Trauma-Score übersieht Sturzfolgen bei Babys

Ein niedriges Risiko im PECARN-Score heißt bei Säuglingen unter drei Monaten nicht unbedingt, dass man ein Schädel-Hirn-Trauma ausschließen kann. US-Ärzte raten, in dieser Altersgruppe auch bei fehlenden Symptomen wachsam zu sein. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Auch ein „kleiner“ Unfall wie ein Sturz von der Wickelkommode kann bei Kleinkindern und Säuglingen unter Umständen eine relevante Hirnverletzung nach sich ziehen. Das Problem dabei: Die klinischen Symptome müssen nicht immer ausgeprägt sein, sodass ein potenziell bedrohlicher Zustand dem Arzt bei der körperlichen Untersuchung durchaus entgehen kann. CT-Untersuchungen sind in diesem Alter wegen der hohen Vulnerabilität gegenüber Röntgenstrahlung relativ problematisch. Aus diesem Grund hat man Vorhersage-Tools entwickelt, die nach einem minderschweren Kopftrauma dabei helfen sollen, das Risiko eines relevanten Hirnschadens und die Notwendigkeit einer CT einzuschätzen. „Low Risk“ im PECARN-Score … Ein solches Instrument ist der PECARN-Score, entwickelt vom Pediatric Emergency Care Applied Research Network. Die hier zusammengefassten Kriterien für ein geringes Risiko (Low-Risk-Kriterien, Infobox) wurden allerdings pauschal für Kinder unter zwei Jahren ermittelt. Ob sie auch für die besonders vulnerable Gruppe der Neugeborenen und sehr jungen Säuglinge zutreffen, ließ sich bislang nicht sagen. Infobox: Laut PECARN ist das Risiko eines klinisch relevanten Schädel-Hirn-Traumas bei Kindern unter zwei Jahren als gering anzusehen, wenn folgende Kriterien nicht zutreffen: Wert auf der Glasgow-Coma-Skala < 15, weitere Anzeichen für einen veränderten Mentalstatus, palpierbare Schädelfraktur, Hämatom der Kopfhaut, Bewusstseinsverlust ≥ 5 Sekunden, anormales Verhalten nach Auskunft der Eltern, Unfallmechanismus entspricht einer schweren Verletzung (z. B. Sturz aus mehr als einem Meter Höhe). Forscher der Columbia University in New York haben daher die frei verfügbaren Daten aus der ursprünglichen PECARN-Studie erneut ausgewertet, und zwar speziell für 1081 Kinder, die im Alter von weniger als drei Monaten einen minderschweren Unfall mit stumpfem Kopftrauma erlitten hatten. Die Werte auf der Glasgow-Coma-Skala mussten 14 oder 15 betragen. Der Unfallmechanismus war in knapp 70% ein Sturz, in 59% wurde ein CT-Scan angefertigt. Wie zu erwarten, war die Rate an Schädel-Hirn-Traumata (SHT) bei Kindern, welche die Low-Risk-Kriterien nicht erfüllten, mit 21% relativ hoch. Eine Schädelfraktur lag bei 28% der Kinder dieser Gruppe vor. … und trotzdem relevantes Hirntrauma Die Kriterien für ein niedriges Risiko laut PECARN erfüllten 514 Säuglinge. In immerhin zehn Fällen (5%) zeigte das CT dennoch Hinweise für ein SHT. Die Frakturrate betrug ebenfalls 5%. Das Team um Dr. Zaynah Abid benennt den Sturz aus geringer Höhe (< 1 m) als häufigsten Unfallmechanismus bei den zehn Säuglingen mit SHT trotz PECARN-Low-Risk-Kategorie. Wie Abid und sein Team betonen, zeigten neun dieser Kinder nicht einmal ein Kopfhauthämatom. Vier waren sogar vollkommen asymptomatisch, das heißt, außer den fehlenden PECARN-Kriterien mussten sie z. B. auch nicht erbrechen und wiesen bei entsprechender Untersuchung keine neurologischen Defizite auf. Acht der betroffenen Kinder waren beim Unfall weniger als zwei Monate alt gewesen. Die häufigsten Symptome nach dem Kopfhauthämatom waren Abschürfungen oder Hämatome über dem Schlüsselbein. Bei Säuglingen unter drei Monaten besonders wachsam sein! Laut Abid und Kollegen weisen die PECARN-Kriterien zwar prinzipiell eine hohe Sensitivität auf, wenn es darum geht, Kinder mit niedrigem Risiko für ein SHT zu identifizieren. Eine SHT-Rate von 5% im CT bei unter drei Monate alten Säuglingen, welche die PECARN-Kriterien erfüllten, spreche jedoch dafür, in dieser Gruppe „die Schwelle für eine CT-Untersuchung niedrig zu halten“. In der vorliegenden Studie hätten einige Kinder sogar einen „bedeutsamen“ Befund im CT gehabt, obwohl keine oder nur gering ausgeprägte Symptome vorgelegen hätten. Die Studie habe außerdem gezeigt, dass auch ein Kopfhauthämatom bei der Einschätzung des Schweregrads der Verletzung nicht unbedingt weiterhelfe. Insgesamt, so das Fazit der Autoren, seien Säuglinge unter drei Monaten im Hinblick auf ein SHT wohl mehr gefährdet als ältere Kinder. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Säuglinge unter drei Monaten nach einer stumpfen Kopfverletzung ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) im CT aufweisen, obwohl sie sich laut PECARN-Kriterien in der Niedrig-Risiko-Kategorie befinden? Antwort: Das SHT-Risiko lag in der Low-Risk-Kategorie bei rund 5%. Bedeutung: Bei Säuglingen ist offenbar höhere Wachsamkeit angebracht als bei älteren Kindern. Einschränkung: Details zum Unfallmechanismus fehlen; PECARN-Kriterien nicht auf Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch („Schütteltrauma“) anwendbar; Entscheidung, eine CT durchzuführen, hing vom behandelnden Arzt ab.

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