Die Zahl der Älteren mit HPV-assoziierten Karzinomen steigt

Plattenepithelkarzinome des Oropharynx, die positiv auf humane Papillomviren sind, gelten als Tumoren von Menschen in vergleichsweise jungen Jahren. Das scheint sich zu ändern. Ein möglicher Grund dafür: freizügigerer Sex. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wie Untersuchungen gezeigt haben, hat der Anteil von Patienten im Alter ab 65 mit Plattenepithelkarzinomen im Mund-Rachen-Bereich seit der Jahrtausendwende zugenommen. Das ließ den Verdacht aufkommen, der Anstieg in dieser Altersgruppe könnte auf Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) zurückgehen. Bisher waren oropharyngeale Krebserkrankungen mit HPV-Bezug vornehmlich bei Patienten mittleren Alters diagnostiziert worden. Ein Team von HNO-Ärzten und Pathologen um Eleni Rettig von den Johns Hopkins Medical Institutions in Baltimore hat sich nun die Daten aller von Februar 2002 bis Januar 2017 an der dortigen Klinik auf HPV getesteten Patienten mit Plattenepithelkrebs des Oropharynx vorgenommen, um die Inzidenz und den Alterstrend in dieser Tumorentität nachzuzeichnen. Einbezogen waren 1068 Patienten mit Oropharynxkarzinomen vom Plattenepitheltyp. 954 (89,3%) waren HPV-positiv. Insgesamt betrachtet, doch auch in den meisten nach Diagnosejahren aufgeteilten Kohorten (2008–2010, 2011–2013, 2014–2017) waren die HPV-negativen Patienten älter als die HPV-positiven. Eine Ausnahme bildete die Kohorte der Jahre 2002–2007, wo es aber nur elf Fälle von HPV-negativen Karzinomen gegeben hatte. HPV-positive Tumoren überwiegen weit Die Inzidenz nahm während des Studienzeitraums zu, 90% der Tumoren wurden nach 2008 diagnostiziert. In allen Kohorten überwogen die HPV-positiven Karzinome bei Weitem. Besonders betroffen waren Männer, wobei sie in der HPV-positiven Gruppe (86,7% Männer) mehr dominierten als in der HPV-negativen (68,4%). Das Durchschnittsalter der Patienten mit Mund-Rachen-Krebs stieg über die Jahre sowohl bei den HPV-negativen wie bei den HPV-positiven: je Kalenderjahr im Mittel um 0,6 Jahre bei den HPV-positiven und um 1,6 Jahre bei den HPV-negativen. Über den Studienzeitraum hinweg betrug das Plus bei den HPV-Positiven rund sieben Jahre, der Schnitt lag 2014–2017 bei einem Alter von 58,5 Jahren. Der Zuwachs bei den HPV-Negativen betrug sogar 17,7 Jahre auf dann 66,4 Jahre, wobei jedoch die sehr wenigen Fälle in der frühesten Kohorte (z. B. nur zwei zwischen 2002 und 2004) das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Nimmt man nur die Fälle ab 2008, liegt der Anstieg in dieser Gruppe bei 4,5 Jahren. Der Gesamttrend für HPV-positive und HPV-negative Patienten bestätigt sich bei Ausschluss aller Fälle vor 2008. Zahl der Sexualpartner steigt Die Ergebnisse liegen auf einer Linie mit Resultaten anderer Erhebungen. Sie zeigen indes, dass der Anstieg der Inzidenz von plattenepithelialen Oropharynxkarzinomen in den höheren Altersgruppen zwar überwiegend, aber nicht nur durch HPV-positive Karzinome verursacht ist. Hinter der Zunahme HPV-positiver Tumoren im fortgeschrittenen Alter wiederum vermuten Rettig und Kollegen einen Geburtskohorteneffekt. Dieser erkläre sich aus der größeren kulturellen Akzeptanz eines Sexualverhaltens, das mit HPV-Infektionen und daraus folgenden Krebserkrankungen assoziiert ist, unter später geborenen Menschen. So hat beispielsweise die mittlere Zahl der Sexualpartner von Erwachsenen in den USA laut einschlägigen Umfragen deutlich zugenommen (Twenge JM et al. Arch Sex Behav 2015; 44: 2273–85). Berichteten die in den 1910er-Jahren Geborenen im Durchschnitt von zwei Partnern, hatten die in den 1950ern Geborenen im Schnitt bereits mit zwölf und die in den 1980er- und 1990er-Jahren zur Welt Gekommenen mit acht Personen Sex gehabt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie stellen sich Inzidenz und Alterstrend bei Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx dar? Antwort: Die Inzidenz von oropharyngealen Karzinomen hat während der ersten beiden Dekaden des Jahrhunderts zugenommen. Das Alter bei Erkrankung hat sich dabei sowohl bei HPV-positiven wie -negativen Patienten nach oben verschoben. Bedeutung: Die Zunahme von Plattenepithelkrebs im Mund-Rachen-Bereich, die bei Älteren zu verzeichnen ist, geht vor allem, aber nicht nur auf HPV-positive Geschwülste zurück. Einschränkung: Die Daten stammen von Patienten einer einzelnen Einrichtung, ein Zuweisungsbias ist nicht auszuschließen.

Springer Medizin

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