Orchidopexie oft viel zu spät durchgeführt

Die Orchidopexie bei persistierendem Hodenhochstand sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Dennoch erfolgt die Op. häufig viel später als empfohlen: Fast ein Drittel der Eingriffe fand in einer US-amerikanischen Studie erst nach dem sechsten Lebensjahr statt. Fragestellung Bei Geburt weisen 3 bis 5% aller reifgeborenen Knaben nicht vollständig deszendierte Hoden auf. Bis zum Alter von zwölf Monaten sinkt dieser Anteil auf etwa 1%. In diesem Alter wird von den meisten Fachgesellschaften bei persistierendem Maldescensus testis die Orchidopexie empfohlen. Dies deshalb, da bei nichtdeszendierten Hoden ein erhöhtes Malignitätsrisiko besteht; des Weiteren resultiert aus der sich oft entwickelnden Hodenfibrose eine später verminderte Fortpflanzungsfähigkeit. Eine amerikanische Multicenterstudie untersuchte nun, in welchem Alter Orchidopexien tatsächlich durchgeführt werden. Methode Die Daten von 41 im Pediatric Health Information System (PHIS) vernetzten Kinder- und Jugendabteilungen wurden über einen Zeitraum von zehn Jahren (1999 bis 2008) analysiert. Dabei wurde das Patientenalter zum Zeitpunkt der Orchidopexie erhoben, darüber hinaus in bi- und multivariater Analyse auch der Zusammenhang mit Rasse, Art der Versicherung und behandelnder Klinik untersucht. Ergebnisse Es wurden 28.204 Kinder mit Orchidopexie erfasst. Davon wurden nur 18% bis Ende des ersten Lebensjahres operiert. Bis zum Alter von zwei Jahren fanden 43% aller Operationen und insgesamt 69% bis zum Alter von sechs Jahren statt. Somit wurden 31% aller Orchidopexien erst jenseits des sechsten Lebensjahres durchgeführt. Das mittlere Alter bei Operation betrug 4,4 Jahre (±3,9 Jahre). Bei Analyse der übrigen Parameter zeigte sich eine starke Assoziation des durchschnittlichen Operationsalters mit der jeweiligen Klinik. So wurden – je nach Klinik – bis Ende des zweiten Lebensjahres zwischen 29,5% und 53,5% aller Orchidopexien durchgeführt. Außerdem wurden weiße Kinder im Durchschnitt etwas früher operiert als schwarze, und Kinder mit Privatversicherung etwas früher als solche mit einer öffentlichen Krankenversicherung. "Hodeninspektion sollte Bestandteil der Routineuntersuchung sein"! Kommentar von Prof. Dr. Reinholfd Kerbl (Leoben, Österreich) Die Ergebnisse dieser amerikanischen Multicenterstudie können nicht unkritisch auf mitteleuropäische Verhältnisse übertragen werden. Jedoch wird sicherlich auch in deutschsprachigen Ländern die Empfehlung „spätestens im zweiten Lebensjahr operieren!“ vielfach nicht eingehalten. Die Gründe dafür dürften mannigfaltig sein: keine oder unvollständige Inspektion und Palpation, Unsicherheit über den erhobenen Befund, abwartendes Verhalten der Eltern und andere mehr. Die Autoren dieser Studie diskutieren auch zwei verschiedene Szenarien als mögliche Ursachen für den doch erstaunlich hohen Anteil „später Operationen“: einerseits die unvollständige bzw. fehlerhafte Diagnostik im Säuglings- und Kleinkindalter (dafür sprechen die großen Unterschiede zwischen verschiedenen Kliniken) und andererseits das mögliche erst spätere Auftreten eines Maldescensus testis durch sekundäre Hodenaszension. Diese scheint durch „M.-cremaster-Spastizität“ insbesondere im Alter von fünf bis acht Jahren einzutreten und würde einen zweiten Operationsgipfel um das zehnte Lebensjahr erklären. Auch in einer europäischen Studie beobachtete Operationsraten bis über 8% bis zum Alter von 17 Jahren würden das Szenario des sekundären Auftretens unterstützen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie so oft in der Mitte: Einerseits wird der Maldescensus testis bei Säuglingen und Kleinkindern wahrscheinlich wirklich häufig zu spät diagnostiziert und behandelt, andererseits wurde die Rate der sekundären Hodenaszension bei Schulkindern bisher möglicherweise doch deutlich unterschätzt. Als Konsequenz ergibt sich die Forderung, dass Kinder- und Jugendärzte in jedem Alter den Hoden ihrer Patienten entsprechende Beachtung schenken und Hodeninspektion sowie -palpation Bestandteil jeder Routineuntersuchung sein sollen.

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