Erschienen in:
03.01.2018 | Blitzlicht
Opferstatus und Erwähltheit
verfasst von:
Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
|
Ausgabe 1/2018
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Auszug
Die in Filmen, Novellen und Medien simplifizierte Psychoanalyse erweckt den Eindruck, man müsse nur retrospektiv in der fernen Vergangenheit das eine, besondere, folgenreiche Erleben finden, das Trauma, welches die Triebschicksale verwirbelt und sich tief ins Ubw, ins Unbewusste, eingewühlt hat und dadurch der Erinnerung verloren ging. Hat man es gefunden, nacherlebt, versprachlicht, dann ist die fatale Unwucht dieses Lebens beseitigt, dann läuft fürderhin alles rund, und man weiß vor allem, warum das bislang nicht so war. Normalerweise suchen nur unglückliche Menschen nach solchen Ursachen, und entsprechend gibt es eine hohe statistische Assoziation zwischen Unglück und derart gefundenen Ursachen. Allerdings unterziehen sich auch viele vergleichsweise gut funktionierende Menschen einer psychoanalytischen oder tiefenpsychologischen Behandlung zwecks Selbsterfahrung und Vorbereitung auf den Beruf des Therapeuten. Interessanterweise findet man auch bei diesen Psychotherapien selten die Ursachen dafür, dass man so zufrieden, arbeits- und liebesfähig vor sich hin lebt, sondern blickt schaudernd in Abgründe, denen man anscheinend dank Resilienz noch knapp entronnen ist. „Der kleine Hans“, dessen aus Mutterliebe geborene Angst vor Pferden Freud (
1909) etwas unorthodox über seinen Vater therapierte, wurde ein eminent erfolgreicher Opernregisseur. …