Kostet Leben: Langwieriger Weg bis zur Krebsdiagnose

Bei Mädchen und jungen Frauen vergeht vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnose einer Krebserkrankung offenbar mehr Zeit als bei männlichen Patienten. Besonders spät werden allgemein Melanome, Lymphome und Knochentumoren diagnostiziert – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Mit der frühen Entdeckung eines Tumors steigen die Chancen des Patienten auf vollständige Heilung. Die meisten Krebserkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden allerdings erst nach dem Auftreten von Symptomen diagnostiziert. Es gibt Hinweise darauf, dass in dieser Altersgruppe mehr Zeit bis zur endgültigen Diagnosestellung vergeht als bei Kindern und älteren Erwachsenen. Erste Anlaufstelle für die Patienten ist in der Regel der Allgemeinarzt oder Pädiater. Anni Herbert vom University College London und Kollegen haben jetzt die diagnostische Zeitachse in einer Patientenkohorte zurückverfolgt. In ihrer Querschnittsanalyse untersuchten sie die Daten der BRIGHTLIGHT-Kohorte. Dabei berücksichtigten die Studienautoren Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 24 Jahren, bei denen vor weniger als sechs Monaten in einer von 96 englischen Kliniken eine Krebsdiagnose gestellt worden war. Die 830 Studienteilnehmer hatten in persönlichen Interviews u. a. Auskunft über den Verlauf ihrer Krankheit sowie den zeitlichen Ablauf der Diagnostik gegeben. Weitere Informationen lieferten Arztdokumente und das nationale Krebsregister. Herbert und Kollegen ermittelten jeweils die Dauer vom ersten Auftreten der Symptome bis zur Erstvorstellung bei einem Allgemeinarzt oder in einer Notfalleinrichtung. Außerdem wurden die Zahl der Arztbesuche sowie die Zeit vom Symptombeginn bis zur Diagnosestellung analysiert. Am schnellsten war eine Leukämie diagnostiziert Bei 27% der Krebspatienten verging mehr als ein Monat bis zum ersten Arztbesuch. 35% derer, die sich zunächst an einen Allgemeinmediziner gewandt hatten, besuchten diesen mindestens dreimal, bis sie an einen Spezialisten zur Abklärung überwiesen wurden. Im Mittel dauerte es 62 Tage, bis nach Beginn der ersten Symptome die Diagnose stand. Besonders oft waren im Vorfeld einer Diagnose die Mädchen und jungen Frauen beim Allgemeinarzt gewesen (≥ drei Konsultationen: adjustierte Odds Ratio vs. männliche Patienten, aOR 1,6). Bei ihnen vergingen im Mittel 24 Tage mehr als bei den männlichen Patienten, bis nach den ersten Symptomen die endgültige Diagnose gestellt wurde. Empfehlung der Redaktion 2014 | Buch Pädiatrische Differenzialdiagnostik Wie erlange ich diagnostische Gewissheit? Spüren Sie die klinischen Symptome zielsicher auf und sichern Sie Ihre Diagnose ab: Nach Funktionssystemen gegliedert bietet das Nachschlagewerk praktische Hilfe zur Abklärung von über 70 häufigen Krankheitssymptomen im Kindes- und Jugendalter. Wie rasch die Brisanz der Lage von dem zuerst kontaktierten Arzt der Primärversorgung erkannt wurde, hing stark von der Art des Tumors ab. Patienten mit Knochentumoren etwa besuchten ihren Hausarzt bis zur Überweisung an den Spezialisten häufiger als Lymphompatienten (≥ drei Besuche: aOR 1,2). Am schnellsten überwiesen die Erstkontaktierten beispielsweise Patienten mit Melanomen (aOR 0,2) oder Keimzelltumoren (aOR 0,3). Dafür verging bei Melanompatienten aber fast dreimal so häufig wie beim Lymphom mehr als ein Monat, bis diese erstmals den Weg zum Arzt fanden (OR 2,8). Die insgesamt längste Zeitspanne vom Symptombeginn bis zur Diagnose ergab sich nach Berücksichtigung verschiedener Störfaktoren für die Knochentumoren (51 Tage mehr als beim Lymphom). Am schnellsten wurde dagegen, dank der meist eindeutigeren Symptome, eine Leukämie diagnostiziert (durchschnittlich 33 Tage früher als ein Lymphom). Die Studie mache Unterschiede in der diagnostischen Zeitschiene bei der Krebsdiagnostik junger Patienten deutlich und weise damit auf höhere Risiken durch Zeitverluste bei bestimmten Tumorarten hin, so Herbert und Kollegen. In weiteren Studien müsse nun nach den genauen Gründen für diese Befunde gesucht werden, um Strategien für eine schnellere Diagnose zu entwickeln. Besonders wichtig sei dies der Studie zufolge für Mädchen sowie bei Symptomen, die auf ein Melanom, ein Lymphom oder einen Knochentumor hinweisen könnten. Wichtig sei es auch, so die Studienautoren, Strategien zu entwickeln, um gezielt junge Leute verstärkt über Risiken und Symptome von Melanomen aufzuklären, damit sie früher einen Arzt aufsuchten. Aber auch bei der ärztlichen Diagnostik in der Primärversorgung sahen sie Schwachpunkte: So würden Symptome bei jungen Menschen möglicherweise zunächst anderen Ursachen, wie etwa muskuloskelettalen (z. B. sportbedingten) oder gynäkologischen Problemen zugeschrieben, so Herbert und Kollegen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie viel Zeit vergeht bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen von den ersten Symptomen einer Krebserkrankung bis zur Diagnose? Antwort: Es zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Krebserkrankungen; besonders lang dauert es bei Melanomen, Lymphomen und Knochentumoren. Bedeutung: Die Früherkennung von Krebserkrankungen bei jungen Menschen muss besser werden. Einschränkung: Geschlechtsspezifische Unterschiede bei einzelnen Tumoren wurden nicht berücksichtigt.

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