Erhaltungstherapie mit Niraparib

Eine Erhaltungstherapie mit Niraparib kann das progressionsfreie Überleben (PFS) verlängern und viele Patientinnen sprechen dauerhaft auf die Therapie an. Durch eine individuelle Dosisstrategie ist der PARP (Poly[ADP-Ribose]-Polymerase)-Inhibitor auch langfristig gut verträglich. Zum Erhalt der Lebensqualität trägt zudem die einfache Anwendung bei: Niraparib wird einmal täglich, unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Die Therapie entspricht damit den Wünschen der Patientinnen nach einer möglichst langen Rezidivfreiheit und einfachen Anwendung. Das Ovarialkarzinom ist die achthäufigste Krebsneuerkrankung bei Frauen [1]. Bis zu einem Alter von etwa 65 Jahren steige die Inzidenz mit dem Alter kontinuierlich an, danach falle sie wieder ab, so Prof. Dr. Sven Mahner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Universität München. „Das liegt jedoch nicht daran, dass das Erkrankungsrisiko abnimmt, sondern daran, dass die Diagnose bei Seniorinnen seltener gestellt wird.“ Das Ovarialkarzinom sei fast immer unheilbar. „Wer daran erkrankt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch daran versterben“, so Mahner. Auch wenn der Tumor primär gründlich entfernt werde, würde immer eine große Anzahl an Tumorzellen zurückbleiben, die irgendwann zum Ausgangspunkt eines Rezidivs werden könnten. Deshalb sei die platinhaltige Chemotherapie im Anschluss an die Primäroperation von großer Bedeutung. Erhaltungstherapie: länger rezidivfrei Etwa ein Viertel der Patientinnen erleidet kein Rezidiv. Wenn es jedoch zum ersten Rezidiv kommt, ist die Erkrankung weitgehend unheilbar [2]. Im Anschluss an die nun folgende Chemotherapie komme es zu weiteren Rezidiven, wobei sich die zeitlichen Abstände immer weiter verkürzten, erklärte Mahner. Diese Dynamik kann eine Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Niraparib (Zejula®) deutlich abschwächen, so die Ergebnisse der Zulassungsstudie AGO-OVAR2.22/ENGOT-OV16/NOVA. Eingeschlossen waren Patientinnen mit einem Rezidiv, das auf die platinhaltige Therapie angesprochen hatte [3]. Sie bekamen eine Erhaltungstherapie mit 300 mg Niraparib täglich oder Placebo. Bemerkenswert ist laut Mahner, dass nicht nur Frauen mit BRCA (Breast Cancer Gene)-Keimbahnmutation, sondern auch Frauen ohne Mutation an der Studie teilnahmen. Wie erwartet zeigte sich in der BRCA-positiven Kohorte ein besonders ausgeprägter Effekt mit einem medianen PFS von 21,0 Monaten versus 5,5 Monaten unter Placebo (Hazard Ratio [HR] 0,27; p<0,001; Abb. 1a). In der Kohorte der Patientinnen ohne BRCA-Keimbahnmutation betrug das mediane PFS 9,3 Monate versus 3,9 Monate (HR 0,45; p<0,001; Abb. 1b). Der PFS-Vorteil unter Niraparib stellte sich in allen getesteten Subgruppen ein. Auch nach mindestens zwei Jahren erhielt fast jede fünfte Patientin der NOVA-Studie weiterhin Niraparib [4]. Abb. 1: NOVA-Studie: PFS in der Kohorte mit (a) und ohne BRCA-Keimbahnmutation (b); (modifiziert nach [3]) Springer Medizin Verlag GmbH × Es fiel auf, dass sich die höchste Inzidenz von unerwünschten Ereignissen einschließlich Thrombozytopenie zu Beginn der Erhaltungstherapie mit Niraparib zeigte. Nach individuellen Dosisanpassungen in den ersten drei Therapiezyklen war die Inzidenz von Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 wesentlich geringer [3]. 14,7% der Patientinnen brachen die Studie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Langzeitverträglich durch individualisierte Dosis Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Erhaltungstherapie mit Niraparib zählt eine Thrombozytopenie [5]. Für diesen Fall sah das NOVA-Studienprotokoll vor, die Therapie für maximal 28 Tage auszusetzen und die Dosis nach Erholung der Thrombozytenzahl von 300 mg auf 200 mg bzw. nach einer zweiten Unterbrechung von 200 mg auf 100 mg zu reduzieren [3]. Daten der NOVA-Studie zur Langzeitverträglichkeit zeigten, dass die Nebenwirkungsraten auf dem niedrigen Niveau blieben, das sie nach der individuellen Dosisfindung während der ersten drei Therapiemonate erreicht hatten [4] (Abb. 2). Abb. 2: NOVA-Studie: Inzidenz von Thrombozytopenien im Therapieverlauf von bis zu vier Jahren (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Eine retrospektive Analyse ergab, dass sich die Dosisreduktionen nicht signifikant auf das PFS auswirkten [6]. Durch eine individuelle, gut tolerable Dosierung lassen sich somit eventuelle Probleme mit Nebenwirkungen gut handhaben, ohne dass die Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Dies sei eine beruhigende Information, die man Patientinnen auch unbedingt geben solle, betonte Prof. Dr. Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie und Klinik für Gynäkologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Es gebe in der retrospektiven Analyse auch Hinweise darauf, dass für Patientinnen mit einem Körpergewicht <77 kg und/oder einer Thrombozytenzahl von <150.000/µl wahrscheinlich von Anfang an reduzierte Dosen sinnvoller wären. Dies werde jetzt prospektiv weiter untersucht, ergänzte Mahner. Altersunabhängiger Effekt Im klinischen Alltag würden die Studienergebnisse auch neue Fragen aufwerfen, die durch zusätzliche Analysen beantwortet werden sollen, so PD Dr. Fabian Trillsch, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Universität München. Eine davon betreffe die Wirksamkeit bei älteren Patientinnen, die früher häufig aus klinischen Studien ausgeschlossen wurden. Eine altersadjustierte Auswertung ergab, dass sich das PFS sowohl bei Patientinnen <70 Jahren (HR 0,47) als auch bei Patientinnen ≥70 Jahren (HR 0,36) verbesserte [7]. Weiterhin erwies sich die Wirksamkeit von Niraparib als unabhängig von der Stärke des Ansprechens auf die vorherige platinhaltige Chemotherapie [8]. Niraparib besitzt eine nahrungsunabhängige Pharmakokinetik [9]. Wenn die Patientinnen bei der Einnahme nüchtern waren, wurde zwar die Maximalkonzentration schneller erreicht, aber bezüglich der zeitabhängigen Konzentration ergab sich kein Unterschied zu Patientinnen, die vorher gegessen hatten. Es besteht auch keine Notwendigkeit, die Dosis von Niraparib bei älteren Patientinnen oder Frauen mit leichter bis moderater Einschränkung der Nierenfunktion oder der Leberfunktion anzupassen [9]. Befragung zeigt hohe Akzeptanz Wenn eine Krankheit unheilbar werde, rücke die Lebensqualität noch mehr in den Mittelpunkt, hob Sehouli hervor. Man dürfe bei allen Überlegungen zu einer geeigneten Therapie nicht vergessen, die Patientinnen zu fragen, was ihnen wichtig ist. In der Umfrage Expression IV/ENGOT-ov22 wurden 2.101 Patientinnen mit Ovarialkarzinom in unterschiedlichen Stadien hierzu befragt [10]. Fast alle hatten eine Operation hinter sich und Erfahrungen mit der Chemotherapie. Zwei Drittel erhielten zum Zeitpunkt der Befragung eine Therapie. 55% der Patientinnen beurteilten ihren derzeitigen Zustand als gut oder sehr gut. Als häufigstes Argument für eine Erhaltungstherapie nannten etwa drei Viertel der Frauen, dass sie ihre Chancen auf Heilung erhöhen wollen. Dies galt für Frauen mit Rezidiv kaum seltener als für Frauen mit Primärerkrankung und für ältere Frauen ebenso häufig wie für jüngere. Bezüglich der Anwendung wurde die einmal tägliche orale Einnahme bevorzugt, mehr als 30% der Frauen sprachen sich dafür aus. Die meisten Patientinnen waren auch bereit, eine lang andauernde Therapie bis zur Progression oder sogar eine lebenslange Therapie anzunehmen. Dies führte Sehouli nicht nur auf den Wunsch nach Heilung zurück, sondern auch darauf, dass das Ovarialkarzinom in der Primärphase und bei jedem Rezidiv durch Aszites, Bauchschmerzen und Schwäche einen hohen Leidensdruck verursacht. Die durch die Chemotherapie erzielte Remission mit einer auch in der Langzeitanwendung gut verträglichen und anwenderfreundlichen Erhaltungstherapie stabilisieren zu können, bedeute für die Frauen Lebensqualität. Ein Fünftel der Patientinnen mit BRCA-Mutationen 27,9% der Patientinnen mit Ovarialkarzinom weisen eine deletäre Keimbahnmutation bekannter Gene auf, die zu einer Defizienz der homologen Rekombination (HRD) führt. Bei 21% der Patientinnen lässt sich eine Breast Cancer Gene (BRCA)-Mutation nachweisen [11]. Weil die Prognose und auch das Therapieansprechen vom Mutationsstatus abhängen, soll bei jeder Ersterkrankung eine Mutationsanalyse vorgenommen werden [12]. „Leider hat sich dies in Deutschland immer noch nicht flächendeckend durchgesetzt“, so Mahner. Eine Erhaltungstherapie mit Niraparib verlängere das progressionsfreie Überleben zwar unabhängig vom BRCA-Mutationsstatus, trotzdem heiße das nicht, dass man auf die Testung verzichten könne. Literatur www.krebsdaten.de (letzter Zugriff: 12.12.2018) Coleman RL et al., Nat Rev Clin Oncol 2013, 10:211–224 Mirza MR et al., N Engl J Med 2016, 375:2154–2164 Mirza MR et al., Int J Gynecol Cancer 2018, 28 (Suppl 2):Abstract IGCS8-1480 und Präsentation, 17th Biennial Meeting of the lnternational Gyne-co-logic Cancer Society (IGCS) 2018, Kyoto, Japan Fachinformation Zejula®, Stand: Dezember 2018 Berek JS et al., Ann Oncol 2018, 29:1784–1792 Fabbro M et al., Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2017, Madrid, Spanien, Abstract 934PD Mirza MR et al., J Clin Oncology 2017, 35:5517 Moore K et al., Cancer Chemother Pharmacol 2018, 81:497–503 Rohr I et al., Int J Gynecol Cancer 2017, 27 (Suppl 4):ESGO7-0145 und Präsentation Sehouli J, zur Publikation eingereicht Harter P et al., PLoS One 2017, 12(10):e0186043 S3-Leitlinie „Diagnostik,Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren”, AWMF-Registernr. 032/035OL, Version 3.01 Impressum „1 Jahr Zejula® in Deutschland“, Presseworkshop, München, 20.11.2018 Berichterstattung: Dr. Angelika Bischoff, Planegg Artikel gedruckt in InFo Hämatologie + Onkologie 1-2/2019 Mit freundlicher Unterstützung der Tesaro Bio Germany GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. 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Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom - Erhaltungstherapie mit Niraparib

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