Sommerliches Dermatologie-Update

UV-Licht, Vitamin D und Hautkrankheiten – was die aktuelle Literatur zu diesen Themen zu sagen hat, lesen finden Sie hier zusammengefasst! Dossier "Kinderdermatologie" Durchschnittlich 80% der lebenslangen Sonnenlichtexposition erfolgt in den ersten 18 Lebensjahren [1]. Die kindliche Haut kann leichter als die Erwachsener durch UV-Licht geschädigt werden: Die Epidermis ist dünner, die spontane Melaninproduktion und die von vorangehender UV-Exposition abhängige fakultative Pigmentation sind vermindert. Die akute UV-„Überdosierung“ (Sonnenbrand) im Kindesalter (≥ 2 Episoden) stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Entstehung eines Melanoms im Erwachsenenalter dar. Die chronische UV-Überdosierung begünstigt hingegen – neben der als solare Elastose oder „Dermatoheliose“ bezeichneten vorzeitigen Hautalterung – die Entstehung prämaligner Hautveränderungen (Aktinische Keratosen) und von Karzinomen der Haut (Spinaliom, Basaliom) [2]. Insbesondere die Inzidenz des Melanoms hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen: Ein 1935 geborenes Kind hatte ein Melanomrisiko von 1:1.500; bei einem heute geborenen Kind liegt das Risiko bei 1:71 [3]. Besondere Risikofaktoren stellen neben den Sonnenbränden im Kindesalter der Hauttyp (Hauttyp I mit rotem oder rotblondem Haar), multiple Pigmentnaevi und Sommersprossen, häufiger Aufenthalt im Freien in den Sommermonaten während der Adoleszenz sowie eine positive Familienanamnese für das Maligne Melanom dar. Der Serumspiegel des Vitamin D korreliert mit der UV-Exposition: Je weniger Sonne auf die Haut gelangt, umso niedriger ist die Vitamin-D-Konzentration; bei fehlender oraler Zufuhr bzw. UV-Exposition kommt es zur Rachitis. Jenseits des Säuglingsalters liegt bei >60% der Bevölkerung der nördlichen Hemisphäre zumindest in den Wintermonaten eine Verminderung des Vitamin-D-Spiegels vor [4], der zwar ohne klinische Zeichen der Rachitis einhergeht, dessen Bedeutung für den Organismus in der Vergangenheit jedoch unterschätzt wurde. Erworbene Naevi und Lichtschutz Die meisten Naevi werden während der Kindheit erworben [6, 7]. Ihre Zahl korreliert mit der Intensität und Dauer der Sonnenexposition und ist bei Menschen mit hellem Hauttyp erhöht [8, 9, 10]; auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Eine hohe Zahl melanozytärer Naevi stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung eines Malignen Melanoms (MM) dar [8]. Die Risikofaktoren für die Entstehung eines Malignen Melanoms ähneln somit denen, die zur Entwicklung multipler Naevi disponieren – nur ist die Latenz für das MM wesentlich höher [11]. Drei Studien befassten sich in den letzten Jahren mit der Frage, ob neonatale Lichttherapie (bei Hyperbilirubinämie) die Zahl melanozytärer Naevi bzw. die Hautkrebsrate beeinflusst. Mahé et al. untersuchten 828 Kinder im Alter von 9 Jahren [12]. Die mittlere Naevuszahl lag bei ihnen bei 16,7. 182 der Kinder (22,2%) hatten als Neugeborene eine Lichttherapie erhalten. Ein Zusammenhang zwischen Phototherapie und Naevuszahl fand sich nicht. Die Naevuszahl war abhängig vom Hauttyp und korrelierte mit anamnestischen Angaben zu Sonnenbrand im Kleinkindesalter. Andere Ergebnisse lieferte eine Zwillingsstudie [13], bei der jeweils nur einer von 59 Zwillingspaaren als Neugeborene eine Phototherapie (neonatal blue light phototherapy, NBLP) aufgrund einer Hyperbilirubinämie erhalten hatte, der andere nicht. Im Alter von 3 bis 30 Jahren erfolgten dermatologische, ophthalmologische und molekulargenetische Untersuchungen (Polymorphismen des MC1R- und des HAL-Gens). Bei den NBLP-behandelten Zwillingen zeigte sich eine signifikant erhöhte Prävalenz kutaner und uvealer melanozytärer Naevi. Eine Korrelation mit den genannten genetischen Polymorphismen wurde nicht festgestellt. In einer großen retrospektiven Kohortenstudie untersuchten Brewster et al. [14] 77.518 Personen, von denen 5.868 vor durchschnittlich 24 Jahren als Neugeborene eine Phototherapie erhalten hatten. Dabei fand sich keine erhöhte Rate von Melanomen. Karzinome wurden nicht nachgewiesen, waren in Anbetracht der dafür unzureichenden Nachbeobachtungszeit aber auch (noch) nicht zu erwarten gewesen. Da die UV-Exposition eine entscheidende Rolle für die Entstehung melanozytärer Naevi darstellt, könnten sie durch konsequenten UV-Schutz verhindert bzw. in ihrer Zahl vermindert werden. Zu dieser Frage führten De Maleissye et al. [11] eine Metaanalyse durch. Die vorliegenden 15 Artikel (mit insgesamt 20.743 Kindern) waren jedoch methodisch sehr heterogen, so dass die Daten nicht „gepoolt“ werden konnten. Die Studienergebnisse zeigten kein homogenes Bild hinsichtlich eines protektiven Effektes konsequenter Sonnenschutzmaßnahmen; in 8/15 Studien wurde eine Zunahme der Naevus-Zahl bei Kindern berichtet, die Lichtschutzcremes anwenden, bei 3 Studien war die Naevus-Zahl geringer. Ein regelmäßiger UV-Schutz durch tägliche Anwendung von Sonnenschutzcreme scheint der nur „bedarfsweisen“, unregelmäßigen Applikation überlegen zu sein. Im Jahre 1992 wurden 1.621 Erwachsene in Queensland/Australien einer randomisierten Studie unterzogen, bei der beide Applikationsformen verglichen wurden. Bei der Nachuntersuchung 2006 [15] waren in der Gruppe mit regelmäßigem UV-Schutz 11, in der Kontrollgruppe 22 Melanomfälle aufgetreten (p=0.051); besonders deutlich war die Reduktion der Fälle invasiver Melanome (3 vs. 11 Fälle, p<0.05). Einen besonderen Risikofaktor für intensive und frühzeitige UV-Schädigung stellt der Hauttyp I („keltischer“ Hauttyp mit heller Haut, rotblondem Haar, blauen Augen, Sommersprossen und zahlreichen Naevi) dar. Bereits bei 12-jährigen mit diesen Risikofaktoren, die identisch sind mit denen für das Maligne Melanom, lassen sich mittels Ultraviolett-Photographien und polarisierendem Licht UV-induzierte Lichtschäden nachweisen [16]. Leider sind auch unter den Benutzern von Solarien Menschen mit sehr hellem Hauttyp zu finden: In einer Studie zur Frage, wer Solarien aufsucht (n=4.851 Probanden im Alter von 14–45 Jahren) wiesen 5,2 bzw. 8,9 % der Benutzer einen Hauttyp I bzw. II auf [17]. Leider wird die für eine UV-Protektion erforderliche Menge an Sonnenschutzcreme häufig unterschritten. Statt einer Applikationsdichte von 2 mg/cm², wie sie der Errechnung des Lichtschutzfaktors (LSF) zugrunde liegt, wird oftmals deutlich weniger (0,5–1 mg/cm²) aufgetragen. Damit sinkt der tatsächlich wirksame Sonnenschutz auf 25–50% des angegebenen Schutzfaktors. Ou-Yang et al. [18] untersuchten, ob diesem Wirkungsverlust durch Erhöhung des Sonnenschutzfaktors begegnet werden kann. In der Tat konnten sie zeigen, dass bei Applikationsmengen von 0,5 mg/cm², wie sie im Alltagsgebrauch realistisch sind, Produkte mit einem LSF von 70 noch einen Schutzfaktor von 10, solche mit einem LSF von 100 einen Schutzfaktor von 27 erreichen. Mit den handelsüblichen LSF von 30 oder 50 war hingegen kein ausreichender Lichtschutz mehr zu erreichen. Vitamin D und Hautkrebs Der Zusammenhang von Vitamin D mit Hautkrebs ist komplex. 1,25(OH)2D3 führt in vitro zu einer Wachstumshemmung und Induktion der Apoptose in Melanomzellen und hat dadurch das Potential, die Inzidenz des Melanoms zu senken [19]. Scheinbar paradoxerweise erhöht moderate UV-Exposition die Überlebensrate von Melanompatienten [17, 20]. In einer prospektiven Studie untersuchten Afzal et al. [21] die Vitamin-D-Spiegel bei 10.060 unselektierten Erwachsenen in Dänemark. Bei der Nachuntersuchung nach bis zu 28 Jahren fand sich bei 78 ein Melanom, bei 590 Personen ein anderer Hauttumor (Basaliom, Spinaliom). Dabei zeigte sich ein erhöhtes Hautkrebsrisiko bei Personen mit hohem (≥ 50 nmol/l) vs. niedrigem <25 nmol/l) Vitamin D-Spiegel (Relatives Risiko [RR] für Basaliom/Spinaliom: 5,04, Konfidenzintervall [CI] 2.78-9.16; für Melanome: RR: 4,02, CI 0,96–23,3). In einer gleichfalls prospektiven Studie über 11 Jahre wurde das Hautkrebsrisiko in Bezug auf den Vitamin-D-Serumspiegel an 1.191 Erwachsenen in Australien untersucht [22]. Hier zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Basaliom (RR 1,51, CI 1,1–2,7, p=0.01) und Melanom (RR 2,71, CI 0,98–7,45, p=0.05) bei Personen mit Vitamin-D-Spiegeln >75 nmol/l im Vergleich zu denen <75 nmol/l, während das Risiko für Spinaliome bei Menschen mit hohen Vitamin-D-Spiegeln vermindert war (RR 0,67, CI 0,44–1,03, p=0.07). Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass eine verstärkte Sonnenexposition zum Zwecke der Erreichung hoher Vitamin-D-Spiegel nicht empfehlenswert ist. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass weder für die UV-Dosis noch für die Vitamin-D-Spiegel eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht; frühere Studien (mit anders zusammengesetzten Kollektiven und meist kürzeren Nachuntersuchungsintervallen) hatten heterogene Befunde ergeben (Zusammenstellung bei [23]). Vitamin D und chronisch-entzündliche Hauterkrankungen Die Interaktionen von Vitamin D mit dem Immunsystem sind komplex. Schon lange ist bekannt, dass ein nutritiver Vitamin-D-Mangel das Risiko für Infektionen erhöht. In einer prospektiven, randomisierten, plazebokontrollierten Studie bei 274 Schulkindern in Japan [24] war die Rate der Influenza-A-Infektionen bei Kindern, die 1200 IU Vitamin D/Tag erhielten, mit 10,8% nur fast halb so hoch wie in der unbehandelten Gruppe (18,6%). UVB-Licht induziert regulatorische T-Zellen und kann dadurch überstarke systemische Immunreaktionen dämpfen [25]. In einer Querschnittuntersuchung über ein Jahr wurden bei 145 Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis, 112 Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) und 141 gesunden Kontrollpersonen Vitamin-D-, Calcium- und Parathormon (PTH)-Spiegel geprüft [26]. Bei 57,8% der Psoriasis-Patienten bestand ein Vitamin-D-Mangel (<20ng/ml), im Vergleich zu 37,5 % der RA-Patienten und 29,7 % der gesunden Kontrollen (p<0.001). Im Winter war dieser Unterschied noch deutlicher: 80,9 vs. 41,3 vs. 30,3% (p<0.001). Die Vitamin-D-Spiegel unterschieden sich bei Patienten mit Psoriasis bzw. Psoriasis-Arthritis nicht. Bei der logistischen Regressionsanalyse war der Vitamin-D-Mangel der Psoriasis-Patienten unabhängig von Alter, Geschlecht, BMI, Calcium- oder PTH-Spiegel bzw. Jahreszeit. In einer Fall-Kontroll-Studie mit je 43 Psoriasispatienten und Kontrollpersonen [27] in Spanien waren die Vitamin-D-Spiegel bei Psoriasis-Patienten signifikant vermindert (multivariate Analyse, OR 2,89, CI 1,02–7,64, p 27). Eine Untersuchung bei 302 Patienten mit Psoriasis-Arthritis [28] zeigte bei >50 % eine jahreszeitunabhängige Verminderung der Vitamin-D-Spiegel; eine Assoziation zur Krankheitsaktivität bestand allerdings nicht. Seit langem ist die therapeutische Wirksamkeit der Bestrahlung mit UVB-Licht (speziell Schmalspektrum-UVB305nm) bei Psoriasis bekannt. Er wurde bisher vornehmlich auf einen entzündungshemmenden Effekt des UVB zurückgeführt (Verdrängung von Langerhanszellen, Minderung der Proliferation von Keratinozyten). Ryan et al. [29] prüften in einer prospektiven Studie mit 60 Psoriasis-Patienten, ob ein Zusammenhang zwischen dem therapeutischem Effekt von UVB305nm (3x/Woche) und dem Vitamin-D-Spiegel bestand. Die Hälfte der Patienten erhielt keine Lichttherapie und diente als Kontrollen. Die Behandlung erfolgte in den Wintermonaten in Irland, so dass eine spontane Vitamin-D-Produktion ausgeschlossen werden konnte. Die Behandlung erfolgte bis zur kompletten Rückbildung der Hautläsionen (im Mittel 18 Behandlungen). Unter der UVB-Behandlung stiegen die Vitamin-D-Level signifikant (p<0.001) von im Median 23 (Range: 9–46) ng/ml auf 51 (32–112) ng/ml, während sie bei der Kontrollgruppe unverändert blieben. Der Anstieg war proportional zur Anzahl der Bestrahlungen (r = 0,61; p<0.001) und zur kumulativen UVB-Dosis (r=0,47; p=0.01). Am Ende der Behandlung befanden sich die Vitamin-D-Spiegel aller UVB-bestrahlten Patienten im Normbereich, während 75 % der Kontrollgruppe einen Vitamin-D-Mangel aufwies (<20 ng/ml). Bei Patienten mit Atopischem Ekzem (AE) wurden ähnliche Befunde erhoben: Peroni et al. [30] fanden bei 37 Kindern (Alter: 8 Monate–12 Jahre) eine inverse Korrelation zwischen Vitamin-D-Spiegeln und Schweregrad des Ekzems. Kinder mit leichtem AE hatten signifikant höhere Vitamin-D-Spiegel (36,9 ± 15,7 ng/ml) im Vergleich zu Kindern mit schwerem AE (20,5 ± 5,9 ng/ml, p<0.05). Ähnlich der Psoriasis zeigt sich auch bei Patienten mit AE ein positiver Effekt der UV-Exposition auf den Schweregrad der Erkrankung und den Vitamin-D-Spiegel. Vähävihu et al. [31] untersuchten den Effekt eines zweiwöchigen Aufenthaltes von 27 erwachsenen AE-Patienten aus Finnland auf den kanarischen Inseln. Sie bestimmten die tägliche UV-Exposition in Form individueller Erythem-Dosen. Vitamin-D-Spiegel wurden während der Heliotherapie und bei einer Nachuntersuchung nach 1–2 Monaten untersucht und mit dem SCORAD korreliert. Vor Therapiebeginn bestand bei 17/27 (63%) der Patienten ein Vitamin-D-Mangel (< 50 nmol/l). Während der 2-wöchigen Heliotherapie kam es zu einem signifikanten Anstieg der Vitamin-D-Spiegel bei gleichzeitigem Abfall des SCORAD um 70–75%. Fazit In nördlichen Breitengraden ist ein Vitamin-D-Mangel insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten in allen Altersgruppen weit verbreitet. Aufgrund der Bedeutung von Vitamin D für Stoffwechsel und Immunsystem sollte die Vitamin-D-Substitution daher auch jenseits des Säuglingsalters erwogen werden. Die direkte UV-Exposition in den Sommermonaten stellt eine wirksame Methode zur Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels dar, ist aber aufgrund der Nebenwirkungen einer akuten und chronischen UV-Überdosierung (Sonnenbrand, Hautalterung, Hautkrebsentstehung) nicht unkritisch zu befürworten. Die UV-Exposition muss dosiert und individualisiert erfolgen. Dabei sind Hauttyp, Tageszeit, Breitengrad, Höhe ü. M. und Bewölkungsstand zu berücksichtigen. Hilfreich ist die Berechnung des jeweiligen UV-Index’. Jenseits der Pubertät stellt die UV-Therapie ein wichtiges Instrument in der Behandlung chronisch-entzündlicher Hauterkrankungen dar. Veranstaltungshinweis: Pädiatrie Update 2015 Das 8. Pädiatrie-Update-Seminar wird am 6./7. März 2015 in Mainz und am 20./21. März in Berlin stattfinden. Weitere Informationen unter www.paediatrie-update.com Der Beitrag stammt aus dem Handbuch Pädiatrie-Update 2013 des 6. Pädiatrie-Update Seminars 2013 der med update GmbH. Literatur 1. Stern RS et al (1986) Arch Dermatol 122:537–545 2. Taylor CR (1990) J Am Acad Dermatol 22:1–15 3. Maronn ML (2011) Pediatric Dermatology. Philadelphia: MosbyElsevier, 4th edition 2011; pp. 115-210 4. Godard (2011) Dermatoendocrinol. 2011; 3: 243–250 5. Muehleisen et al (2013) J Allergy Clin Immunol 131: 324–329 6. Bauer J et al (2005) Int J Cancer 2005; 115: 121–126 7. Milne E et al (2008) Melanoma Res 18:22–28 8. Gandini S et al (2005) Eur J Cancer 41:28–44 9. Gandini S et al (2005) Eur J Cancer 41:45–60 10. 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