Das
Orf-Virus (ORFV) ist ein Vertreter der Parapockenviren, die komplex aufgebaut sind und eine doppelsträngige DNA besitzen. Weitere Vertreter sind unter anderem das Stomatitis-papulosa-Virus („bovine papular stomatitis virus“), Pseudokuhpockenvirus („pseudocowpox virus“) und das Seehundpockenvirus („sealpox virus“; [
2]). Es handelt sich hierbei um Erreger von Zoonosen, die meist beruflich bedingt sind und klinisch nicht voneinander unterschieden werden können [
3]. Das natürliche Reservoir von ORFV sind Schafe und Ziegen [
4]. Es kommt weltweit vor und kann durch direkten oder indirekten Kontakt mit einem infizierten Tier oder Gegenständen auf den Menschen übertragen werden, auch einzelne Mensch-zu-Mensch-Übertragungen wurden beobachtet [
5]. Eine jährliche Inzidenzspitze im Sommer, insbesondere in muslimischen Ländern, ist auf das jährliche islamische Opferfest Eid al-Adha zurückzuführen, bei dem die Tiere mit bloßen Händen geschlachtet und anschließend zubereitet werden [
6]. ORFV ist sehr umweltresistent und konnte im Labor aus getrockneten Krusten nach mehreren Monaten bis Jahren wiedergewonnen werden [
7]. Orf-Infektionen treten meist an den Handrücken oder an den Fingerstreckseiten auf, seltener ist in der Literatur ein Auftreten an ungewöhnlicheren Lokalisationen beschrieben, beispielsweise im Gesicht, genital, perianal und am Augenlid [
8‐
10]. Bei immunkompetenten Patienten kommt es nach einer Inkubationszeit von 3–7 Tagen [
4] meist zu einer singulären Läsion, die in 6 klinischen Stadien abläuft, die jeweils 7–14 Tage andauern (Tab.
1). Der Verlauf der Infektion dauert etwa 6–8 Wochen [
11]. Insbesondere bei immunsupprimierten Patienten können auch atypische Verläufe mit ausgeprägten Ulzerationen auftreten [
12,
13]. Es handelt sich um eine nicht meldepflichtige Erkrankung sowohl nach dem Infektionsschutz- als auch nach dem Tiergesundheitsgesetz, sodass keine verlässlichen Daten zur Prävalenz vorliegen. Unter den beruflich Exponierten scheint die Erkrankung zudem bekannt zu sein, sodass sie sich möglicherweise bei Symptomen der Erkrankung nicht ärztlich vorstellen, sondern eine Spontanheilung abwarten. Jedoch sollte bei Auftreten in einem beruflichen Zusammenhang eine Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft erfolgen. Manchmal kann es begleitend zu leichtem Fieber, Lymphadenopathie, Lymphangitis oder bakteriellen Superinfektionen kommen. In vereinzelten Fallberichten werden auch ein Erythema multiforme und ein Steven-Johnson-Syndrom als mögliche Komplikationen einer Orf-Infektion aufgeführt. Jedoch erhielten diese Patienten vorab systemisch Antibiotika, sodass hier ein kausaler Zusammenhang mit Orf-Infektionen nicht nachgewiesen werden kann [
14,
15]. Lokale und systemische Antibiotikagaben sollten daher vermieden werden. Bei komplikationslosen Verläufen ist eine antiseptische Lokaltherapie ausreichend.
Tab. 1
Klinische Stadien der Orf-Infektion
1 | Makulopapulöses Stadium | Es bilden sich einzelne oder mehrere, derbe ca. 2–3 cm große blasserythematöse bis violette Makulae und/oder Papeln |
2 | Kokardenstadium | Es entwickelt sich eine zentrale Rötung mit umgebendem weißem Ring und peripherer ein erythematöser Hof |
3 | Exsudativ seröses Stadium | Nun bildet sich eine nässende Oberfläche |
4 | Trockenes Stadium | Ausbildung einer Papel, die mit gelb-schwarzer Kruste bedeckt ist |
5 | Papillomatöses Stadium | Papillomatöse Umwandlung der Oberfläche |
6 | Regressionsstadium | Narbenlose Abheilung nach Abstoßung der Kruste |