrenzenden gesunden Gewebe ein Netzwerk aus Interaktionen, die den Verlauf der Erkrankung maßgeblich beeinflussen können.
Dynamischer Prozess der tumorimmunologischen Auseinandersetzung
Dass viele der Komponenten des Immunsystems (Abb. 1) mit Tumorzellen aufgrund von deren genetischen Besonderheiten interagieren können, ist v. a. für die Kontrolle durch das adaptive Immunsystem systematisch untersucht worden [1]. Dabei gehören zur Betrachtung u. a. Effektor-T-Zellen (CD8-positive zytotoxische T‑Zellen), die Präsentation von Antigenen über Moleküle des „major histocompatibility complex I“ (MHC-Klasse I), die Dynamik der Immunantwort („immunoediting“), die Ausbildung von immunologischen Organen („tertiäre lymphoide Strukturen“, TLS) und geht bis hin zu den Beobachtungen im angeborenen Immunsystem, mit der Abtötung von Tumorzellen durch natürliche Killerzellen über Liganden des „killer cell immunoglobulin receptor“ (KIR). Dass es sich also um einen dynamischen Prozess handelt, steht außer Frage. Auch, dass dieser dynamische Prozess von folgenden parallelen Faktoren bestimmt wird: der Reaktivität des Immunsystems gegenüber dem Tumor, der Wachstumsgeschwindigkeit der Tumorzellen, den genetischen und molekularen Eigenschaften des Tumors [2] und den genetischen und klinischen Aspekten des Patienten.
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Diese Heterogenität und die Vielfalt der Einflussfaktoren bieten somit eine große Anzahl an Mechanismen, wie der Tumor einer Kontrolle durch das Immunsystem entgehen kann. Dies kann im Rahmen einer Immuntherapie als Entwicklung einer sekundären Resistenz oder bereits im Rahmen der Entstehung des Tumors als primäre Resistenz vorkommen [3]. Dabei wird von Tumorzellen auch auf das reiche Repertoire des gesunden Körpers zurückgegriffen, der in der feinen Balance zwischen Immunaktivierung und Immuninaktivierung das tägliche Überleben sichert. Um hier in einem Bild zu sprechen: Das Pendel der Immunaktivierung muss auf der richtigen mittleren Position stehen, Abweichungen zur einen Seite bedeuten eine Immuntoleranz (z. B. mit Tumorwachstum), Abweichungen zur anderen Seite bedeuten Autoimmunität mit Gefahr für alle Organsysteme. Diese Konstellation wird nun hier einzeln und systematisch betrachtet, und bekannte ausgewählte Einflussfaktoren werden zusammengefasst dargestellt.
Abb. 1
Schematische Übersicht über einige immunologisch relevante Zellen in der Tumormikroumgebung
„Immunoediting“ – der Kampf des Immunsystems gegen Tumorzellen
Die Immunresistenz im Patienten kann als die Kombination vieler sehr vielfältiger Immunresistenzmechanismen betrachtet werden [4]. Ein generell akzeptiertes und gut untersuchtes Konzept in der Dynamik (Abb. 2) der Resistenz von Tumorzellen in Bezug auf Immuntherapie ist durch die 3 „E“ „elimination, equilibrium, escape“ (Elimination, Gleichgewicht, Flucht) gekennzeichnet [4]. Die Zerstörung der Tumorzellen durch Elimination ist sicher der gewünschte Zustand und wird als Voraussetzung betrachtet, dass Menschen ein hohes Alter überhaupt erreichen können. Das „equilibrium“ ist klinisch schwer zu fassen, weil hier der Tumor vom Immunsystem kontrolliert wird, der Tumor aber nicht ganz zerstört werden kann. So besteht gewissermaßen ein Gleichgewicht zwischen Immunsystem und Tumor. Durch genetische Variation und Mutation kann es zur Entstehung von Tumorzellklonen kommen, die sich dann der Kontrolle durch das Immunsystem entziehen können („escape“). Erst durch einen weiteren Eingriff, wie z. B. eine Immuntherapie, kann hier dann eventuell wieder die Tumorkontrolle oder sogar die Zerstörung des Tumors erreicht werden. Wie aus diesem konzeptuellen Ansatz zu erkennen ist, ergeben sich noch zahlreiche andere Einflussfaktoren auf die Immunevasionskapazität des Tumors, die hier im Weiteren diskutiert werden. Diese werden auch als „3 C“ zusammengefasst: „coercion“ (Zwang), „cytoprotection“ (Gewebeschutz), „camouflage“ (Maskierung) [4]. Im Folgenden werden hierzu Beispiele dargelegt.
Abb. 2
Beispiele für „immunoediting“ mit a Elimination, b einem Gleichgewicht („equilibrium“) zwischen Tumorwachstum und Kontrolle durch das Immunsystem, c einem Progress des Tumors bei fehlender Kontrolle durch das Immunsystem („escape“) und schließlich d mittels einer Immuntherapie herbeigeführte Aktivierung des Immunsystems mit Kontrolle über die Tumorerkrankung
Die grundlegende Frage bei der Entstehung von Tumorerkrankungen ist, ob das Immunsystem überhaupt in der Lage ist, die veränderte maligne Zelle zu erkennen. Als Voraussetzung hierfür muss eine Oberflächeneigenschaft der Tumorzelle geeignet sein, vom Immunsystem erkannt zu werden. Dieses fundamentale Problem ist auch bei bereits bestehender Tumorerkrankung vorhanden: Das Immunsystem „entfernt“ alle Tumorzellen, die es erkennen und zerstören kann, und lässt die unerkannten übrig. Dieses Phänomen der „Immunevasion“ lässt sich gerade bei zellulären Therapien bei soliden Erkrankungen gut erkennen [5]. Der Patient stirbt dann an der „unerkannten“ Tumorerkrankung.
Die „Maskierung“ der Tumorzelle bzw. das Nichterkennen stellt einen fundamentalen Faktor für die Resistenz dar
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Die Maskierung („camouflage“) der Tumorzelle bzw. das Nichterkennen (Abb. 3) bildet somit einen fundamentalen Faktor, und i. d. R. liegt auf der Zelloberfläche von Tumorzellen eine verminderte Anzahl von MHC-Molekülen und auch eine veränderte Expression von Liganden von Immunzellrezeptoren mit immunmodulierenden Effekten vor [6]. Die molekularen Veränderungen der Tumorzellen spielen auch hinsichtlich der Tumorantigene eine wichtige Rolle. Als entsprechende gute Zielstrukturen (Antigene) werden im Augenblick die Neoepitope gesehen. Diese sind Antigene, die durch genetische Veränderungen nur in den Tumorzellen entstehen und somit neu für das Immunsystem sind. Tumorantigene können aber auch Strukturen sein, die normalerweise nur während der embryonalen Entwicklung ausgebildet sind (wie beispielsweise karzinoembryonales Antigen, CEA) und später im Rahmen der aberranten genetischen Veränderungen von Tumorzellen wieder auftreten. Daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer potenzieller Antigene, die beispielsweise durch Überexpression entstehen können, etwa durch Fusionen von Eiweißen [7]. Auch ein wichtiger Aspekt hierbei ist die „tumor mutational burden (TMB)“ oder Tumormutationslast, die Frequenz der Mutationen im Tumorerbgut. Während man hier einen Zusammenhang mit dem Therapieansprechen bei einigen Tumoren mit einer höheren Anzahl von Neoepitopen (und damit potenzieller Angriffsziele für das Immunsystem) gefunden hat, ist die TMB nicht für jede Tumorentität ein guter Prädiktor für das Immuntherapieansprechen. Organspezifische Besonderheiten und Tumorentität spielen dabei eine wichtige Rolle [8].
Abb. 3
Beispiel a für eine ausbleibende Erkennung des Tumors oder b eine Barrierebildung (durch Stroma) oder Exklusion von Immunzellen (durch Inaktivierung über die PD-1/PD-L1-Interaktion)
Es gibt auch funktionelle Unterschiede im Zelltod von Tumorzellen. Wenn Tumorzellen im Rahmen eines „immunogenen Zelltods“ zugrunde gehen, werden beispielsweise die Moleküle Adenosintriphosphat (ATP) und aus der Zellmembran Annexin A1 (ANXA1) freigesetzt, beide wirksam als Botenstoffe, die Immunzellen zu den Tumorzellen dirigieren sollen. Durch die Unterdrückung der Freisetzung dieser beiden Botenstoffe und den enzymatischen Abbau von ATP zu seinem immunsuppressiven Metaboliten Adenosin können maligne Zellen die Rekrutierung von entsprechenden antigenpräsentierenden Zellen behindern und damit die „Erkennung“ der Tumorzellen durch das Immunsystem [9]. Ähnliche Kaskaden wurden auch für Moleküle wie Tryptophan gezeigt [10]. Die antigenpräsentierenden Zellen („antigen presenting cells“ oder „APC“) sind eine wichtige Schnittstelle in der Regulation des Immunsystems. Durch Antigenpräsentation und Ausschüttung von Botenstoffen wie Chemokinen wird die gezielte Aktivierung und Inaktivierung des (adaptiven) Immunsystems gesteuert. Tumoren können hier gezielt die Aktivierung unterdrücken, indem suppressive APC (sog. unreife APC) ausgebildet werden und den Tumor so vor Aktivierung der Immunantwort schützen [11].
Direkte Inaktivierung des Immunsystems
Das ungeborene Kind ist im Mutterleib durch seine haploidente genetische Ausstattung immer der Gefahr ausgesetzt, vom Immunsystem der Mutter abgestoßen zu werden. Ein wichtiger Regulationsmechanismus zur Verhinderung unerwünschter Immunreaktionen, der auch hier von elementarer Bedeutung ist, ist ein molekulares Schlüssel-Schloss-System, welches in der Klinik nicht mehr wegzudenken ist. „Programmed cell death protein 1“ (PD-1) und „programmed cell death 1 ligand 1“ (PD-L1) stellen solch ein lokales Schutzsystem dar, das durch Rezeptor-Liganden-Interaktion eine Inaktivierung von T‑Zellen bewirkt.
Tumorzellen können mittels sog. Exosomen über das Molekül PD-L1 das Immunsystem dämpfen
Vom Tumor instrumentalisiert, führt es zu einem Schutz der Tumorzellen vor Immunaktivierung, selbst in der Anwesenheit von tumorantigenspezifischen T‑Zellen (Abb. 3). Dabei wurde festgestellt, dass Tumorzellen mittels sog. Exosomen (Vesikel, die von Tumorzellen ausgebildet werden können) über das Molekül PD-L1 das Immunsystem dämpfen können [12]. Der klinische Einsatz von Checkpointinhibitoren, v. a. gegen PD‑1 und „cytotoxic T‑lymphocyte-associated protein 4“ (CTLA4), hat die moderne Onkologie radikal vorangebracht. Nachdem inzwischen viele weitere (kostimulatorische) Signalkaskaden identifiziert wurden (z. B. „lymphocyte-activation gene 3“, LAG3; „T-cell immunoglobulin and mucin-domain containing-3“, TIM3, usw.), ist nun die Entwicklung darauf fokussiert zu verstehen, wann und unter welchen klinischen Umständen eine Modulation dieser anderen Signalkaskaden sinnvoll ist. Klinische Daten aus Studien zum primären kolorektalen Karzinom zeigen z. T. ähnliche Wirkungen der verschiedenen Kombinationen, sodass hier durch die Komplexität viele weitere Analysen notwendig sind [13] und damit therapeutisch noch viele Fragen hinsichtlich der Immuntherapiekombination offen sind.
Indirekte Inaktivierung des Immunsystems
Immunzellen und insbesondere zytotoxische Effektorzellen brauchen Energie und Nährstoffe, um die Migration zur Tumorzelle und deren Abtötung zu erreichen. Da Tumorgewebe v. a. durch schnelle Zellteilung und unkontrolliertes Wachstum gekennzeichnet ist, ist auch die Entnahme von Metaboliten und Nährstoffen enthemmt. Gerade in Bezug auf Zucker ist gut gezeigt [14], dass dieser Energieträger in der Tumormikroumgebung fehlt und energieintensive Prozesse wie die Tumorzellelimination damit für T‑Zellen massiv erschwert werden können. Daneben führen die „Abfallstoffe“ eines wachsenden Tumors zu einer weiteren Verschlechterung der Tumormikroumgebung für Immunzellen. Dazu zählt z. B. der im Inneren von Metastasen massiv erniedrigte pH-Wert. Bei niedrigen pH-Werten sind zelluläre Funktionen [15], Zellintegrität, Membranpotenzial usw. bei Immunzellen nicht aufrechtzuerhalten. Dazu kommt noch die Beobachtung, dass andere Interaktionen von Metaboliten wie Laktat, Lipiden usw. [16] auch das Immunsystem weiter hemmen [17]. Des Weiteren ist bekannt, dass auch Hypoxie die Aktivität von Immunzellen inhibiert. Durch die in soliden Tumoren häufig bestehenden Vaskularisationsdefekte liegt i. d. R. eine Hypoxie in unterschiedlicher Ausprägung vor.
Gewebeschutz
Organogenese und Gewebeintegrität werden maßgeblich von myeloiden Zellen beeinflusst und gesteuert. Stress durch Tumorwachstum kann daher auch zusammen mit den genannten Einflussfaktoren zu einer immunsuppressiven Aktivierung von Zellen des angeborenen Immunsystems führen. Dabei ist in dem komplexen Anpassungsprozess der Tumorentstehung die Polarisierung des angeborenen Immunsystems hin zu Immunsuppression sehr leistungsstark [18]. Myeloide Zellen von Monozyten bis Makrophagen sind bei der Gewebehomöostase wichtig und treten daher bei Gewebestress durch eine Tumorerkrankung vermehrt auf. In vielen soliden Tumoren finden sich daher große Dichten dieser Zellen neben den Tumorzellen [19] sowie typische „Kompositionen“ von Zellen (beispielsweise T‑Zellen mehrheitlich in direktem Kontakt zu den Makrophagen) mit unterschiedlicher prognostischer Bedeutung [20]. Die Gewebehomöostase und der Gewebeschutz spielen v. a. an Barriereoberflächen wie Lunge und Darm eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren ist die Rolle der Zusammensetzung des Mikrobioms in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, weil hier sowohl inhibitorische als auch aktivierende Effekte auf das Immunsystem beobachtet werden konnten. Die Analyse des Mikrobioms ist nach wie vor eine Herausforderung, auch in Bezug auf die Bedeutung der verschiedenen Bakterienpopulationen und ihrer Bedeutung für den Gesamtorganismus sowie ihre Auswirkung auf den Erfolg der Immuntherapie. Vielfältiger Einfluss (Abb. 4) kann z. B. über die Ähnlichkeit von bakteriellen Peptiden mit Tumorantigenen als mögliche Ursache der antitumoralen Aktivierung auftreten [21]. Ein weiteres Beispiel sind Bakterien wie Fusobacterium nucleatum, dessen Protein Fap2 durch Bindung an den inhibitorischen Rezeptor „T cell immunoreceptor with Ig and ITIM domains“ (TIGIT) eine Immunaktivierung von CD8-positiven T‑Zellen und NK-Zellen bremsen kann.
Neben dem angeborenen Immunsystem spielt auch das adaptive Immunsystem eine wichtige Rolle
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Neben dem angeborenen Immunsystem mit immunsuppressiver Funktion spielt hier auch das adaptive Immunsystem eine wichtige Rolle. So genannte regulatorische T‑Zellen (oftmals durch die Expression des Moleküls FOXP3 gekennzeichnet [22]) sind Zellen, die für die Fokussierung des Immunsystems wichtig sind, gerade an den Barriereoberflächen. Wenn diese regulatorischen T‑Zellen vom Tumor gezielt induziert werden, kann auch eine spezifische Tumorantwort unterbunden werden.
Abb. 4
Beispiel zu bakteriellen Effekten auf eine Immunaktivierung mit Aktivierung durch gemeinsame Antigene, die eine Aktivierung der adaptiven Immunantwort gegen den Tumor begünstigen
Chemokine als Regulatoren von Infiltration und Aktivierung
An dem Nexus zwischen Koordination und Aktivierung sind v. a. Signalmoleküle beteiligt, die zum einen die Migration, zum anderen die Aktivierung von verschiedensten Zellen verändern können. Diese überlagernden Netzwerke aus Chemokinen sind in der passgenauen Steuerung von praktisch allen Immunzellen von großer Bedeutung, beispielsweise auf dem Weg der T‑Zelle aus dem Gefäßsystem ins Gewebe und dort dann gezielt in die Nähe der Tumorzellen. Gerade für die Positionierung von T‑Zellen im Gewebe sind Moleküle wie die Chemokine „C-X‑C motif chemokine ligand 9“ (CXCL9) und „C-X‑C motif chemokine ligand 10“ (CXCL10) [23] von großer Bedeutung (Abb. 5) bei verschiedensten Tumorerkrankungen [24]. Somit bietet sich umgekehrt für Tumorzellen hier die Möglichkeit, gezielt die Anwesenheit bzw. Abwesenheit von Immunzellen zu beeinflussen. Wie angeführt, kann auch immunogener Zelltod zur Freisetzung von Chemokinen wie CXCL10, CXCL9 und manchmal auch „C‑C motif chemokine ligand 2“ (CCL2) führen, die dann Immuneffektorzellen zur Migration hin zum Tumor veranlassen [25]. Die Unterdrückung dieser Chemokinwirkung durch diverse epigenetische und genetische Modifikationen der Tumorzellen ist bereits nachgewiesen worden. Therapeutisch in die Chemokinregulation einzugreifen, ist besonders komplex und vielversprechend zugleich: Bei richtiger Intervention kann sowohl die passende Infiltration des Tumors mit Immunzellen als auch gleichzeitig deren Aktivierung bewirkt werden [26]. Da aber die verschiedenen Tumorerkrankungen sehr diverse, komplexe Muster dieser überlagernden Chemokinnetzwerke zeigen, ist hier noch weitere Detailarbeit notwendig.
Abb. 5
Verschiedene notwendige Schritte bis zur Migration einer T‑Zelle aus dem Gefäßbett (links) in das Gewebe (Mitte) und dort dann in die Tumormikroumgebung (rechts). Wichtig dabei: Chemokine und Chemokingradienten, zusammen mit weiteren Faktoren bilden eine komplexe Regulation, die dann beispielsweise, wie hier dargestellt, zu einer Migration der T-Zellen aus dem Gefäß heraus führen, aber nicht zu einer Migration in die Tumormikroumgebung hinein, weil kein passender Gradient vorhanden ist. Dadurch entsteht ein Bild eines sogenannten kalten Tumors mit T-Zellen in der Umgebung
Neben der Problematik von fehlender Erkennung der Tumorzellen oder fehlender Infiltration sind auch Modifikationen der Signalkaskaden ein Schutzmechanismus vor dem Immunsystem. Dabei kann es zu Defekten in der Verarbeitung von „danger signals“ (DAMP, „damage-associated molecular patterns“) [27] oder aber auch in der entsprechenden Wirkung von zytotoxischen Molekülen wie Interferon kommen. Letzteres wird entweder nicht gebildet oder löst bei den Zielzellen keinen Zelltod mehr aus. Somit können verschiedenste molekulare Defekte in T‑Zellen (beispielsweise Defekte in der Bildung von T‑Zell-Synapsen), Zellen des angeborenen Immunsystems (Defekte in der Prozessierung und Präsentation von Antigenen) und nicht zuletzt in Tumorzellen die effektive Tumorabtötung verhindern.
Barrierenbildung
Durch die überschießende Bildung von Matrix bzw. Stroma kann auch eine physische Barriere zum Schutz vor dem Immunsystem vom Tumor induziert werden. Diese ist nicht passierbar für Immunzellen, und so entsteht das Bild eines aus dem Immunsystem ausgeschlossen („excluded“) Tumors. Hierfür sind oft tumorassoziierte Fibroblasten und der von ihnen gebildete „transforming growth factor β 1“ (TGFB1) verantwortlich [28], aber auch tumorassoziierte Makrophagen und neutrophile Granulozyten sind bei manchen Tumoren ursächlich beteiligt [29, 30].
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Fazit für die Praxis
Die Immunresistenz oder Immunevasion des Tumors ist ein hochdimensionaler Prozess, bei dem viele Faktoren zusammen einen Einfluss ausüben. Dazu gehört zum Beispiel die Maskierung des Tumors durch aberrante Antigenprozessierung und -präsentation, eine niedrige Tumormutationslast (und damit fehlende erkennbare Neoepitope), Störungen bei der Rekrutierung von antigenpräsentierenden Zellen sowie Defekte in regulatorischen Signalkaskaden der T-Zellen können eine fehlende Aktivierung des Immunsystems zur Folge haben.
Neben dem adaptiven Teil kann auch der angeborene Teil des Immunsystems zur Resistenz beitragen, z. B. in dem aktive Effektorzellen aus der Tumormikroumgebung ausgeschlossen werden oder die biophsyikalischen Eigenschaften des Tumorstromas eine Barriere gegen das Immunsystem bilden.
Die Immunresistenz beim Patienten kann daher als die Kombination vieler sehr vielfältiger Immunresistenzmechanismen betrachtet werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
N. Halama und S. Grauling-Halama geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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