Fast 16 Prozent der medizinischen Notfälle in Flugzeugen betreffen Kinder, so das Ergebnis einer US-Studie. Oft seien Fluggesellschaften aber nur unzureichend darauf vorbereitet, warnen die Forscher.
Für Kinder, die während eines Fluges krank werden, gibt es manchmal nur eine begrenzte Versorgung. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Duke Universität, die Daten US-amerikanischer Flüge ausgewertet hatten. Erste-Hilfe-Sets an Bord seien nicht immer für die notwendigen Behandlungen für den Nachwuchs ausgelegt, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Annals of Emergency Medicine“ (2019; online 25. Juli).
„In fast 16 Prozent der medizinischen Notfälle in Flugzeugen sind Kinder betroffen, damit sind das keine seltenen Zwischenfälle“, sagt Erstautor Dr. Alexandre Rotta von der Duke Universität.
„Unsere beste Schätzung ist, dass medizinische Ereignisse während des Fluges in ungefähr einem von 300 Flügen stattfinden und solche, an denen Kinder beteiligt sind, in ungefähr 1 von 2000 Flügen“, so Rotta. Anders ausgedrückt gibt es ungefähr 23 pädiatrische medizinische Vorfälle während des Fluges für jede Million beförderte Kinderpassagiere.
Arzneien in Erste-Hilfe-Boxen oft nicht für Kinder geeignet
In den meisten Fällen musste der Studie zufolge das Kabinenpersonal einschreiten, wenn die Eltern die Medikamente ihres Kindes nicht selbst dabei hatten. Aber auch die Medikamente in den Erste-Hilfe-Boxen der Fluggesellschaften seien nicht immer für Kinder geeignet.
„Sowohl Fluggesellschaften als auch Eltern sollten sich der häufigsten Krankheiten bewusst sein und darauf vorbereitet sein, mit ihnen umzugehen“, fordert Rotta. An Bord sollte es zudem Informationsmaterial geben, das die benötigte Medikamentenmenge für das jeweilige Gewicht der Kinder angibt.
Gleiche gesundheitliche Probleme wie auf dem Boden
In der Luft haben die kleinen Patienten den Autoren der Studie nach mit den gleichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen wie auch zu Land. Am häufigsten seien Übelkeit oder Erbrechen (33,9 Prozent), Fieber oder Schüttelfrost (22,2 Prozent), akute allergische Reaktionen (5,5 Prozent), Bauchschmerzen (4,7 Prozent) und Magen-Darm-Verstimmungen (4,5 Prozent).
Das bestätigt auch Dr. Michael Sroka, Leiter der Notfallambulanz am Flughafen Frankfurt. „Typisch sind Atemwegsinfekte, Übelkeit, Erbrechen und allgemeine Reisekrankheit“, sagt der Mediziner. Hinzu kämen Unfälle des täglichen Lebens, zum Beispiel beim Spielen und Tollen.
Die Notfallambulanz am Flughafen Frankfurt sowie der Rettungs- und Notarztdienst der Fraport AG versorgen jährlich rund 30.000 Reisende mit gesundheitliche Problemen. „Gelegentlich sind davon natürlich auch Kinder betroffen“, sagt Sroka.
Nach Einschätzungen des Arztes gibt es aber keine größeren Probleme: „Unserer Wahrnehmung nach sind die meisten Eltern bei Reisen mit Kindern entsprechend gut vorbereitet“, berichtet Sroka. Zunehmend stellten sich Familien auch vor der Reise in der Reisemedizin vor.
Notfälle mit Kindern werden bei Schulungen berücksichtigt
Das Kabinenpersonal der Lufthansa wird nach Angaben der Fluggesellschaft in Erster Hilfe für die an Bord zu erwartenden Notfälle ausgebildet und jährlich nachgeschult. Auch die Simulation von Notfällen an Bord mit Kindern gehöre zum Standard der Schulungen und Auffrischer. Zur Behandlung stehe an Bord eine umfangreiche Ausrüstung, bestehend aus Notarztkoffer, Defibrillator und mehreren Erste-Hilfe-Koffern zur Verfügung. Diverse Medikamente flögen immer mit.
Rund 83 Prozent, und damit die meisten medizinischen Notfälle konnten den Autoren um Rotta zufolge während des Flugs gelöst werden. Bei 16,5 Prozent war eine Behandlung nach der Landung erforderlich und in 0,5 Prozent der Fälle führte der Notfall zu einer Umleitung der Flugzeuge.
Die Forscher haben 75.587 Vorfälle in dem Zeitraum von Januar 2015 bis Oktober 2016 ausgewertet, die in dem weltweit am stärksten frequentierten medizinischen Support-Center in den USA eingegangen sind. Das Zentrum hat in dem Zeitraum Notrufe von 77 Fluggesellschaften aus sechs Kontinenten angenommen. Diese machten rund 35 Prozent des kommerziellen Personenluftverkehrs weltweit aus. In rund 11.200 der Fälle waren Kinder unter 19 Jahren betroffen.
Quelle: Ärzte Zeitung