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Erschienen in: Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 1/2023

Open Access 26.10.2022 | Originalien

Persönlichkeitsprofile und individueller Umgang mit Stress im Altersgruppenvergleich von ukrainischen (weiblichen) Lehrern

verfasst von: Dr. med. Beatrice Thielmann, Tanja Jurkul, Igor Zavgorodnii, Irina Böckelmann

Erschienen in: Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie | Ausgabe 1/2023

Zusammenfassung

Hintergrund

Lehrer gehören zu den Berufen mit hohen psychoemotionalen Belastungen, denen Persönlichkeitsmerkmale und der individuelle Umgang mit Stress entgegenwirken, um die negativen Beanspruchungsfolgen zu vermeiden. Das Ziel dieser Arbeit bestand in der altersabhängigen Analyse des individuellen Umgangs mit Stresssituationen und ihrer situationsbedingten Persönlichkeitsprofile.

Methodik

Die Stichprobe umfasste 238 ukrainische Lehrer (98,3 % weiblich) im Durchschnittsalter von 43,7 ± 12,55 Jahren. Die Gesamtstichprobe wurde in 2 Altersgruppen AG I (< 45 Jahre) und AG II (≥ 45 Jahre) unterteilt. Es wurden das Differentielle Stress Inventar (DSI-HR) nach Lefèvre und Kubinger sowie das Inventar zur Persönlichkeitsdiagnostik in Situationen (IPS) nach Schaarschmidt und Fischer bewertet.

Ergebnisse

Es fanden sich signifikante Altersgruppenunterschiede in den DSI-Variablen „Stressauslösung“ (p = 0,002), „Stressauslösung durch Alltagsgeschehen“ (p = 0,005), „Stressauslösung durch Interaktion“ (p = 0,001) und „Stressstabilisierung“ (p = 0,005). Dabei sind ältere Lehrer häufiger überbeansprucht (41,2 %) als jüngere (31,3 %). Hier gibt es eine statistisch vergleichbare Verteilung der Altersgruppen innerhalb der vier IPS-Profile.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass ältere ukrainische Lehrer sich subjektiv beanspruchter fühlten. Es bedarf einer Implementierung von Gesundheits- und Präventionsmaßnahmen bei alternder, hier überwiegend weiblicher Lehrerschaft, um die Gesundheit der älteren Lehrer der Ukraine langfristig aufrechtzuerhalten. Eine arbeitsmedizinische Vorsorge, wie in Deutschland vorgeschrieben, ist auch an Schulen in der Ukraine zu empfehlen.
Hinweise
Beatrice Thielmann und Tanja Jurkul teilen sich die Erstautorenschaft.

Anmerkungen

Die Daten entstammen der Promotionsschrift von Dr. med. Tanja Jurkul.
Lehrer1 gehören zu den Berufen mit hohen psychoemotionalen Belastungen. Persönlichkeitsmerkmale und der individuelle Umgang mit Stress haben Einfluss auf die resultierende Beanspruchung. Basis des Arbeitsschutzes am Arbeitsplatz ist die Gefährdungsbeurteilung, aus welcher sich weiterführende technische, organisatorische, personelle Maßnahmen ableiten lassen. Gesundheitsdaten aus der Ukraine in dieser Berufsgruppe sind im internationalen Raum wenig bekannt.

Hintergrund

Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass durch den Wandel der Arbeitswelt auch das Stressniveau durch psychische Belastungen in einer Vielzahl an Berufszweigen ansteigt; darunter fällt auch der Lehrerberuf [1]. Zu den typischen Arbeitsaufgaben gehören bspw. das Vor- und Nachbereiten des Unterrichts, die Korrektur von Schularbeiten und die Organisation der Schülerprojekte. Mit der Übernahme einer Klasse als Klassenlehrer stehen zusätzliche Aufgaben wie Klassenausflüge oder -fahrten, Schülerworkshops und -feier, Schulbesprechungen, Elternabende und Klassenkonferenzen. Diese Aufgaben erhöhen die Belastung, den Stress und das tägliche Zeitbudget der Lehrer. Auch psychische Belastungen durch Konfliktsituationen (Kollegium, Schulleitung, Eltern, Schülern) kommen dazu. Durch die Entwicklungen der Informationstechnologie und dem Einsatz neuer Medien im Unterricht, den Umstieg auf das Online-Unterrichten während der Corona-Pandemie, stark zunehmende Zahlen der Schüler, die das Erfordernis eines multikulturell geprägten Sozialleben an der Schule mit sich bringen, kommen neue Aufgaben auf Lehrerschaft zu. Die zunehmende Autonomie der Schulen führt dazu, dass die Lehrkräfte einen größeren Anteil an Aufgaben des Schulmanagements und der Schulverwaltung übernehmen müssen [2]. Lehrkräfte haben eine höhere Stimmbelastung durch das Unterrichten an sich. Zusätzlich können weitere Belastungen und Gefahren in unterschiedlichen Formen auftreten: physikalische (Lärm in den Pausen, Raumklima), chemische (Gefahren- und Baustoffe) und biologische (Infektionsgefahren; [2]).
Belastungsfaktoren können bei fehlender Kompensation zu einer erhöhten negativen Beanspruchung führen, wie es in den theoretischen Modellen, dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept [3], dem Salutogenese-Konzept [4], dem transaktionellen Stressmodell [5], dem Job-Demand-Controll-Support-Model [6] oder dem Effort-Rewart-Imbalance-Modell [7] thematisiert wird. Negative Beanspruchungen können zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen [8, 9], wie z. B. Nacken‑, Rücken‑, Kreuzschmerzen, Erschöpfung, Müdigkeit, Vergesslichkeit, Unkonzentriertheit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, leichte Erregbarkeit, Brennen der Augen, Grübeleien oder Zweifel sind bei deutschen Lehrern häufig beklagte Symptome [2].
Eine Studie aus England mit 555 Lehrkräften an weiterführenden Schulen ergab, dass depressive Symptome bei Lehrern insbesondere Unzufriedenheit mit der Arbeit, Präsentismus, krankheitsbedingte Abwesenheit im letzten Monat sowie der Wunsch, mit einem Kollegen zu reden, das Gefühl jedoch zu haben, es nicht zu können, verbunden waren [10]. Die Prävalenz von Burnout bei Lehrern wird bei 3–5 % der Lehrkräfte geschätzt [2].
Bei den Arbeitsbelastungen können organisationale, soziale und personale Ressourcen eine schützende Wirkung auf die psychische Gesundheit von Lehrern haben [11]. Dazu gehören auch individuelle Kompetenzen, Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungen und Bewältigungsstrategien [1214]. Individuelle Persönlichkeitsmerkmale bilden und verändern sich durch genetische, normative (Familie, Freunde, Schule, Arbeit) und nichtnormative Einflüsse (z. B. prägende Ereignisse im Leben eines Menschen, Krankheit; [15, 16]). Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster können ebenfalls einen Schutz in der Entstehung gesundheitlicher Beschwerden bieten. Probanden mit stabiler Emotionalität zeigten in einer Studie eine höhere Distanzierungsfähigkeit, innere Ruhe und Ausgeglichenheit sowie höhere Lebenszufriedenheit und konnten Arbeitsbelastungen besser begegnen [13]. Die Arbeitstätigkeit kann trotz Belastung positiv erlebt werden, bspw. durch Erweiterung des Handlungsspielraums, positives Feedback und Anerkennung, Kohärenzerleben oder Zukunftsorientierung [11].
Wahrgenommene Stressursachen und Stressreaktionen können sich im Laufe der Zeit verändern. So steigt der wahrgenommene Stress durch hohe psychologische Aufgabenanforderungen mit der Zeit. Wohingegen der wahrgenommene Stress durch negatives Schülerverhalten mit der Zeit abnimmt [17]. Eine Studie erfasste die arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren von Lehrkräften in unterschiedlichen Altersgruppen. Dabei fühlten sich die jüngeren Lehrer durch große Leistungsunterschiede der Schüler belastet, die älteren Lehrer sind jedoch eher durch Aggressivität, schlechten Umgangston und geringe Lernbereitschaft der Schüler beeinträchtigt [18].

Das ukrainische Schulsystem

Eine vorschulische Bildung wird in der Ukraine nicht verpflichtend angeboten. Der Schulbeginn erfolgt mit 6 bzw. 7 Jahren. Dabei ist die Mittelschule in eine Grundschule (Klasse 1–4), eine Sekundarstufe I (Klasse 5–9) und Sekundarstufe II (Klasse 10–11) gegliedert. Daneben steht auch der Besuch von wissenschaftlich-theoretischen oder allgemein-kulturell bildenden Gymnasien. Lyzeen, Colleges oder andere Spezialschulen fördern spezielle Begabungen. Im Regelfall erfolgt der Schulabschluss in der Ukraine mit 17 Jahren [19]. Es besteht die Möglichkeit, nach dem Abschluss der 9. Klasse, eine Ausbildung zum qualifizierten Arbeiter in der Berufsschule zu beginnen. Des Weiteren ist es möglich, sich nach der 11. Klasse zum Juniorfachmann ausbilden zu lassen oder eine Hochschulausbildung im Sinne eines Bachelors, Masters, Graduiertenstudiums oder Doktoratstudiums anzustreben [20].
Insgesamt ist jedoch zu konstatieren, dass es wenig Literatur zum Umgang mit Stresssituationen an den Schulen und zur psychischen Gesundheit ukrainischer Lehrkräfte gibt.
Das Ziel dieser Arbeit besteht in der altersabhängigen Analyse des individuellen Umgangs mit Stress und ihrer situationsbedingten Persönlichkeitsprofile, um diese Forschungslücke zu schließen.

Methodik

Diese Studie ist eine Kooperation zwischen dem Bereich der Arbeitsmedizin an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Deutschland, und dem Lehrstuhl für Hygiene und Ökologie N° 2 der Nationalen Medizinischen Universität Charkiw, Ukraine, basierend auf der Forschungsstudie zur Lehrergesundheit in Sachsen-Anhalt und Sachsen. Daher wurden identische Fragebögen genutzt, die in das Russische übersetzt wurden. Russisch ist eine Amtssprache in der Ukraine. Ziel der Studie war es, die berufliche Belastungssituation, persönliche Ressourcen sowie gesundheitliche Situation der Lehrer in der Ukraine zu untersuchen und mit den deutschen Ergebnissen zu vergleichen. Die Daten für die Querschnittsstudie wurden im Zeitraum Juni bis Juli 2013 an 6 zufällig ausgewählten Schulen (Grundschulen, Sekundarstufen, Gymnasien) in Charkiw erhoben. Die Lehrer wurden im Rahmen einer Lehrerversammlung in ihrer Schule über die Studie informiert. Die Anmeldung zur Studie erfolgte selbstständig durch die Lehrkraft. Ob alle Lehrkräfte Kenntnisse über diese Studie hatten, ist nicht sicher bekannt, daher kann keine genaue Rücklaufquote ermittelt werden. Die Einverständniserklärung der teilnehmenden Lehrer wurde als gegeben gesehen, da sie schriftlich die Fragebögen ausgefüllt haben. Als Einschlusskriterium galt eine mindestens zweijährige Tätigkeit als Lehrkraft. Als Ausschlusskriterium galt ein nicht vollständig ausgefüllter Fragebogen. Die Durchführung der Befragung der Lehrer in der Ukraine wurde durch das ukrainische städtische Ministerium für Schulwesen genehmigt (Nr. 1358 vom 04.05.2012). Für die weitere Bearbeitung der Daten lag zusätzlich das Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg unter der Reg.-Nr 19/16 vom 11.02.2016 vor.

Stichprobe

Die Stichprobe setzt sich aus 238 Lehrern aus der Stadt Charkiw zusammen, 234 Lehrkräfte waren weiblich (98,3 %). Das Durchschnittsalter betrug 43,7 ± 12,55 Jahre mit einer Alterspanne zwischen 20 bis 73 Jahren. Alle Lehrer standen zum Zeitpunkt der Befragung im aktiven Berufsleben. Die Gesamtstichprobe wurde in 2 Altersgruppen unterteilt:
  • AG I (< 45 Jahre): n = 116 (Altersdurchschnitt: 33,0 ± 7,40 Jahre) und
  • AG II (≥ 45 Jahre): n = 122 (Altersdurchschnitt: 53,9 ± 6,55 Jahre)

Untersuchungsablauf

Die Befragung erfolgte unter Anwendung standardisierter Fragebögen in Russischer Sprache, die mit Hilfe des Wiener Testsystems (Fa. Dr. Schuhfried GmbH, Mödling, Österreich) ausgewertet werden konnten und beinhaltete nachfolgende Fragebögenim arbeitspsychologischen Bereich (DSI, IPS).

Differentielles Stress Inventar – Human Ressources (DSI-HR)

Das Verfahren erfasst den individuellen Umgang mit Stress auf der Basis des Konzepts der Leistungsangstdiagnostik von Rost und Schermer 1987 [21, 22]. Die Testform S 3 fragt 122 Items zu 4 stressrelevanten Bereichen ab: Stressauslösung (AUS), Stressmanifestation (MAN), Coping (COP), Stressstabilisierung (STAB). Die Abb. 1 stellt die 4 Bereiche (Hauptvariablen) mit ihren Nebenvariablen dar. Normwertige Bereiche sind für die Hauptvariablen definiert: Stressauslösung (Range: 0–208), Stressmanifestation (Range: 0–84), Coping (Range: 0–124) und Stressstabilisierung (Range: 0–80).
Für die Beantwortung der Fragen wird eine vierstufige Antwortskala von „trifft fast immer zu“ bis „trifft fast nie zu“ genutzt. Des Weiteren erfolgt die Zuordnung zu einem Typen des Stresserlebens und -verhaltens:
  • I Normaltyp: alle Variablen im Normbereich, Stress alltäglich, erfolgreiches Coping
  • II Überbeansprucht: Stressauslösung, sowie Manifestation in allen 3 Bereichen hoch, erfolgreiches instrumentelles Coping, starke externale Verstärkung
  • III Stressresistent: Stressauslösung gering, palliatives Coping nicht akzeptiert
  • IV Niedrige Beanspruchung – erfolgreiches Coping: unterdurchschnittliche Ausprägung von Stressauslösern, überdurchschnittliches palliatives Coping
  • V Hohe Beanspruchung – erfolgreiches Coping: überdurchschnittliche Belastung durch Beruf und private Interaktion, überdurchschnittliches palliatives Coping
Die Einteilung erfolgte nach Ausprägung der einzelnen Typen: mindestens 50 % in einem Typ ohne weitere Ausprägung von 35 % in einem anderen. Gemischte DSI-Typen (ohne klare Zuordnung) werden nicht weiter betrachtet, da diese im Manual nicht berücksichtigt werden.

Inventar zur Persönlichkeitsdiagnostik in Situationen (IPS)

Das Inventar zur Persönlichkeitsdiagnostik in Situationen (IPS) ist ein persönlichkeitsdiagnostisches Verfahren für Erwachsene [23]. Das Verfahren definiert drei wesentliche Anforderungsbereiche: das sozial-kommunikative Verhalten (A), das Leistungsverhalten (B) und das Gesundheits- und Erholungsverhalten (C). Durch Selbstbeurteilung schätzen die Probanden ihr wahrscheinliches Verhalten und Erleben in 15 Situationen ein. Es stehen insgesamt 80 Items mit 4 möglichen Antwortstufen („stimmt genau“ bis „stimmt gar nicht“) zur Verfügung. Zusätzlich wird pro Situation die Zufriedenheit mit dem eigenen Verhalten in zusätzlichen 15 Items, anhand einer fünfstufigen Gesichtsskala von „sehr zufrieden“ bis „sehr unzufrieden“ erfragt. Auch die Zufriedenheit ist anhand der 3 Anforderungsbereiche gegliedert: Zufriedenheit mit dem Verhalten bei sozial-kommunikativen Anforderungen, mit dem Leistungsverhalten und mit dem Gesundheits- und Erholungsverhalten. Die Situationen sind Verhaltens- und Erlebensmerkmalen der Anforderungsbereiche zugeordnet (A1–A6, B1–B6, C1–C3). Das optimale Profil im jeweiligen Anforderungsbereich (AP1, BP1, CP1) weist in allen Merkmalen positive Ausprägungen auf. Das unauffällige Profil 2 hat mittlere Ausprägung in allen Merkmalen. Ab dem Profil 3 besteht zunehmender Interventionsbedarf, z. B. bei erhöhter Konfrontationstendenz, fehlende Gesundheitsvorsorge. Die Merkmale der einzelnen Profile sind in Tab. 1 erläutert.
Tab. 1
Merkmale der IPS-Profile
IPS-Bereich A: Ausprägungen im sozial-kommunikativen Verhalten
AP1 Aktiv, durchsetzungsfähig, stabil, rücksichtsvoll
Höchste/hohe: Rücksichtnahme, Aktivität, Selbstbehauptung, Durchsetzung
Geringste: Konfrontationstendenz, Empfindlichkeit
AP2 Unauffällig
Überwiegend mittlere Ausprägung, keine Akzentuierung
AP3 Expansiv
Höchste: Aktivität, Selbstbehauptung, Konfrontationstendenz, Durchsetzung
Mittlere: Rücksichtnahme, Empfindlichkeit
AP4 Kommunikativ aber wenig offensiv
Relativ hoch: Aktivität, Rücksichtnahme, Empfindlichkeit
Relativ gering: Selbstbehauptung, Konfrontationstendenz, Durchsetzung
AP5 Inaktiv
Relativ hoch: Empfindlichkeit
Mittlere: Rücksichtnahme
Relativ gering: Selbstbehauptung, Konfrontationstendenz, Durchsetzung
Geringste: Aktivität
AP6 Instabil und belastet
Höchste/hohe: Empfindlichkeit, Konfrontationstendenz
Mittlere/relativ gering: Aktivität, Durchsetzung
Geringste: Selbstbehauptung, Rücksichtnahme
IPS-Bereich B: Ausprägungen im Leistungsverhalten
BP1 Engagiert, stabil, erfolgsorientiert und optimistisch
Höchste: Engagement, Stabilität, Selbstvertrauen, Karriere- und Risikobereitschaft, Optimismus
Geringste: Beharrungstendenz
BP2 Unauffällig
Überwiegend mittlere Ausprägung, keine Akzentuierung
BP3 Wenig engagiert, aber selbstvertrauend und erfolgsorientiert
Relativ hoch: Stabilität, Selbstvertrauen, Karriere- und Risikobereitschaft
Mittlere: Optimismus
Relativ gering/gering: Engagement, Beharrungstendenz
BP4 Wenig karriere- und risikobereit
Mittlere: in allen übrigen Merkmalen
Gering: Karriere- und Risikobereitschaft
BP5 Wenig stabil und selbstunsicher
Relativ hoch: Beharrungstendenz
Mittlere: Karriere- und Risikobereitschaft, Engagement
Gering/geringste: Selbstvertrauen, Stabilität, Optimismus
BP6 Wenig engagiert, instabil, selbstunsicher und nicht erfolgsorientiert
Höchste: Beharrungstendenz
Gering/geringste: in allen übrigen Merkmalen
IPS-Bereich C: Ausprägungen im Gesundheits- und Erholungsverhalten
CP1 Entspannungsfähig, erholungssuchend und vorsorgend
Höchste: Entspannungsfähigkeit, aktives Erholungsverhalten, Gesundheitsvorsorge
CP2 Unauffällig
Überwiegend mittlere Ausprägung, keine Akzentuierung
CP3 Entspannungsfähig und erholungssuchend aber wenig vorsorgend
Relativ hoch: Entspannungsfähigkeit, aktives Erholungsverhalten
Geringste: Gesundheitsvorsorge
CP4 Wenig entspannungsfähig, aber erholungssuchend
Relativ hoch: aktives Erholungsverhalten
Mittel: Gesundheitsvorsorge
Geringste: Entspannungsfähigkeit
CP5 Wenig entspannungsfähig, wenig erholungssuchend und wenig vorsorgend
Niedrig/niedrigste: alle 3 Merkmale

Statistische Analysen

Alle Berechnungen erfolgten mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows, Version 24.0, mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit p von 5 %. Die genauen Verfahren werden jeweils bei den Ergebnissen aufgezeigt. Hypothetisch gingen wir davon aus, dass das bei älteren Lehrkräften aktive sozial-kommunikative Verhalten besser und das Gesundheits- und Erholungsverhalten geringer ausgeprägt sind und die jüngeren Pädagogen ein subjektiv besseres Leistungsvermögen haben.

Ergebnisse

Soziodemografische Daten und Altersgruppen

Die soziodemografischen Daten der Gesamtstichprobe und der Altersgruppen sind in Tab. 2 dargestellt. Aufgrund der signifikanten Altersdifferenz beider AG weist auch allgemeine Berufstätigkeit, Berufstätigkeit als Lehrer und die Tätigkeit an der Stammschule (Haupttätigkeit) im t‑Test höchst signifikante Unterschiede auf (p < 0,001).
Tab. 2
Berufsbezogene Daten beider Altersgruppen
Variable
MW ± SD
95 % – KI
(Median; Min–Max)
pt‑test
AG I
n = 116
AG II
n = 122
Gesamt
n = 238
Alter
33,0 ± 7,4
[31,7; 34,4]
(33,5; 20–44)
53,9 ± 6,6
[52,6; 54,9]
(53,0; 45–73)
43,7 ± 12,6
[41,9; 45,1]
(45,0; 20–73)
<0,001
(Jahre)
Berufstätigkeit
13,1 ± 8,4
[11,6; 14,7]
(13,0; 1–34)
34,5 ± 7,3
[33,0; 35,6]
(33,5; 17–55)
24,1 ± 13,3
[22,1; 25,5]
(26; 1–55)
< 0,001
(Jahre)
Lehrerberuf
11,3 ± 7,6
[9,9; 12,7]
(10,5; 1–29)
30,9 ± 7,6
[29,4; 32,1]
(31,0; 11–55)
21,2 ± 12,4
[19,5; 22,7]
(21; 1–55)
< 0,001
(Jahre)
Stammschule
8,8 ± 7,1
[7,5; 10,1]
(7,0; 1–25)
21,2 ± 9,2
[19,4; 22,8]
(21,0; 1–48)
15,1 ± 10,3
[13,7; 16,3]
(9,5;1–48)
< 0,001
(Jahre)
MW Mittelwert, SD Standardabweichung, Min Minimum, Max Maximum, AG Altersgruppe
Bei 76 (31,9 %) Lehrern konnte wegen fehlender Angaben keine Schulform erfasst werden, bei denen die Lehrkräfte tätig waren. Von der verbliebenen Stichprobe waren jeweils 65 Lehrer beider AG (56,0 % der AG I und 53,3 % der AG II) an Sekundarstufen tätig. Weitere 20 (17,2 %) der AG I und 11 (9 %) der AG II lehrten an Grundschulen. Eine Person (0,9 %) aus der AG I arbeitete am Gymnasium.

Vergleich des individuellen Umgangs mit Stress (DSI)

Aus Tab. 3 lässt sich erkennen, dass in allen 4 Hauptvariablen (grau markiert) sowie allen Nebenvariablen (außer „Coping instrumentell“) die AG II höhere Mediane aufweisen. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen sind in allen Variablen signifikant bis sehr signifikant, mit Ausnahme der Hauptvariable „Coping“ sowie den Nebenvariablen „Coping instrumentell“ und „Stressmanifestation emotional-kognitiv“.
Tab. 3
Ausprägungen der DSI-Variablen innerhalb der Altersgruppen
DSI-Dimension
MW ± SD (Punkte)
[95 % – KI]
(Median; Min–Max)
pMann-Whitney
AG I
n = 116
AG II
n = 122
Gesamt
n = 238
Stressauslösung
96,4 ± 21,8
[92,4; 100,4]
(96,0; 53–158)
105,4 ± 22,4
[101,4; 109,4]
(104,0; 53–158)
101,0 ± 22,5
[98,1; 103,9]
(101,0; 53–158)
0,002
Durch
Alltagsgeschehen
42,2 ± 10,3
[40,3; 44,1]
(41,0; 24–67)
46,1 ± 10,8
[44,2; 48,1]
(44,5; 23–76)
44,2 ± 10,7
[42,8; 45,6]
(42,0; 23–76)
0,005
Durch
Interaktion
32,9 ± 7,4
[31,5; 34,2]
(32,0; 18–56)
36,0 ± 7,5
[34,6; 37,3]
(35,5; 16–54)
34,5 ± 7,6
[33,5; 35,4]
(34,0; 16–56)
0,001
Durch
Existenzängste
21,3 ± 5,8
[20,3; 22,4]
(21,0; 10–39)
23,3 ± 5,9
[22,2; 24,4]
(24,0; 10–40)
22,3 ± 5,9
[21,6; 23,1]
(23,0; 10–40)
0,012
Stressmanifestation
39,1 ± 10,0
[37,3; 41,0]
(38,0; 20–66)
41,7 ± 9,8
[40,0; 43,5]
(42,0; 20–66)
40,5 ± 10,0
[39,2; 41,7]
(40,0; 20–66)
0,022
Physisch
19,2 ± 5,7
[18,2; 20,3]
(18,0; 10–36)
20,6 ± 5,4
[20,0; 21,6]
(21,0; 10–36)
19,9 ± 5,6
[19,2; 20,7]
(20,0; 10–36)
0,018
Emotional-kognitiv
19,9 ± 5,2
[19,0; 20,9]
(20,0; 10–34)
21,1 ± 5,1
[20,2; 22,0]
(21,0; 10–32)
20,5 ± 5,1
[19,9; 21,2]
(20,0; 10–34)
0,051
Coping
67,2 ± 10,6
[65,2; 69,1]
(67,0; 34–92)
70,0 ± 11,2
[68,0; 72,0]
(69,0; 41–102)
68,6 ± 11,0
[67,2; 70,0]
(68;0; 34–102)
0,089
Palliativ
40,3 ± 8,5
[38,8; 41,9]
(40,0; 19–64)
42,9 ± 8,44
[41,4; 44,4]
(41,0; 22–64)
41,6 ± 8,5
[40,5; 42,7]
(41,0; 19–64)
0,036
Instrumentell
26,8 ± 4,3
[26,1; 27,6]
(27,0; 14–40)
27,1 ± 5,1
[26,2; 28,0]
(27,0; 17–40)
27,0 ± 4,7
[26,4; 27,6]
(27,0; 14–40)
0,789
Stressstabilisierung
41,6 ± 6,8
[40,4; 42,9]
(42,0; 23–64)
44,6 ± 8,1
[43,2, 46,1]
(45,0; 23–62)
43,2 ± 7,6
[42,2; 44,1]
(43,0; 23–64)
0,005
External
15,8 ± 4,4
[15,0; 16,6]
(16,0; 8–32)
17,3 ± 5,2
[16,4; 18,2]
(18,0; 8–32)
16,6 ± 4,9
[15,9; 17,2]
(17,0; 8–32)
0,024
Internal
25,8 ± 4,3
[25,0; 26,6]
(26,0; 15–35)
27,3 ± 4,8
[26,5; 28,2]
(27,0; 15–41)
26,6 ± 4,6
[26,0; 27,2]
(27,0; 15–41)
0,015
MW Mittelwert, SD Standardabweichung, Min Minimum, Max Maximum, AG Altersgruppe
Der Großteil der Gesamtstichprobe (n = 201, 84,5 %) konnte anhand der DSI-Variablen mittels Clusteranalyse den reinen DSI-Typen zugeordnet werden. Ältere Lehrer sind häufiger überbeansprucht (41,2 %) als jüngere (31,3 %; Abb. 2).
Überbeanspruchung (Typ II) tritt in der Teilstichprobe noch deutlicher als größter Anteil hervor (36,3 %). Ältere Lehrer sind häufiger überbeansprucht (41,2 %) als jüngere (31,3 %). Darauf folgt, wie bereits in der Gesamtstichprobe, Typ I (Normaltyp, 27,3 %) und Typ III (Stressresistent, 14,9 %). In diesen beiden Typen sind die Jüngeren stärker vertreten (I 30,3 %, III 19,2 %) als die Älteren (I 24,5 %, III 10,8 %).

Vergleich der Persönlichkeitsdiagnostik in Situationen

Die Ergebnisse der IPS-Merkmale sind in Tab. 4 dargestellt. Im sozial-kommunikativen Verhalten (Bereich A) und im Bereich des Leistungsverhaltens (Bereich B) zeigen sich keine wesentlichen Differenzen zwischen den Altersgruppen. Der einzige signifikante (p < 0,001) Unterschied zwischen den beiden Altersgruppen war im Merkmal „Aktivität in vertrauter kommunikativer Situation“, die jüngeren Lehrer schätzen sich aktiver ein. Im Gesundheits- und Erholungsverhalten (Bereich C) sind ebenfalls keine gravierenden Unterschiede festzustellen. Allerdings entspannen die jüngeren Lehrer signifikant besser.
Tab. 4
Altersgruppenvergleiche der IPS-Merkmale aus allen Anforderungsbereichen, inklusive Zufriedenheit
 
MW ± SD (Stanine)
[95 % – KI]
(Median; Min–Max)
pMann-Whitney
 
AG I
n = 116
AG II
n = 122
Gesamt
n = 238
IPS-A: Sozial-kommunikatives Verhalten
Aktivität in vertrauter kommunikativer Situation
5,3 ± 2,1
[4,9; 5,7]
(5,0; 1–9)
4,2 ± 2,0
[3,8; 4,5]
(4,0; 1–9)
4,7 ± 2,1
[4,5; 5,0]
(4,0; 1–9)
<0,001
Selbstbehauptung bei Kommunikationserfordernis
5,2 ± 1,8
[4,9; 5,5]
(5,0; 1–9)
4,8 ± 2,0
[4,5; 5,2]
(5,0; 1–9)
5,0 ± 1,9
[4,8; 5,3]
(5,0; 1–9)
0,152
Konfrontationstendenz in sozialer Konfliktsituation
5,4 ± 1,6
[5,1; 5,7]
(5,0; 2–9)
5,2 ± 1,6
[4,9; 5,5]
(5,0; 1–9)
5,3 ± 1,6
[5,1; 5,5]
(5,0; 1–9)
0,496
Durchsetzung in einer Führungsrolle
4,6 ± 1,8
[4,3; 4,9]
(4,0; 1–9)
4,8 ± 2,2
[4,4; 5,2]
(4,0; 1–9)
4,7 ± 2,0
[4,5; 5,0]
(4,0; 1–9)
0,432
Rücksichtnahme bei sozialer Verantwortung
5,1 ± 2,1
[4,7; 5,4]
(4,5; 1–9)
5,5 ± 2,2
[5,1; 5,9]
(5,0; 1–9)
5,30 ± 2,2
[5,0; 5,6]
(5,0; 1–9)
0,090
Empfindlichkeit bei sozialer Frustration
5,3 ± 1,8
[5,0; 5,6]
(6,0; 1–9)
5,1 ± 1,9
[4,7; 5,4]
(5,5; 1–9)
5,2 ± 1,9
[5,0; 5,4]
(6,0; 1–9)
0,399
IPS-B: Leistungsverhalten
Engagement bei hoher Leistungsanforderung
4,2 ± 1,6
[3,9; 4,5]
(4,0; 1–8)
4,6 ± 1,6
[4,3; 4,8]
(4,0; 1–9)
4,4 ± 1,6
[4,2; 4,6]
(4,0; 1–9)
0,088
Beharrungstendenz bei Umstellungserfordernis
4,8 ± 1,9
[4,5; 5,2]
(5,0; 1–9)
5,1 ± 1,7
[4,8; 5,4]
(5,0; 1–9)
5,0 ± 1,8
[4,7; 5,2]
(5,0; 1–9)
0,157
Stabilität bei stressvoller Anforderung
4,8 ± 1,7
[4,5; 5,2]
(5,0; 1–9)
5,1 ± 1,7
[4,8; 5,4]
(5,0; 2–9)
5,0 ± 1,7
[4,8; 5,2]
(5,0; 2–9)
0,423
Selbstvertrauen bei Prüfungsanforderung
4,4 ± 1,8
[4,1; 4,7]
(4,0; 1–9)
4,7 ± 1,9
[4,4; 5,1]
(5,0; 1–9)
4,6 ± 1,9
[4,3; 4,8]
(4,0; 1–9)
0,140
Karriere- und Risikobereitschaft bei beruflicher Herausforderung
5,3 ± 1,7
[5,0; 5,6]
(5,0; 1–9)
4,9 ± 1,6
[4,6; 5,2]
(5,0; 1–9)
5,1 ± 1,6
[4,9; 5,3]
(5,0; 1–9)
0,057
Optimismus gegenüber alltäglicher Anforderung
4,2 ± 1,9
[3,8; 4,5]
(4,0; 1–9)
4,5 ± 1,9
[4,2; 4,8]
(4,0; 1–9)
4,3 ± 1,9
[4,1; 4,6]
(4,0; 1–9)
0,161
IPS-C: Gesundheits- und Erholungsverhalten
Entspannungsfähigkeit nach dem Arbeitstag
4,7 ± 1,9
[4,3; 5,0]
(5,0; 1–9)
4,2 ± 2,1
[3,8; 4,6]
(4,0; 1–9)
4,4 ± 2,0
[4,1; 4,7]
(4,0; 1–9)
0,046
Aktives Erholungsverhalten in der Freizeit
4,8 ± 2,1
[4,4; 5,1]
(4,0; 1–9)
4,5 ± 2,0
[4,2; 4,9]
(4,0; 1–9)
4,6 ± 2,1
[4,4; 4,9]
(4,0; 1–9)
0,470
Gesundheitsvorsorge bei Warnsignalen
5,0 ± 1,6
[4,7; 5,3]
(5,0; 1–9)
5,3 ± 1,8
[5,0; 5,6]
(5,0; 1–9)
5,1 ± 1,7
[4,9; 5,4]
(5,0; 1–9)
0,123
IPS: Zufriedenheit mit dem eigenen Verhalten
Zufriedenheit mit dem sozial-kommunikativen Verhalten
5,3 ± 2,1
[4,9; 5,7]
(5,0; 1–9)
5,0 ± 2,1
[4,7; 5,4]
(5,0; 1–9)
5,1 ± 2,1
[4,9; 5,4]
(5,0; 1–9)
0,511
Zufriedenheit mit dem Leistungsverhalten
5,0 ± 2,1
[4,6; 5,4]
(5,0; 1–9)
4,8 ± 1,9
[4,5; 5,1]
(5,0; 1–9)
5,0 ± 2,0
[4,6; 5,2]
(5,0; 1–9)
0,474
Zufriedenheit mit dem Gesundheits- und Erholungsverhalten
5,3 ± 1,9
[5,0; 5,7]
(5,0; 1–9)
4,9 ± 2,1
[4,6; 5,3]
(5,0; 1–9)
5,1 ± 2,0
[4,9; 5,4]
(5,0; 1–9)
0,120
Normbereich: 4–6
In der Gesamtstichprobe (n = 238) konnten 23,9 % (n = 57) der Probanden keinem der IPS-A-Profile, 25,6 % (n = 61) der Lehrer keinem der IPS-B-Profile und 19,7 % (n = 53) der Teilnehmer keinem der IPS-C-Profile zugeordnet werden. Die Probanden mit fehlender Zuordnung werden im Verlauf nicht weiter betrachtet. Die Verteilung der IPS-Profile mit klarer Zuordnung hinsichtlich der Altersgruppen ist Abb. 3 zu entnehmen.
Hinsichtlich des sozial-kommunikativen Verhaltens der Lehrer wurden 32,2 % der jüngeren Lehrer dem unauffälligen AP2-Profil und 35,2 % der älteren Lehrer dem inaktiven AP5-Profil zugeordnet. Im Leistungsverhalten konnte der größte Anteil der jüngeren Lehrer mit 25,6 % dem wenig engagierten, aber selbstvertrauend und erfolgsorientierten BP3-Profil zugeordnet werden. Die älteren Lehrer gehörten mit 28,6 % dem wenig karriere- und risikobereiten BP4-Profil an. Bezüglich des Gesundheits- und Erholungsverhalten zeigen 31,1 % der jüngeren Lehrer und 29,7 % der älteren Lehrer die größte Einteilung in das unauffällige CP2-Profil.
Die höchste Zufriedenheit in allen 3 Merkmalen, insbesondere mit ihrem Gesundheits- und Erholungsverhalten zeigten Lehrer, die entspannungsfähig, erholungssuchend und vorsorgend sind (CP1), gefolgt von denjenigen, die sich entspannen und erholen können, aber wenig vorsorgen (CP3) und den unauffälligen Lehrkräften (CP2). Die unzufriedensten Lehrkräfte in allen 3 Merkmalen sind diejenigen, die jeweils wenig entspannungsfähig, erholungssuchend sind und wenig vorsorgend handeln (CP5). Es gibt keine signifikanten Unterschiede im Altersgruppenvergleich in den 5 Profilen.

Diskussion

Bei der Analyse der Ergebnisse im Hinblick auf den individuellen Stressumgang fiel auf, dass die Älteren in allen Haupt- und Nebenvariablen, bis auf „Stressmanifestation emotional-kognitiv“, „Coping“ und „Coping instrumentell“, signifikant höhere Medianwerte im Durchschnitt aufzeigten. Stress wird bei den älteren Lehrern also schneller ausgelöst, und er kann sich schneller manifestieren und stabilisieren. Gleichzeitig liegen aber in stärkerem Maße Copingstrategien vor, die dem Stress entgegenwirken, und eine wichtige persönliche Ressource darstellen. Die meisten Lehrer (36,3 %) waren überbeansprucht (DSI-Typ II). Der zweitgrößte Anteil der Lehrer entsprach dem DSI-Normaltyp I (27,3 %), d. h. alle Variablen lagen im Normbereich und sie zeigten erfolgreiches Coping. Der Altersvergleich (AG I < 45 Jahren vs. AG II ≥ 45 Jahren) ergab, dass die Mehrheit der Lehrer der AG II (41,2 %) dem überbeanspruchten Typ, die Mehrheit der jüngeren Lehrer (30,3 %) dem Normaltyp zugeordnet werden konnte, obwohl es kaum einen Unterschied in den Variablen der DSI-Typen I bis V im Altersgruppenvergleich gab. Trotz zahlreicher psychischer Anforderungen und hoher Beanspruchung zeichnen sich Lehrkräfte wiederum durch eine hohe Arbeitszufriedenheit aus und geben mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass sie weiterhin in ihrem Beruf arbeiten möchten [24, 25].
Über die Hälfte der untersuchten Lehrer boten im sozial-kommunikativen Verhalten (55,4 %) und im Gesundheits- und Erholungsverhalten (53,1 %) Profile, die einer Intervention bedürfen. Im Leistungsverhalten hatten sogar zwei Drittel (68,3 %) der Lehrer Interventionsbedarf. Anders als erwartet, nahm die Interventionsbedürftigkeit im sozial-kommunikativen Verhalten mit dem Alter zu. Die herausgefundenen signifikant höheren Werte im Altersvergleich traten mehrheitlich bei den Jüngeren auf. Beispielsweise waren kommunikative, wenig offensive (AP4) jüngere Lehrer sehr signifikant besser darin, sich bei „Kommunikationserfordernis“ zu behaupten. Kommunikation ist demzufolge eine starke Ressource der jüngeren Lehrer. 60,5 % der AG II und 49,9 % der AG I wiesen Profile A3–A6 auf, d. h. expansiv oder kommunikativ aber wenig offensiv oder inaktiv oder instabil und belastet. Die jüngeren Lehrer der AG I zeigten eine signifikant höhere Aktivität in vertrauter kommunikativer Situation und höhere Entspannungsfähigkeit nach dem Arbeitsalltag.
Die Empfindlichkeit bei sozialer Frustration zeigte einen signifikanten Unterschied zwischen den Altersgruppen, mit hohen Werten bei aktiven, durchsetzungsfähigen, stabilen und rücksichtsvollen jüngeren Lehrern (AP1) und bei expansiven Älteren (AP3). Bei deutschen Studierenden des Lehramts zeigte sich im Vergleich mit Studierenden der Rechtswissenschaften und der Humanmedizin bereits eine ausgeprägte Empfindlichkeit bei sozialer Frustration bei überwiegend weiblichen Studierenden (72,6 %; [26]).
In den Merkmalen des Leistungsverhaltens wurden keine signifikanten Differenzen zwischen beiden Altersgruppen festgestellt. Eine bessere Selbsteinschätzung des Leistungsverhaltens seitens der jüngeren Lehrer wurde nicht festgestellt. In den Profilen des Leistungsverhaltens waren 22,6 % der Lehrer wenig engagiert, aber selbstvertrauend und erfolgsorientiert (BP3 AG I: 25,6 %, AG II 19,8 %), gefolgt von 22 % wenig karriere- und risikobereit (BP4 AG I: 15,1 %, AG II: 28,6 %) und 21,5 % unauffällig (BP2 AG I: 20,9 %, AG II: 22 %). Das Profil BP4 zeigte den höchsten Unterschied in der Verteilung zwischen den beiden Altersgruppen. Die älteren Lehrer waren weniger karriere- und risikobereit. Ein signifikanter Unterschied bei den älteren Lehrern bestand bei den engagierten, stabilen, erfolgsorientierten und optimistischen Lehrkräften (BP1) im „Selbstvertrauen bei Prüfungsanforderung“ sowie bei wenig stabilen, selbstunsicheren Lehrern (Profil BP5) in der „Beharrung bei Umstellungserfordernis“.
Die AG I zeigte eine signifikant bessere „Entspannungsfähigkeit nach dem Arbeitstag“. Im Gesundheits- und Erholungsverhalten waren 31,3 % der Lehrer unauffällig (CP2 AG I: 31,1 %, AG II: 29,7 %). Weitere 25,4 % der Lehrer handelten jeweils wenig entspannungsfähig, erholungssuchend und vorsorgend (CP5 AG I: 27,8 %, AG II: 23,8 %). Jüngere Lehrkräfte boten ebenfalls eine deutlich bessere Erholungsfähigkeit als ihre älteren Kollegen in der Studie von Seibt et al. [27]. Auch eine weitere Studie belegte eine zunehmende Erholungsunfähigkeit mit dem Alter, und dass sich dieses negativ auf die Gesundheit auswirkt [28]. Ob es an Ineffektivität der Gesundheitsmaßnahmen oder zunehmender Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte liegt, wurde hier nicht untersucht.
Gründe für die Gesundheitsprobleme von Lehrkräften liegen nicht nur in den objektiven Merkmalen der Arbeit, sondern auch in ihrer Einstellung zu ihrer Gesundheit, einem geringen Bewusstsein für Risikofaktoren und geringen Möglichkeiten zur Prävention von arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten, aber auch den Persönlichkeitsmerkmalen, wie die vorliegende Studie zeigt. Des Weiteren ist anzumerken, dass geschlechterspezifisch Stress verschieden wahrgenommen werden kann, worauf hier jedoch weniger Rücksicht genommen wurden [2, 10].

Limitation

Durch die Selbsteinschätzung der Lehrer kann eine überkritische Bewertung nicht ausgeschlossen werden. Durch die Verwendung der Fragebögen, wäre eine Beantwortung der Fragen im Sinne der sozialen Erwünschtheit möglich. Besondere Lebensereignisse, z. B. Pflege von Angehörigen, Kinder usw. wurden nicht berücksichtigt. Außerdem kann eine Rücklaufquote nicht sicher angegeben werden, sodass die Übertragbarkeit auf die gesamte Lehrerschaft in der Ukraine nur vorsichtig gewagt werden kann. Aufgrund der Querschnittstudie können nur Assoziationen gefunden werden. Veränderungen über die Zeit müssen im Rahmen von Längsschnittstudien ermittelt werden. Es kann diskutiert werden, ob die männlichen Probanden aufgrund ihrer geringen Anteilnahme an der Befragung hätten ausgeschlossen werden sollen. Außerdem können Unterschiede in den verschiedenen Schularten vermutet werden, was hier nicht untersucht wurde. DSI-Mischtypen wurden hier nicht berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass diese Mischtypen auch zusätzliche Informationen generieren, jedoch wird diese Gruppe seitens des Manuals ebenfalls nicht berücksichtigt.

Ausblick

Zusammenfassend weisen überbeanspruchte Lehrer Persönlichkeitseigenschaften und interventionsbedürftiges Verhalten auf, wie z. B. Inaktivität im sozial-kommunikativen Verhalten, geringe Karriere- und Risikobereitschaft im Leistungsverhalten sowie geringe Entspannungsfähigkeit, Erholungssuche und Vorsorge im Gesundheits- und Erholungsverhalten. Das Alter spielt dabei eine wichtige Rolle.
Rechtzeitige Verhaltens- und Verhältnispräventionen insbesondere im Sinne der Stärkung persönlicher Ressourcen sind neben der Reduzierung der psychischen Belastung überaus sinnvoll, um die psychische Gesundheit der Lehrer nachhaltig stabilisieren und fördern zu können. Das gilt insbesondere für beanspruchte Lehrkräfte. Gut entwickelte persönliche Ressourcen können dann ein aktives, durchsetzungsfähiges, stabiles und rücksichtsvolles sozial-kommunikatives Verhalten begünstigen, das niedrige Beanspruchung und erfolgreiches Coping zeigt. In Bezug auf die Präventionsmaßnahmen wäre vorstellbar, dass beispielsweise jährliche individuelle Analysen der gesundheitlichen, sozialen und freizeitlichen Situation im Einverständnis mit den Lehrern angeboten werden, um früher auf Risikoverhalten aufmerksam zu werden. Hier wäre eine arbeitsmedizinische Vorsorge, wie sie in Deutschland vorgeschrieben ist, an den Schulen zu implementieren.

Fazit für die Praxis

  • Ältere Lehrer sind erholungsunfähiger.
  • Ergebnisse implizieren nicht nur die Notwendigkeit von arbeitsmedizinischen Maßnahmen an den ukrainischen Schulen, sondern dienen auch dazu, nationale Daten zur Belastungssituation und psychischen Gesundheit später vergleichend zu anderen Ländern beurteilen und einstufen zu können.
  • Es besteht die Notwendigkeit weiterer Forschungen hinsichtlich der Effektivität von Interventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz.
  • Maßnahmen zur rechtzeitigen Verhaltens- und Verhältnispräventionen sowie die Reduzierung der psychischen Belastung sollten v. a. bei beanspruchten Lehrkräften angeboten werden, um hier der Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers zu entsprechen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

B. Thielmann, T. Jurkul, I. Zavgorodnii und I. Böckelmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Bei Forschungen mit probandenbezogenen Daten wurde die Deklaration von Helsinki in ihrer aktuellen Version berücksichtigt. Es lag ein positives Votum des ukrainischen städtischen Ministeriums für Schulwesen (Nr. 1358 vom 04.05.2012) vor. Für die weitere Verarbeitung der Daten in Deutschland lag zusätzlich ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität (Nr. 19/2016) vor.
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Fußnoten
1
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird hier die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
 
Literatur
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Zurück zum Zitat Antonovsky A (1997) Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. DGVT, Tübingen Antonovsky A (1997) Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. DGVT, Tübingen
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Metadaten
Titel
Persönlichkeitsprofile und individueller Umgang mit Stress im Altersgruppenvergleich von ukrainischen (weiblichen) Lehrern
verfasst von
Dr. med. Beatrice Thielmann
Tanja Jurkul
Igor Zavgorodnii
Irina Böckelmann
Publikationsdatum
26.10.2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie / Ausgabe 1/2023
Print ISSN: 0944-2502
Elektronische ISSN: 2198-0713
DOI
https://doi.org/10.1007/s40664-022-00484-8

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