Lernziele
Nach Lektüre dieses Beitrags
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kennen Sie die Definition von palliativer Sedierung und können unterschiedliche Formen der palliativen Sedierung unterscheiden.
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wissen Sie, welche ethischen Fragen im Rahmen der palliativen Sedierung diskutiert werden.
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wissen Sie, wie der Entscheidungsprozess zur Durchführung einer palliativen Sedierung gestaltet werden sollte.
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kennen Sie den empfohlenen stufenweisen pharmakologischen Ansatz zur Durchführung der palliativen Sedierung.
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sind Ihnen Kriterien zum Monitoring während der palliativen Sedierung vertraut.
Einleitung
Menschen sind am Ende ihres Lebens häufig mit körperlicher, psychischer, sozialer und existenzieller Not konfrontiert [
1]. Die Aufgabe der Palliativmedizin besteht in der umfassenden Versorgung dieser Menschen; Ziel ist die Verbesserung der
Lebensqualität sowohl der Patienten als auch ihrer An- und Zugehörigen [
2]. Trotz bestmöglicher palliativmedizinischer Versorgung liegt bei einigen Patienten schweres körperliches, psychisches oder existenzielles Leid vor, bei dem konventionelle Behandlungsoptionen versagen. In diesen Fällen
refraktären Leids kann die gezielte Reduzierung des
Bewusstseins (palliative Sedierung [PS]) angezeigt sein. Die Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin (European Association for Palliative Care [EAPC]) veröffentlichte 2009 ein
Rahmenwerk zur Information und zur Entwicklung lokaler Verfahrensrichtlinien für PS, das im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts PallSed (
https://www.palliativesedation.eu) 2023 aktualisiert wurde [
3,
4] Nahezu parallel zu diesem Forschungsprojekt führte die Forschungsgruppe von Ostgathe et al. (
https://www.palliativmedizin.uk-erlangen.de/forschung) in Deutschland ein Projekt auf nationaler Ebene zum Thema „Von der Anxiolyse zur tiefen und kontinuierlichen Sedierung“ durch und veröffentlichte hierzu Empfehlungen [
5]. Beide Studien folgten einem Mixed-methods-Ansatz. Die aus ihnen resultierenden Empfehlungen sind jeweils in Delphi-Verfahren mit Experten konsentiert worden. Für die EAPC-Empfehlungen wurden insgesamt 91 Teilnehmer aus 28 Ländern in den Konsensprozess eingebunden. Mehrere systematische Literaturübersichten wurden zeitgleich erstellt, deren Ergebnisse in die Formulierung der Empfehlungen eingeflossen sind [
6,
7,
8,
9]. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, diese Empfehlungen zusammenzufassen.
Definition
Die PS wird in den neuen Empfehlungen der EAPC definiert „als eine Sedierung, die auf Linderung von refraktärem Leid durch die überwachte proportionale Gabe von Medikamenten zur Bewusstseinsreduktion bei Patienten mit lebenslimitierenden Erkrankungen zielt. Sie hat soziale und ethische Implikationen, die besondere Berücksichtigung bei Patienten, An- und Zugehörigen sowie Behandelnden erfordern“ [
4].
Die SedPall-Gruppe verwendet den Begriff der „gezielten Sedierung“ anstelle von „palliativer Sedierung“. Die
gezielte Sedierung wird als eine Sedierung definiert, die die Folge einer medizinischen Intervention ist und nicht eine Nebenwirkung eines Medikaments oder Teil des natürlichen Sterbeprozesses. Die Fragen der guten Praxis, beispielsweise Indikation und Voraussetzungen für die Sedierung, wurden aus der Grundterminologie ausgeklammert, damit die Definition dieser Praxis nicht von einer Institution zur anderen oder von einem Land zum anderen aufgrund von unterschiedlichen Regeln der guten Praxis variiert [
10].
Indikation: das Prinzip der Refraktärität des Leids
Eine der Voraussetzungen für die Indikationsstellung einer PS ist das Vorliegen refraktären Leids. Unter refraktärem Leid versteht man ein Leid, das vom Patienten als unerträglich empfunden wird und das mit konventionellen Methoden nicht behandelt werden kann, weil diese bereits ausgeschöpft wurden, die unerwünschten Wirkungen zu stark sind oder der Zeitraum bis zur Erreichung der Symptomkontrolle unzumutbar lang wäre.
Die in der Literatur am häufigsten genannten körperlichen Symptome sind Delirium, Atemnot und Schmerzen, aber auch Notfallsituationen in der Sterbephase wie massive Blutungen, Asphyxie, schwere terminale Dyspnoe oder überwältigende Schmerzattacken [
6]. Arantzamendi et al. [
6] zeigen in ihrer Übersichtsarbeit, dass in 60–90 % der beschriebenen Fälle die Indikation nicht ein Symptom betraf, sondern ein Cluster von ein bis drei Symptomen, deren Kombination zu einer Situation führte, die der Patient als unerträglich empfand. In 10–48 % der Fälle gehörte zu diesem
Symptomcluster auch psychisches und/oder
existenzielles Leid. Gabl et al. [
11] beschreiben existenzielles Leid als „Oberbegriff für die gesamte Erfahrung des Leids, das durch den Verlust der Verbindung zu den Werten, die dem Leben zugrunde liegen, verursacht wird“, und unterteilen dieses in zwei Kategorien: „(1) existenziellen ‚distress‘, der das Elend von Patienten und Angehörigen, die existenziell leiden, beschreibt, während sie noch einen Sinn im Leben sehen, und (2) existenzielle Verzweiflung, die das unerträgliche Leid an einer erfahrenen Kombination aus Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit beschreibt, in der ein existenzielles Vakuum zu spüren ist“. Nur in seltenen Fällen wurde psychisches und/oder existenzielles Leid als einzige Indikation für eine Sedierung angegeben [
6].
Cassell [
12] vertritt die Auffassung, dass eine Person, die leidet, immer in allen Dimensionen betroffen ist, die ihr Wesen ausmachen (physisch, psychisch, sozial, existenziell, spirituell). Daher empfiehlt es sich beim Assessment, nicht nur die Symptome selbst, sondern auch ihre psychischen und sogar existenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Der Begriff Leid wurde in den neuen Empfehlungen der EAPC bewusst verwendet, um diese holistische Herangehensweise zu reflektieren und dabei nicht nur die physischen und psychologischen Symptome, sondern auch das existenzielle Leid zu berücksichtigen [
4]. Bozzaro et al. [
13] weisen jedoch auf die Herausforderungen hin, die dieses Konzept des Leids im Rahmen des Entscheidungsprozesses für eine PS mit sich bringe, da die Beurteilung des refraktären Charakters existenziellen Leids weitaus komplexer sei. Dies liegt an seiner
fluktuierenden Natur und an der Tatsache, dass es durch medizinische oder psychosoziale Maßnahmen, durch die Resilienz des Patienten, aber auch durch das Mitgefühl und die Fürsorge von Angehörigen und Betreuern gelindert werden kann [
5]. Gabl et al. [
11] betonen zudem die Notwendigkeit der Einbeziehung von Behandlungsteams, die im Umgang mit dieser Art von Leid geschult sind. In Fällen, in denen psychisches und/oder existenzielles Leid die Hauptindikation für eine PS ist, sind daher
besondere Vorsichtsmaßnahmen zu empfehlen wie ein umfassendes Assessment durch Palliativmediziner und/oder Mitarbeitende mit Expertise in Psychologie, sozialer Arbeit oder Spiritualität. Bei den Patienten sollte dann zunächst eine
intermittierende Sedierung durchgeführt werden, da manchmal allein die Unterbrechung einer belastenden Situation zu einer ausreichenden Erleichterung des existenziellen Leids führen kann. Stellt sich die Frage nach der Anwendung einer tiefen und kontinuierlichen Sedierung, wird empfohlen, eine
ethische Beratung bzw. ethische Fallbesprechung in Anspruch zu nehmen [
4,
5].
Grundsätzlich und unabhängig von der Natur des Leids wird die Konsultation eines spezialisierten Palliativteams oder anderer medizinischer Fachkräfte dringend empfohlen, um die Unbehandelbarkeit des Leids festzustellen.
Entscheidungsprozess
Ethische Überlegungen
Die Anwendung einer PS muss sorgfältig abgewogen werden. Der Verlust bzw. die Einschränkung der
Interaktionsfähigkeit, die für die meisten Patienten auch in weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität ist, sollte ausführlich mit dem Patienten und seinen Zugehörigen besprochen werden [
14].
Bedenken wegen einer
Lebensverkürzung durch PS sollten ebenfalls thematisiert werden. Gemäß einigen Studien scheint eine tiefe und kontinuierliche PS, wenn sie indiziert ist und richtig eingesetzt wird, keine nachteiligen Auswirkungen auf das Überleben von Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung zu haben; im Rahmen der Stressreduktion durch die Sedierung wird sie manchmal sogar mit einem längeren Überleben in Verbindung gebracht [
15,
16]. Dennoch kann ein geringes individuelles Risiko der Lebensverkürzung nicht völlig ausgeschlossen werden.
Auf der anderen Seite wird vor der Nichtverabreichung einer PS gewarnt, weil dies zu
vergeblichen Therapieversuchen führen kann, die das Leid des Patienten verlängern und erhöhen [
17]. Um den Entscheidungsprozess zu unterstützen, ist es wichtig, zwischen PS und Tötung auf Verlangen zu unterscheiden, und zwar in Bezug auf
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das Ziel (Linderung des Leids und nicht Beendigung des Lebens),
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die Mittel (proportionale Herabsetzung des Bewusstseins bis zur Linderung des Leids und nicht Herbeiführung des Todes durch Verabreichung von Medikamenten in totbringender Dosierung),
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die Ergebnisse (Linderung des Leids mit lebensverkürzender Wirkung als außergewöhnlicher Nebenwirkung und nicht lebensverkürzend per Definition) und
-
den Zeitpunkt (kontinuierliche tiefe PS bleibt der terminalen Phase des Lebens vorbehalten) [
4].
Der Patient soll in alle Phasen des Entscheidungsprozesses einbezogen werden. Das Thema PS sollte bereits im Vorfeld erwartbarer Krisensituationen angesprochen werden, damit die therapeutischen Präferenzen des Patienten, solange er noch informierte Entscheidungen treffen kann, erfasst und dokumentiert werden können. Es wird auch empfohlen, mit dem Einverständnis des Patienten die Angehörigen bzw. Zugehörigen in diese Gespräche einzubeziehen, damit sie die getroffenen Entscheidungen verstehen können und um ihnen gegebenenfalls Zeit zu geben, sich zu verabschieden, aber auch um sie in dieser schwierigen Phase zu unterstützen.
Wenn der Patient nicht entscheidungsfähig ist, sollten die persönlichen Präferenzen aus seiner Patientenverfügung in Betracht gezogen werden. Wenn keine Patientenverfügung vorliegt, sollten zuvor geäußerte Präferenzen berücksichtigt oder mutmaßliche Behandlungspräferenzen, wenn möglich, beim gesetzlichen Vertreter oder den Angehörigen erfragt werden.
In der Indikationsstellung ist eine Kooperation zwischen Arzt und Patient erforderlich, um die Refraktärität des Leids zu überprüfen. Dabei übernimmt der Arzt die Prüfung, ob bzw. welche Therapieoptionen noch verbleiben, welcher Zeitrahmen für entsprechende Therapieversuche erforderlich wäre und welche Komplikationen und unerwünschte Wirkungen dabei zu erwarten wären. Dem Patienten obliegt die Prüfung, ob das Leid als unerträglich empfunden wird und welche Therapieversuche aus seiner Perspektive noch zu ertragen wären. Aus diesen beiden Perspektiven kann dann die Indikation der PS gestellt werden. Wenn die Indikation gestellt wurde, soll der Patient über Absicht, Wirkung, geplante Dauer, unerwünschte Wirkungen und Risiken aufgeklärt und seine Zustimmung eingeholt werden.
Das Prinzip der Proportionalität besteht darin, dass die
niedrigstmögliche Dosis des Medikaments, die zur Linderung des Leids erforderlich ist, gewählt werden sollte [
4,
5]. Bei einigen Patienten kann bereits eine leichte bis mäßige Sedierung, bei der sie erweckbar bleiben, eine angemessene Linderung ohne vollständigen Verlust der interaktiven Funktion bewirken (Sedierungstiefe von −1 bis −3 auf der Richmond Agitation Sedation Scale – Palliative Version [
RASS-PAL];
https://www.interiorhealth.ca/sites/default/files/PDFS/826582-richmond-agitation-sedation-scale.pdf; [
18]). Eine tiefere Sedierung (RASS-PAL −4 bis −5) sollte in Betracht gezogen werden, wenn sich eine leichte Sedierung als unwirksam erwiesen hat oder wenn klar ist, dass diese nicht rechtzeitig zu einer ausreichenden Linderung führen wird, etwa in Notfällen am Lebensende.
Ebenso sollte die Dauer der PS an die individuelle Situation des Patienten angepasst werden. Die PS kann kontinuierlich über einen längeren Zeitraum (mehr als 48 h) und bis zum Tod angewendet werden. Sie kann auch intermittierend (weniger als 48 h) in einem früheren Stadium der Krankheit erfolgen, entweder um dem Patienten vorübergehend Erleichterung zu verschaffen, bis andere Behandlungsmethoden erfolgreich sind, oder um dem Patienten eine Pause von der aktuell belastenden Situation zu ermöglichen. Da hier das Ziel darin besteht, das Bewusstsein nach der Sedierung so weit wie möglich wiederherzustellen, sollte versucht werden, die physiologische Stabilität innerhalb der mit dem Patienten vereinbarten therapeutischen Grenzen zu erhalten und die künstliche Hydratation im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer der Sedierung zu erwägen.
Die Option einer kontinuierlichen tiefen Sedierung sollte erwogen werden, wenn eine intermittierende oder eine kontinuierliche leichte Sedierung nicht ausreicht, um das Leid angemessen zu lindern.
Im Rahmen des SedPall-Projekts wurde der Begriff „vorübergehend“ dem Begriff „intermittierend“ vorgezogen, da letzterer mit einer Wiederholung der Sedierungsphasen assoziiert wird, die nicht zwingend erforderlich ist, zudem wurde statt „kontinuierliche Sedierung“ die Formulierung „sediert bis zum Versterben“ gewählt [
5,
10].
Unabhängiger Entscheidungsprozess bezüglich der Flüssigkeitszufuhr
Die meisten Patienten reduzieren von sich aus ihre Flüssigkeitszufuhr in der letzten Lebensphase. Diese
Flüssigkeitsrestriktion kann Symptome wie Müdigkeit, Verstopfung oder Mundtrockenheit verursachen oder verstärken. Andererseits kann sie auch Vorteile haben und durch Sekretreduktion die Symptomlast senken [
19]. Daher sollte im Rahmen der PS die Flüssigkeitszufuhr weder automatisch begonnen noch fortgesetzt oder unterbrochen werden. Die Entscheidung über eine
künstliche Flüssigkeitszufuhr sollte von der Entscheidung für die PS getrennt werden. Sie sollte die persönlichen Präferenzen, die Lebensqualität und das psychische und spirituelle Wohlbefinden des Patienten berücksichtigen [
20,
21]. In Fällen, in denen es religiöse oder kulturelle Vorbehalte gegen den Abbruch der Flüssigkeitszufuhr gibt, sollte diese fortgesetzt werden, es sei denn, es gibt Hinweise auf einen direkten Schaden für den Patienten durch den Eingriff.
Lebenserwartung
Auf der Grundlage der drei Prinzipien (1) Refraktärität des Leids, (2) Proportionalität und (3) unabhängige Entscheidung über die Hydratation wurde kein erforderlicher Wert für die verbleibende Lebenserwartung definiert, wobei die intermittierende PS in einem frühen Stadium der Palliativphase verabreicht werden kann. Die tiefe und kontinuierliche Sedierung sollte der letzten Lebensphase vorbehalten bleiben. Es ist jedoch anzumerken, dass während der Überarbeitung des EAPC-Rahmenwerks kein Konsens über die genaue Definition der letzten Lebensphase erzielt wurde.
Empfohlener stufenweiser pharmakologischer Ansatz
Der stufenweise pharmakologische Ansatz ist in Tab.
1 übersichtlich dargestellt.
Tab. 1
Medikation für die palliative Sedierung
1 | Midazolam | Erhaltungsdosis: | Startbolus: |
– 1 mg/h (s.c. und i.v.) – Bei Bedarf alle 1–2 h in Kombination mit einem weiteren Bolus anpassen – Bei Dosen von mehr als 10 mg/h sollte die Hinzufügung von Levomepromazin in Betracht gezogen werden | Leichte Sedierung angestrebt: – 2,5 mg s.c. – 1,25 mg i.v. |
Tiefe Sedierung angestrebt: – 5–10 mg s.c. – 2,5–5 mg i.v. |
– Ein Bolus mit der Hälfte der Startdosis kann bei Bedarf nach 20 min s.c. oder 5 min i.v. wiederholt werden – Die Verabreichung von 2 bis 3 zusätzlichen Boli in den ersten Stunden der palliativen Sedierung kann notwendig sein |
2 In Kombination mit Midazolam | Levomepromazin | – Als intermittierender Bolus: 12,5–25 mg alle 6–8 h (s.c./i.v.) – Als kontinuierliche Infusion: 0,5–8 mg/h (s.c./i.v.) |
3 | Propofol | – Anfangsdosis: 1 mg/kg pro h (i.v.) – Bei Bedarf Erhöhung um 0,5 mg/kg pro h alle 30 min |
Stufe 1
Ein gut kontrollierbares Benzodiazepin wie
Midazolam sollte in der Erstlinientherapie eingesetzt werden (alternativ
Lorazepam). Midazolam hat den Vorteil, dass sein schneller Wirkungseintritt und seine kurze Halbwertszeit eine schnelle Anpassung der Sedierungstiefe ermöglichen. Als seltene Nebenwirkung kann es zu einer paradoxen Agitation kommen [
4].
Stufe 2
Bei Bedarf kann ein niedrigpotentes Neuroleptikum wie Levomepromazin in Kombination mit dem Benzodiazepin eingesetzt werden. Das Neuroleptikum hat den Vorteil, dass es schnell sedierend wirkt, eine antipsychotische Wirkung bei Delirium hat und antiemetisch wirkt. Bei refraktärem Delirium, Alkoholismus in der Vorgeschichte und/oder Drogenabhängigkeit kann Levomepromazin als Alternative zu Midazolam in der Erstlinientherapie eingesetzt werden. Unerwünschte Wirkungen können paradoxe Agitation, extrapyramidale Symptome und anticholinerge Wirkungen sein.
Stufe 3
Bei nicht ausreichender Wirkung der ersten beiden Stufen kann in der dritten Stufe Propofol verwendet werden. Propofol sollte aber von einem Anästhesisten oder einer Person mit ausreichender Erfahrung in der Anwendung und nur bei stationär betreuten Patienten verabreicht werden.
Monitoring
Die PS sollte von einem
Arzt und einer
Pflegekraft eingeleitet und alle 20 min überwacht werden, bis das gewünschte Maß an Komfort erreicht ist, danach mindestens 3‑mal täglich, wenn eine kontinuierliche Sedierung erfolgt [
4]. Bei der Überwachung müssen
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der Schweregrad des Leids (wichtigstes Kriterium),
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das Bewusstseinsniveau sowie
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die mit der PS verbundenen unerwünschten Wirkungen (Delirium, Agitation) und Komplikationen (Aspiration)
berücksichtigt werden.
Die Medikamentendosierung sollte schrittweise angepasst werden, um eine optimale Linderung bei geringstmöglicher Bewusstseinsunterdrückung zu erreichen. Wenn eine leichte oder intermittierende Sedierung angestrebt wird, sollte die physiologische Stabilität innerhalb der mit dem Patienten vereinbarten therapeutischen Grenzen aufrechterhalten werden. Der Grad der Sedierung und die Vitalparameter, unter anderem Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung, sollten regelmäßig überwacht werden. Bei der tiefen kontinuierlichen Sedierung in der letzten Lebensphase sollten nur die Parameter beobachtet werden, die therapeutische Konsequenzen erfordern würden. Das Behandlungsteam muss das gleiche Maß an persönlicher Betreuung aufrechterhalten wie vor der PS.
Begleitung der Angehörigen
Es wird empfohlen, den Angehörigen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie sollten mit dem Einverständnis des Patienten in den Entscheidungsprozess einbezogen und während des gesamten Verfahrens regelmäßig informiert werden. Wenn möglich, sollte ihnen die Gelegenheit gegeben werden, sich vor Beginn der Sedierung vom Patienten zu verabschieden. Wichtig ist auch, dass sie während der Sedierung und nach dem Tod des Patienten begleitet werden.
Begleitung des behandelnden Teams
Für das behandelnde Team kann die PS eines Patienten belastend sein. Dies gilt insbesondere, wenn Uneinigkeit über die Angemessenheit des Eingriffs besteht und wenn sich der Prozess in die Länge zieht. Daher ist es wichtig, dass jedes Mitglied des Teams die medizinische Begründung und die Ziele der PS versteht. Wann immer es möglich ist, sollte dies in Teamsitzungen oder Fallkonferenzen angesprochen werden, sowohl vor als auch nach dem Ereignis, um die fachlichen und emotionalen Fragen zu besprechen, die mit solchen Entscheidungen verbunden sind.
Fazit für die Praxis
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Die palliative Sedierung (PS) ist eine Ultima Ratio zur Behandlung von refraktärem Leid.
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Die Bestimmung der Refraktärität erfolgt gemeinsam durch den Patienten und ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Behandlungsteam.
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Besondere Vorsichtsmaßnahmen werden empfohlen, wenn psychisches und/oder existenzielles Leid die Hauptindikation für eine PS ist.
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Form und Dauer der PS sollen an die individuelle Situation des Patienten angepasst werden.
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Besondere Aufmerksamkeit ist den Angehörigen und dem Behandlungsteam vor, während und nach der Sedierung zu widmen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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