Kaum noch beidseitige Tonsillektomien bei Abszess

Nach der Leitlinienrevision von 2015 entfernen HNO-Ärzte in Ulm bei einem Peritonsillarabszess in der Regel nur noch die betroffene Gaumenmandel. Eine Analyse von Patientendaten spricht dafür, dass ein solcher Eingriff ausreicht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Da soll noch jemand sagen, Leitlinien würden in der Praxis oft nur zaghaft umgesetzt: Vor dem Jahr 2015 haben Ärzte an der Uniklinik Ulm bei den allermeisten Patienten mit einem Peritonsillarabszess beide Gaumenmandeln entfernt, später praktisch nur noch die Abszessmandel. Grund war die Revision der Leitlinie „Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis“. Darin heißt es: „Die Abszesstonsillektomie ist zu bevorzugen, wenn Komplikationen durch den Peritonsillarabszess eingetreten sind oder wenn alternative Therapieverfahren erfolglos waren.“ Die simultane Tonsillektomie auf der Gegenseite soll meist nur noch bei bilateralen Peritonsillarabszessen erfolgen. Die andere beiden infrage kommenden Verfahren, Nadelpunktion und Inzisionsdrainage, sieht die Leitlinie vor allem für Patienten mit Komorbiditäten, erhöhtem Op.-Risiko oder Gerinnungsstörungen. HNO-Ärzte um Privatdozentin Janina Hahn von der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie in Ulm haben anhand von elektronischen Krankenakten geschaut, welche Verfahren in den beiden Jahren vor und nach der Leitlinienaktualisierung in ihrer Klinik zur Anwendung kamen. Zudem prüften sie, wie häufig nach der Behandlung Probleme auftraten. Nach 2015 bei 70% einseitige Tonsillektomie Sie fanden Angaben zu insgesamt 584 Patienten im mittleren Alter von 34 Jahren, 61% waren Männer, 41% aktive Raucher, knapp 10% nahmen Blutverdünner. Bei 51% war die rechte Gaumenmandel betroffen, 46% hatten einen linksseitigen Abszess, 3% einen beidseitigen. Etwa 40% aller Patienten erhielten eine Abszesstonsillektomie mit Entfernung der kontralateralen Gaumenmandel. Vor Einführung der neuen Leitlinien wurden rund drei Viertel der Patienten nach dieser Methode behandelt, danach nur noch jeder Achte (12,5%). Vor Implementierung der Leitlinie hatten die Ärzte bei rund 10% lediglich die betroffene Mandel entfernt, danach bei fast 70%. Eine alleinige Inzisionsdrainage erfolgte vor der Implementierung bei 15%, danach bei rund 18% – hier änderte sich also wenig. Zunächst versuchten die Ärzte 23% der Patienten per Inzisionsdrainage zu behandeln, aufgrund einer unzureichenden Drainage oder Abszessrezidiven griffen die Ärzte dann aber bei einem Teil doch zum Op.-Besteck. Patienten mit ein- und beidseitiger Tonsillektomie erlitten keine Rezidive. Von allen Patienten mit Abszesstonsillektomie erlitten knapp 12% eine postoperative Blutung, etwa 3% bluteten drei- oder mehrfach. Wie zu erwarten, traten Blutungen bei alleiniger Abszesstonsillektomie seltener auf als nach beidseitiger Mandelentfernung (bei 10% versus 14%). Vier der Betroffenen mussten sich aufgrund der Blutungen erneut operieren lassen. Die einseitige Abszesstonsillektomie kostete im Schnitt rund acht Minuten weniger Zeit als die beidseitige (26 versus 34 Minuten). Die Ärzte um Hahn kommen zu dem Schluss, dass eine einseitige Abszesstonsillektomie offenbar ausreicht und das Rezidivrisiko nicht höher ist als bei der beidseitigen Tonsillektomie. Die neue Leitlinie habe hier zu einer wesentlichen Änderung der Behandlung geführt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hat sich die Therapie von Patienten mit Peritonsillarabszess nach der Revision der Leitlinie „Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis“ verändert? Antwort: An der Uniklinik Ulm wurden nach der Implementierung Tonsillektomien fast nur noch einseitig vorgenommen. Bedeutung: Eine einseitige Abszesstonsillektomie genügt den Daten aus Ulm zufolge und scheint das Rezidivrisiko nicht zu erhöhen. Einschränkung: Monozentrische Analyse.

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