Bei verstauchtem Knöchel bringt Physiotherapie wenig

Bei verstauchtem Knöchel sind physiotherapeutische Übungen offenbar ohne Nutzen für das Wiedererlangen der Funktionalität. In einer randomisierten Studie, die im BMJ erschienen ist, war die Interventionsgruppe nicht besser dran als eine Vergleichsgruppe ohne ein solches Zusatzprogramm. An der Studie teilgenommen haben 503 mindestens 16-jährige Patienten mit erst- oder zweitgradiger Verstauchung, die bei Präsentation weniger als 72 Stunden zurücklag. Dabei waren auch klinisch unbedeutende Abrissfrakturen am Knöchel eingeschlossen, wenn die Dislokation weniger als 3 mm betrug. Foot-and-Ankle-Score als Maß Das enttäuschende Ergebnis: Die Gruppe, die zusätzlich zur Standardversorgung einen aufwendigen Physiotherapieplan absolviert hatte, zeigte nach drei Monaten keine besseren Werte im Foot-and-Ankle-Score (FAOS) als eine Kontrollgruppe, bei der nur die Standardmaßnahmen zum Einsatz gekommen waren. Im FAOS werden insgesamt 42 Einzelkriterien aus fünf Bereichen abgefragt: Die Fragen betreffen Schmerzen, Funktion bei Alltags- und sportlichen Aktivitäten sowie die Lebensqualität. Die Forscher um Robert J. Brison von der Queen’s University in Kingston, Ontario, hatten als primären Endpunkt einen FAOS-Wert von mindestens 450 von 500 Punkten festgesetzt, den die Teilnehmer nach drei Monaten erreicht haben sollten. Auf diesen Zielwert kamen 43% von 229 Teilnehmern aus der Physiotherapiegruppe und 37% von 214 Teilnehmern aus der Kontrollgruppe. Der Unterschied von absolut 6% war laut Brison und Kollegen nicht signifikant. Das Studienprotokoll sah für alle Teilnehmer eine Standardtherapie vor, die neben der Erstversorgung hauptsächlich Beratung zu Kälteanwendung, Ruhe, Hochlagern, Kompressionsbandagen und den Einsatz von Analgetika umfasste. Zusätzlich wurden die Patienten auch dazu beraten, wie sie den Fuß belasten durften. Aufwendiger Stufenplan Nur die Interventionsgruppe, ursprünglich 253 Patienten, sollte ergänzend zu diesen Maßnahmen einen vierstufigen physiotherapeutischen Therapieplan mit professionell angeleiteten Sitzungen und Übungen für zu Hause absolvieren: In Stufe I (drei Tage) ging es darum, Schmerz und Schwellung zu reduzieren. Stufe II (vier bis zehn Tage) diente der Steigerung von Beweglichkeit, Kraft und Belastbarkeit, am Ende von Stufe IV stand als Therapieziel aktive Beweglichkeit und die Fähigkeit, bestimmte Übungen durchzuführen. Das Ziel in Stadium fünf schließlich war die Wiederherstellung der dynamischen Knöchelstabilität und die möglichst uneingeschränkte Teilnahme an Aktivitäten. Insgesamt mussten sich die Patienten dieser Gruppe achtmal in der Klinik einfinden, einmal zur Instruktion und sieben weitere Male zu jeweils 30-minütigen Physiotherapiesitzungen. Im Laufe der Studie schlossen die Forscher 69 Patienten aus dem Physiotherapiearm aus, weil diese in den ersten drei Monaten an keiner Therapiesitzung teilgenommen hatten. Umgekehrt konnten 26 Patienten aus der ursprünglich 250-köpfigen Kontrollgruppe nicht für die Endauswertung berücksichtigt werden, weil sie „unerlaubterweise“ physiotherapeutische Übungen durchgeführt hatten. In der Per-Protokoll-Analyse fielen lediglich zwei Messungen zugunsten der Physiotherapiegruppe aus: das maximale Drehmoment und die Kraft der Plantarflexion. Alle anderen Werte waren auch in dieser Auswertung für beide Gruppen ohne signifikanten Unterschied. Knöchel bleibt oft instabil Wie Brison et al. berichten, hatten sich sechs Monate nach dem ersten Ereignis 7,5% der Patienten aus dem Physiotherapiearm und 8,4% aus dem Kontrollarm erneut am selben Knöchel verletzt. Auch diese Anteile waren statistisch gesehen gleich. „Eine frühzeitig begonnene Physiotherapie führt bei erst- oder zweitgradigen Knöchelverstauchungen nicht zu funktionell besseren Ergebnissen als die Standardversorgung allein", so das Fazit der Forscher. Vor dem Hintergrund, dass 40% der Patienten über langfristig anhaltende Schmerzen, Bänderinstabilität und erneute Verstauchungen klagen, ist dies ein äußerst unbefriedigendes Ergebnis, so Chris Bleakley von der Ulster University in Newtonabbey in seinem Kommentar zur Studie. Der Experte kritisiert, dass sich die meisten Therapiestudien zum verstauchten Knöchel ausschließlich auf das Knöchelgelenk fokussieren; dabei gebe es immer mehr Hinweise darauf, dass solche Verletzungen auch Bewegungsmuster in anderen Gelenken beeinflussen, sowohl am Knie als auch an Hüfte und Rumpf. Diesem Problem, das möglicherweise mit der häufig beobachteten Instabilität zusammenhänge, müsse man in künftigen Studien Rechnung tragen.

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