Hohe Krebssterblichkeit trotz hoher Kosten

Deutschland gibt unter den Industrieländern pro Kopf mit am meisten für die Krebsversorgung aus, die Krebssterblichkeit ist dennoch eine der höchsten. Die altersstandardisierte Krebsinzidenz liefert schon mal keine Ausreden. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wie viel darf eine gute medizinische Versorgung kosten? Darüber lässt sich lange diskutieren. Wie gut das Geld für die Versorgung angelegt ist, ist schon einfacher zu beantworten: So wird erwartet, dass hohe Investitionen in die medizinische Versorgung mit einer besseren altersadjustierten Gesundheit und einer geringeren Mortalität einhergehen. Dass dies nicht immer der Fall ist, ist jedoch kein Geheimnis: So geben die Menschen in den USA weltweit am meisten für ihre medizinische Versorgung aus, bei der Mortalität sind die USA aber nur Mittelmaß. Das gilt auch für die Ausgaben in der Krebsmedizin: Diese sind in den USA mit Abstand am höchsten, die Krebssterblichkeit liegt jedoch eher im Mittelfeld. Noch schlechter sieht es in Deutschland aus – hier sind die Kosten für die Krebsmedizin ebenfalls überdurchschnittlich hoch, die Krebsmortalität ist jedoch noch deutlich höher als in den USA und den meisten europäischen Ländern. Ungünstiges Verhältnis zwischen Kosten und Mortalität Das geht aus einer Auswertung von krebsspezifischen Gesundheitsangaben aus 22 Industrieländern hervor, die Gesundheitsforscher und –forscherinnen um Dr. Ryan Chow von der Yale School of Medicine in New Heaven, USA, nun vorgelegt haben. Das Team um Chow hat öffentlich zugängliche nationale Statistiken für das Jahr 2019 ausgewertet. Es berücksichtigte sämtliche OECD-Länder mit hohem Lebensstandard und verfügbaren Gesundheitsdaten. Neben den meisten westeuropäischen Ländern wurden die USA, Kanada, Australien, Südkorea, Neuseeland und Japan einbezogen. Im Median werden in diesen Ländern pro Kopf und Jahr umgerechnet 296 US-Dollar für die Krebsversorgung (Screening, Diagnostik, Therapie, Pflege) ausgegeben, im Median sterben altersstandardisiert 91 von 100.000 Person jährlich an Krebs. Die Pro-Kopf-Ausgaben variieren zwischen 132 Dollar in Spanien und 584 Dollar in den USA, die Krebsmortalität pro 100.000 Personen zwischen 76 in Korea und 114 in Dänemark. Insgesamt ergibt sich jedoch kein klarer Zusammenhang zwischen den Ausgaben für die Krebsversorgung und der Krebsmortalität. So hat Spanien trotz der geringen Ausgaben für die Krebsversorgung eine recht niedrige Krebsmortalität (90). Deutschland liegt hingegen bei den Kosten (370 US-Dollar) und der Krebsmortalität (102) im Spitzenbereich. Noch ungünstiger ist das Verhältnis nur in den Niederlanden mit einer Mortalität von 108 bei ähnlich hohen Kosten. Mehr Geld für die Krebsversorgung als in Deutschland wird pro Kopf nur noch in Luxemburg, der Schweiz und den USA ausgegeben, in diesen Ländern ist die Krebsmortalität aber auch deutlich niedriger als in Deutschland (je 88, 83 und 86). Wird der Raucheranteil im Jahr 1996 berücksichtigt – um der langen Latenz tabakassoziierter Krebsentstehung gerecht zu werden –, ändert sich recht wenig. Eine deutlich höhere Krebsmortalität als Deutschland weisen dann nur die Niederlande und Dänemark auf, eine vergleichbare Irland und Frankreich. Hohe Mortalität trotz relativ niedriger Inzidenz Auf den ersten Blick scheint die Versorgung Krebskranker in Deutschland also besonders ineffizient zu sein: Die hohen Kosten spiegeln sich nicht in therapeutischen Erfolgen wider. Allerdings fehlen für eine genauere Analyse noch wichtige Zahlen wie die Krebsinzidenz und -prävalenz: Wo es mehr Krebskranke gibt, dürften auf die Bevölkerung bezogen auch die Krebsmortalität und die Kosten für die Krebstherapie höher sein. Dies erklärt allerdings nicht die Situation in Deutschland: Nach Daten des World Cancer Research Fund steht Deutschland bei der altersstandardisierten Krebsinzidenz mit 282 pro 100.000 Personen deutlich besser da als die USA (297), Frankreich (320), die Niederlande (315) oder Dänemark (335) und liegt auf einem Niveau mit Japan (283). Verglichen mit Japan sind aber sowohl die Pro-Kopf-Kosten für die Krebsversorgung deutlich höher (370 versus 332 US-Dollar) als auch die Zahlen zur Krebsmortalität (102 versus 82). Diese Betrachtung scheint den Verdacht einer besonders ineffizienten Krebsversorgung in Deutschland also eher noch zu bekräftigen. Ein weiterer Faktor könnten Begleiterkrankungen sein, welche die Mortalität und die Kosten bei einer Krebserkrankung erhöhen. So zeigt sich bei der Krebsmortalität in Europa ein gewisses Nord-Süd-Gefälle. Dieses ist auch bei vielen anderen altersbedingten Erkrankungen und der Lebenserwartung der Fall. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie effizient ist die Krebsversorgung in Deutschland? Antwort: Im Vergleich mit anderen Industrieländern ist in Deutschland die Krebsmortalität bezogen auf die Bevölkerung mit am höchsten – trotz besonders hoher Kosten für die Krebsversorgung. Bedeutung: Hohe Ausgaben bei der Krebsversorgung machen sich nicht bei der Mortalität bemerkbar – die Krebsversorgung scheint daher in Deutschland sehr ineffizient zu sein. Einschränkung: Möglicherweise können Begleiterkrankungen die Diskrepanz zwischen hohen Ausgaben und hoher Krebsmortalität etwas erklären.

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