Das Management von krankheits- und therapiebedingten Symptomen ist eine Kernaufgabe onkologischer Pflege. Neben eigener Beratung und Anbieten von Interventionen koordiniert Pflege das multidisziplinäre Team. Chronisch kranke Krebspatienten müssen lernen, ihre Symptome selbst zu managen.
Fragestellung
Welche Faktoren müssen bei der Entwicklung maßgeschneiderter Symptommanagement-Interventionen besonders berücksichtigt werden?
Methode
Die Fragestellung wird literaturgestützt und anhand von praktischen Erfahrungen aufgearbeitet.
Ergebnisse
Das Modell von Dodd et al. stellt die Grundlage des pflegerischen Verständnisses von Symptommanagement dar. Ausgehend von der Symptomerfahrung der Patienten können individuelle Symptommanagement-Interventionen entwickelt werden. Leitend sind dabei die Fragen: Was? Wann? Wo? Warum? Wie viel? Für wen? Wie? Die Evaluation findet durch Erheben des funktionellen oder emotionalen Status, der Fähigkeit zur Selbstpflege, Kosten, Lebensqualität, sowie Morbidität und Mortalität statt.
Schlussfolgerung
Für eine erfolgreiche Symptommanagement-Intervention ist multidisziplinäres Zusammenarbeiten erforderlich. Dabei müssen Symptome, die zu einer intensiven Symptomerfahrung führen, zunächst identifiziert und verstanden werden. Auf dieser Basis können Interventionen entwickelt und evaluiert werden
Eine Krebserkrankung beginnt für die Betroffenen häufig mit einem Symptom, weshalb sie sich gezwungen sehen, zum Arzt zu gehen. Das kann z. B. ungewollter Gewichtsverlust sein, aber auch starke Müdigkeit. Nach der Diagnosestellung beginnt die Krebstherapie und führt häufig zu einer Verbesserung der krankheitsbedingten Symptome. Parallel entstehen aber therapiebedingte Symptome. Das Assessment dieser krankheits- und therapiebedingten Symptome sowie adäquate Beratung und Symptommanagement-Interventionen sind Kernkompetenzen onkologischer Pflege.
Symptommanagement ist Teamarbeit. Für Symptominterventionen braucht es einen multiprofessionellen Ansatz. Für eine wirksame und nachhaltige Behandlung von Fatigue z. B. leisten Fachpflegekräfte nebst Ärzten, Psychoonkologen, Sporttherapeuten, Ernährungsberatung und Komplementärmediziner ihren Beitrag. Onkologische Fachpflege ist hier durch die Nähe zum Patienten häufig die Berufsgruppe, die Symptome erkennt, eigene Interventionen und Beratung anbietet und den Einsatz des multidisziplinären Teams koordiniert. Der Beitrag von Fachpflegekräften zur Symptomintervention bei Fatigue ist u. a. die Erstberatung und Aufklärung, was eine Fatigue ist, Beratung zum Aktivitätsmanagement und Energieerhalt, managen anderer Symptome, die zur Fatigue beitragen, oder Schlafförderung.
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Symptommanagement bezieht sich somit nicht nur auf das Ausführen von Interventionen. Häufig müssen der Patient und seine Angehörige selbstständig in der Lage sein, diese Interventionen durchzuführen. Zuhause haben sie in aller Regel keine professionelle Unterstützung. Information, Schulung und Beratung zum Symptomselbstmanagement ist notwendig, v. a. bei Krebserkrankungen, die immer öfter einen chronischen Verlauf haben. Im Rahmen der Beratung muss eine Symptommanagement-Strategie möglichst individuell gestaltet werden, damit sie in den Alltag des Patienten passt. Nur dann wird der Patient diese auch durchführen und zum Experten für seine Erkrankung werden können.
Für Symptominterventionen braucht es einen multiprofessionellen Ansatz
Das Verstehen der Ursachen und der Auswirkungen, welche die Symptome der Patienten in deren Alltag verursachen, muss das Ziel des pflegerischen Assessments sein. Daraus können den Patienten individuell passende Interventionen angeboten werden, die deren Bedürfnissen entsprechen und die Einschränkungen im Alltag beheben, reduzieren oder eine weitere Verschlechterung verhindern. Den Weg zu einer individuell angepassten Symptommanagement-Intervention beschreibt das Symptommanagement-Modell von Dodd et al. [5]. Mit ihrem Modell prägten die Autorinnen die onkologische Pflegewissenschaft der letzten 20 Jahre.
Symptome und Zeichen
Dodd et al. definieren ein Symptom als eine subjektive Erfahrung, die Veränderungen in der biopsychosozialen Funktion, den Empfindungen oder der Wahrnehmung eines Individuums widerspiegelt. Im Gegensatz dazu wird ein Zeichen als jede Abnormität definiert, die auf eine Krankheit hinweist und die vom Individuum oder von anderen erkannt werden kann [5]. Die Worte „Zeichen“ und „Symptom“ werden häufig synonym verwendet. Oft wird auch das Symptom als ein Zeichen einer Krankheit bezeichnet. Diese Gleichsetzung greift aber zu kurz, da so der unsichtbare, verborgene und private Teil eines Symptoms unberücksichtigt bleibt. Und gerade dieser Teil ist für das ganzheitliche Verständnis in der Pflege von zentraler Bedeutung. Symptome sind subjektive Phänomene, welche den Betroffenen eine Veränderung zum Normalzustand anzeigen. Sie können zu Beginn ignoriert werden. Man muss sich Symptome bewusst machen. Symptome müssen begriffen und verstanden werden, was sie sowohl für das betroffene Individuum als auch für das medizinische Behandlungsteam um einiges komplexer macht als Zeichen [22]. Dabei können Symptome vorübergehend auftreten, z. B. akute Übelkeit bei Cisplatin-Gabe. Sie können auch chronisch manifestiert sein, z. B. Fatigue, die noch Jahre nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung vorhanden sein kann. Oder sie sind wiederkehrend, z. B. die antizipatorische Übelkeit nach Chemotherapie.
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Ein Zeichen ist dahingegen durch andere objektiv erkennbar. Im Mittelalter hat ein Zeichen auf etwas Böses wie z. B. den Teufel hingewiesen [22]. So konnte während der Hexenverfolgung im Mittelalter ein Muttermal als Zeichen des Teufels gedeutet werden und zur Verurteilung als Hexe führen. Mit dem medizinischen Fortschritt über die Jahrhunderte ermöglichten Erfindungen wie das Mikroskop, das Stethoskop oder die Röntgenuntersuchung immer mehr, objektive Zeichen zu erkennen, auch wenn noch keine Symptome sichtbar waren. Aus diesem Grund bekamen die Worte „Symptom“ und „Zeichen“ im 20. Jahrhundert eine zunehmend unterschiedliche Bedeutung. Zeichen können nun vereinzelt auch erkannt werden, noch bevor die Betroffenen sie als Symptom überhaupt bemerken, z. B. beim Bluthochdruck [21].
Ein Symptom ist eine subjektive Erfahrung
Letztlich befindet sich jedes Phänomen auf einem Kontinuum zwischen den Polen „Symptom = subjektiv“ und „Zeichen = objektiv“. Hat ein Patient ein verzerrtes Gesicht, dann ist dies ein deutliches Zeichen für seine Schmerzen. Wenn er anamnestisch von seinen Schmerzen berichtet, die man ihm ansonsten nicht angesehen hätte, dann handelt es sich um ein Symptom. Die durch Chemotherapie induzierte Polyneuropathie (CIPN) beginnt rein subjektiv. Betroffene spüren ein Kribbeln in Händen oder Füßen. In diesem sehr frühem Stadium kann die CIPN nur erfragt werden mit einem systematischen Symptom-Assessment wie z. B. mit dem FACT-Fragebogen (The Functional Assessment of Cancer Therapy) zu Taxane [4]. Aber ob der Patient seine CIPN-Symptome preisgibt, ist nicht gewiss. Beobachtbar wird die CIPN erst durch auffällige Gangbilder oder durch sichtbare Schmerzreaktionen bei der Berührung von Gegenständen. Dann ist es in der Regel schon zu spät für wirksame Interventionen. Dies zeigt die Bedeutung der Symptomdefinition nach Dodd et al. [5]. Beratung zur Früherkennung der CIPN durch den Patienten selbst ist die wirksamste Intervention gegen CIPN.
Prävention durch Symptomberatung
Patienten müssen eine CIPN als solche erkennen und diese ihrem Behandlungsteam frühzeitig melden, sobald sie diese bemerken. In einer qualitativen Studie über das Erleben von CIPN zeigte Bakitas, dass das nicht immer einfach ist [3]. So kann CIPN im Alltag von den Betroffenen ein- und ausgeblendet werden wie die Hintergrundmusik beim Einkaufen im Supermarkt. Mal ist sie da, mal nicht. Sie erscheint deshalb anfangs noch harmlos, und viele gute Gründe sprechen dafür, dass der Patient die CIPN für sich behält. „Das kann ich sehr gut ertragen!“ „Wenn ich das berichte, dann verliere ich meine so wichtige Therapie.“ „Das bisschen Kribbeln ist zu banal, als dass ich den Hrn. Professor damit belästigen kann.“ Möglicherweise wird die CIPN auch gar nicht auf die Chemotherapie zurückgeführt. Erst durch eine fortschreitende Verschlechterung der CIPN wird für den Patienten ein durchaus problematischer Verlauf erkennbar. Betroffene versuchen dann, diese „merkwürdigen Gefühlssensationen“ in Worte zu fassen und ihrem Behandlungsteam mitzuteilen. Hier kann es dann zu gegenseitigen Verständnisproblemen kommen, wenn Patienten diese mit ihren eigenen Worten versuchen zu beschreiben. Eine wichtige Symptomintervention ist daher eine möglichst frühzeitige Information der Patienten über die Zeichen einer CIPN. So können die Betroffenen auch die passenden Worte zum Beschreiben der Gefühlssensationen erlernen. Zudem muss die Bedeutung, diese dem Behandlungsteam frühzeitig mitzuteilen, unterstrichen werden [25].
Symptome sind durch ihre Subjektivität schwerer zu erkennen als Zeichen und sehr individuell
Zeichen erhalten in der Patientenbetreuung meist mehr Aufmerksamkeit, weil sie beobachtbar und messbar sind. Symptome sind durch ihre Subjektivität schwerer zu erkennen und sehr individuell. Von Patient zu Patient ist die Art und Weise, wie die Symptome erfahren werden, sehr unterschiedlich. Deren Symptomerfahrung (Symptom Experience) kann sich von der im Assessment erhobenen Häufigkeit, Intensität oder Dauer von Symptomen unterscheiden. So können im Assessment Symptome erfasst werden, die Patienten aber nicht beunruhigen, z. B. die Appetitlosigkeit während einer Hochdosis-Chemotherapie [17]. Dass diese auftreten kann, ist vielen Patienten schon vor der Therapie bewusst. Die Appetitlosigkeit ist zu erwarten und zeitlich begrenzt. Patienten können aber auch von Symptomen beunruhigt sein, die durch das medizinische Team überhaupt nicht festgestellt wurden [16]. „Mein Schwager hat sich vor 15 Jahren während seiner Chemotherapie ständig übergeben. Das war furchtbar. Mir ist auch schon ganz flau im Magen. Hoffentlich geht es mir nicht so.“ Die Symptomerfahrung ist der Ausgangspunkt für das Symptommanagement.
Symptomerfahrung als Ausgangspunkt des Symptommanagements
Symptom Occurrence
Die Symptomerfahrung umfasst mehrere Dimensionen. Eine davon ist die Symptom Occurrence, welche die Art und Weise beschreibt, wie ein Symptom in Erscheinung tritt. Hierzu zählen die Häufigkeit, Dauer und Intensität bzw. Ausmaß, indem ein Symptom Beschwerden verursacht [16]. Diese Faktoren lassen sich sehr gut darstellen durch die Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE) des National Cancer Institute [19]. Hier findet für eine Vielzahl an Zeichen und Symptomen eine Gradeinteilung statt, die sich z. B. an der Frequenz oder der Ausprägung, der Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) und der Bedrohlichkeit orientiert. Grad 1 ist dabei meistens die erste Erscheinung des Symptoms ohne direkten Einfluss auf den Gesundheitsstatus. Grad 2 ist häufig definiert durch Einschränkungen in den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (IATL) [9], Grad 3 durch Einschränkungen in den ATL [7], Grad 4 ist ein lebensbedrohlicher Zustand, und Grad 5 ist immer der Tod durch das Zeichen oder Symptom. Oder es wird die Häufigkeit gezählt. Bei Grad 1 tritt das Symptom ein- bis 2‑mal auf, Grad 2 dann 3‑bis 6‑mal, Grad 3 6‑mal oder mehr, ab Grad 4 wird es dann wieder lebensbedrohlich, und Grad 5 ist, wie oben genannt, der Tod. Die untenstehenden Tab. 1 und 2 sollen dies beispielhaft verdeutlichen. In aller Regel spricht man bei Medikamenten, deren Nebenwirkungen in einer Stärke von Grad 1 oder 2 liegen, von einem tolerablen Nebenwirkungsprofil.
Tab. 1
Einteilung der Schweregrade von Übelkeit nach den CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events) v4.03
Grad
Übelkeit
1
Appetitverlust ohne Änderungen der Essgewohnheiten
2
Nahrungsaufnahme reduziert ohne Gewichtsverlust, Dehydrierung oder Mangelernährung
3
Ungenügende Kalorien- oder Flüssigkeitsaufnahme; Indikation zu enteraler oder parenteraler Ernährung, i.v. Flüssigkeitszufuhr oder Hospitalisation
Tab. 2
Einteilung der Schweregrade von Diarrhö nach den CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events) v4.03
Grad
Diarrhö
1
1–3 Stühle über der Baseline
2
4–6 Stühle über der Baseline
3
7 oder mehr Stühle über der Baseline, Stuhlinkontinenz, Hospitalisation indiziert, limitierte Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)
Doch ob eine Nebenwirkung tolerabel ist oder nicht, ist eindimensional nur mit der Symptom Occurrence nicht beurteilbar. Patienten können ihre Symptome sehr unterschiedlich bewerten. Während für den einen Patienten ein Grad-2-Symptom wirklich tolerabel ist, kann für einen anderen Patienten ebenfalls mit Grad 2 das Symptom nicht tolerierbar sein und ihn zum Abbruch einer Therapie bewegen. Der Unterschied liegt in der Belastung, die durch ein Symptom beim Patienten entsteht (Symptom Distress).
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Symptom Distress ist die Reaktion eines Menschen auf das Ausmaß eines Symptoms
Eine der ersten Definitionen bezeichnet Symptom Distress als den Grad an Unbehagen, die ein Patient als Reaktion auf das Erfahren eines Symptoms berichtet [15]. Rhodes and Watson definierten es als Grad oder Anzahl von physischem oder mentalem Ärger, Angst oder Leiden, welche aufgrund eines bestimmten Symptoms erlebt werden [22]. Tishelman, Taube and Sachs beschreiben es als facettenreiche und komplexe Reflektion der Krankheit (sowohl persönlich als auch kulturell) und des Krankheitsprozesses [26]. Symptom Distress ist also die Reaktion eines Menschen auf das Ausmaß eines Symptoms. Sowohl die Abweichung von der normalen Funktion, Empfindung oder Erscheinung als auch die Interpretation von deren Bedeutung bestimmt den Symptom Distress [16]. Ein wichtiger Schritt zum Erfassen der Patientenperspektive auf Symptome ist die Verwendung von Patient-Reported Outcomes (PRO). Hier können die PRO-CTCAE des National Cancer Institute verwendet werden [20], um die Patienten zu befragen, wie intensiv sie ein Symptom in den letzten 7 Tagen empfunden haben. Um den Distress zu erfassen und damit eine zweite Dimension hinzuzufügen, können die Fragen des PRO-CTCAE-Katalogs umformuliert werden. Die Frage lautet dann, wie belastend ein Symptom in den letzten 7 Tagen war [8, 17].
Nach der Selbstregulationstheorie von Leventhal [12, 13] sind wir dem Begriff der Symptomerfahrung damit schon sehr nahe. Demnach umfasst die Symptomerfahrung 2 Dimensionen:
die kognitive Dimension, die man messen kann, und die der Symptom Occurrence entspricht, und
die emotionale Dimension, welche die emotionale Reaktion von Patienten auf ein Symptom widerspiegelt [8].
Symptomerfahrung vereinigt die beiden Konzepte der Symptom Occurrence und des Symptom Distress miteinander. So wurde Symptom Experience zunächst definiert als die Wahrnehmung und Reaktion von Patienten auf ihre Symptomausprägung und deren Distress [24]. Symptome stellen also die Erkrankung so dar, wie sie von einem Individuum im Rahmen eines kognitiven Bearbeitungsprozesses erfahren wird [2].
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Symptom Meaning
Die Kritik an dieser Sichtweise ist, dass die wahrgenommene Ausprägung eines Symptoms nicht immer mit Symptom Distress korrelieren [14]. Ein intensiv empfundenes Symptom muss nicht zwangsläufig auch als belastend wahrgenommen werden. Theoretisch können sie können sogar gegenläufig sein. Ein Patient kann aufgrund eines Symptoms, das er nicht aufweist, einen größeren Distress erleben als jemand, bei dem ein Symptom sehr ausgeprägt ist. Dies kann bei Symptomen auftreten, die mit der Wirkung eines Medikaments korrelieren, z. B. beim papulopustulären Exanthem (Rash) unter einer Therapie mit EGFR-Hemmern (Epidermal Growth Factor Receptor). So kann ein Patient das Ausbleiben des Exanthems gleichsetzen mit der Unwirksamkeit der Therapie, was ihn sehr belastet. Ein anderer Patient freut sich über sein Exanthem, obwohl es sehr ausgeprägt ist, alle Menschen ihn anstarren und es auch sehr juckt. Aber weil er die Wirkung der Therapie gegen seine Krebserkrankung förmlich spüren kann, bewertet er das Symptom positiv. Das entscheidende Kriterium, was den Unterschied zwischen den beiden Beispielpatienten ausmacht, ist die Bedeutung (Symptom Meaning), welche die Patienten dem Symptom beimessen.
Ein intensiv empfundenes Symptom muss nicht auch als belastend wahrgenommen werden
Symptom Meaning kann sehr stark geprägt sein z. B. von Vorerfahrungen („So hat es bei meinem Schwager auch angefangen und am Ende ist er daran gestorben“) oder der Kultur („Als Mann muss ich die Schmerzen ertragen können“). Daher empfiehlt es sich, Symptom Meaning beim Assessment von Symptom Experience in den Mittelpunkt zu stellen [6]. Symptom Meaning macht Symptom Experience zu einem multidimensionalen und dynamischen Prozess, dessen Bedeutung ein Individuum von einer subjektiven ungewöhnlichen Empfindung ableitet.
Modell der Erfahrung von Symptomen
In ihrem Symptoms-Experience-Modell definiert Armstrong die Symptomerfahrung als die Wahrnehmung der Häufigkeit, der Intensität, der Belastung und der Bedeutung von Symptomen, die bei deren Entstehung auftritt [2]. Häufig treten sogar mehrere Symptome gleichzeitig auf, die sich in ihrer Wirkung auf die Symptom Experience multiplizieren können. Als beeinflussende Faktoren für das Entstehen von Symptomen beschreibt sie die demografischen Eigenschaften von Patienten, die Charakteristika ihrer Erkrankung und individuelle Eigenschaften. Die Art und Weise, wie sich die Symptomerfahrung ausdrückt, hängt von den Konsequenzen des Symptoms ab, wie z. B. Anpassungsfähigkeit an die Erkrankung, Lebensqualität, Stimmung, funktioneller Status, Krankheitsprogression oder Überleben. Das Armstrong-Modell macht deutlich, wie breit ein individuelles Symptom-Assessment aufgestellt sein muss, um die Symptomerfahrung eines Patienten zu verstehen. Hinzu kommt noch der Faktor Zeit. Ein Symptom, welches über eine lange Zeit erlebt wird, kann auf Dauer unterschiedlich bewertet werden. So kann ein Symptom, das als Nebenwirkung einer Erstlinientherapie noch sehr gut tolerabel war, bei ein und demselben Patienten bei der Drittlinientherapie nicht mehr akzeptabel sein [1].
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Symptommanagement-Modell für die Pflegewissenschaft
Wie bereits erwähnt, bildet im Symptommanagement-Modell die Symptom Experience der Patienten die Grundlage für das Symptommanagement [5]. Damit basiert das Symptommanagement folglich auch auf Patient-Reported Outcomes. Das ist eine der Hauptvoraussetzungen in diesem Modell. Doch dies allein wäre nicht ausreichend. Daher wurden noch andere Voraussetzungen formuliert. Bei manchen Symptomen kann auch eine vorbeugende Intervention sinnvoll sein, nämlich dann, wenn ein Risiko besteht, z. B. die orale Kryotherapie zur Prävention der oralen Mukositis bei der Hochdosisgabe von Melphalan [11]. Zudem müssen unangenehme Symptome auch behandelt werden können, wenn ein Individuum sich nicht äußern kann. Dann müssen Interventionen auch auf Interpretationen von Eltern oder Fachpflegenden geplant werden. Eine Symptommanagement-Intervention kann auf ein Individuum, dessen Familie, eine Gruppe oder ein Setting abzielen. Und das Symptommanagement ist ein dynamischer Prozess, der durch individuelle Outcomes und Einflüsse der Dimensionen pflegerischen Handelns (Mensch, Gesundheit und Krankheit, Umwelt) verändert werden kann.
Die Dimensionen pflegerischen Handelns (Mensch, Gesundheit und Krankheit, Umwelt) stammen aus der Welt der Pflegetheorien. Jede Pflegetheorie kann mit diesen Paradigmen beschrieben werden. Welches Menschenbild hat die Pflegetheorie, wie definiert sie Gesundheit und Krankheit, und welche Rolle spielt die Umwelt? Sie stellen wichtige Kontextvariablen in Symptommanagement-Modell dar. Zwar ist das Symptommanagement-Modell keine Pflegetheorie, aber die Ausformulierung dieser Paradigmen soll die Verbindung zur Pflegewissenschaft ermöglichen. Und das ist zur Entwicklung von Symptommanagement-Interventionen essenziell. Der Mensch reagiert aufgrund seiner demografischen, psychologischen, soziologischen und physiologischen Variabler individuell auf die Symptome. Der Gesundheits- oder Krankheitsstatus eines Menschen mit allen Einflussfaktoren, z. B. Risikofaktoren, Verletzungen oder Behinderungen, beeinflussen die Symptom Experience. Und die Umwelt ist die Summe aus allen Umständen, unter denen ein Symptom auftritt. Das umfasst physische (Zuhause, Arbeit, Krankenhaus), soziale (unterstützendes Netzwerk, Beziehungen) und kulturelle (Glaube, Werte, Gepflogenheiten) Umstände.
Symptommanagement ist ein dynamischer Prozess
Im Kontext dieser Dimensionen spielt sich das Symptommanagement ab, ausgehend von der Symptomerfahrung. Ziel ist es, Symptome zu verhindern oder abzuschwächen. Hierfür ist das Erheben der Symptomerfahrung essenziell. Hieraus werden Interventionen abgeleitet, die auf eine oder mehrere Komponenten der individuellen Symptomerfahrung abzielen. Symptommanagement ist dabei ein dynamischer Prozess, der immer wieder Änderungen der Interventionsstrategien erfordern kann. Im Modell von Dodd et al. [5] werden Symptommanagement-Strategien charakterisiert durch Fragen: Was wird getan? Wann? Wo? Warum? Wie viel? Für wen? Wie? Der Outcome des Symptommanagements kann dann evaluiert werden durch Erheben des funktionellen oder emotionalen Status, die Fähigkeit zur Selbstpflege, Kosten, Lebensqualität sowie Morbidität und Mortalität.
Symptommanagement-Modell in der Praxis
Wie eine praktische Umsetzung des Symptommanagement-Modells aussehen kann, wurde in einem Workshop der Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten APN (Advanced Practice Nurses) der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation am Uniklinikum Freiburg diskutiert [10]. Dabei ist das in Abb. 1 dargestellte Modell entstanden. Es beruht auf den Überlegungen, wie im Rahmen des Symptommanagements wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis gebracht werden können bzw. praxisrelevante Probleme in die Wissenschaft. Grundvoraussetzung stellen hier die 4 Säulen evidenzbasierter Pflege nach Rycroft Malone dar [23], Erkenntnisse aus der Forschung, eigene Erfahrungen, örtliche Gegebenheiten und Patientenpräferenzen. Der erste Schritt des Modells lautet „Identifizieren“ von Symptomen, die bei der untersuchten Patientengruppe eine starke Symptomerfahrung hervorrufen. Am Beispiel von Patienten mit multiplem Myelom während der Hochdosischemotherapie mit Melphalan und autologer Stammzelltransplantation war das Diarrhö [17].
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Um die Fragen Was? Wann? Wo? Warum? Wie viel? Für wen? Wie? beantworten zu können, muss im zweiten Schritt „Verstehen“ das Symptom Diarrhö in diesem Kontext näher verstanden werden. Was sind die Ursachen? Handelt es sich wirklich um Diarrhö, oder wird es nur als solche empfunden? Wenn ja, von welchem Grad der Diarrhö reden wir? Welchen Verlauf nimmt die Diarrhö? Wo kann ich mit einer Intervention ansetzen? Handelt es sich um eine gastrointestinale Mukositis? Ist es eine Nebenwirkung der Antibiotika? Welche Rolle spielen pathogene Keime? In diesem Beispiel nehmen wir an, es ist eine gastrointestinale Mukositis, die mit Loperamid behandelt werden könnte. Durch fehlende Adhärenz beim medizinischen Team wurde dies aber nicht getan.
Mithilfe der bereits genannten Fragen konnte unter dem dritten Schritt „Entwickeln“ eine Symptommanagement-Intervention etabliert werden. Die Patienten konnten bereits vor der Hochdosistherapie über das Auftreten der Diarrhö aufgeklärt werden, und ihnen wurde nahegelegt, Loperamid beim medizinischen Team frühzeitig einzufordern. Parallel wurde das medizinische Team nochmals durch Schulungen zum Thema Diarrhö sensibilisiert.
Der vierte Schritt „Verbessern“ betrifft das Outcome, welches durch die Anzahl der Diarrhöen pro Tag bzw. die Gradeinteilung nach CTCAE evaluiert wurde. In diesem Beispiel trat bei Patienten mit Beratung vor der Hochdosischemotherapie keine Grad-3-Diarrö auf, und die Dauer der Diarrhö war kürzer [18].
Fazit für die Praxis
Symptommanagement ist Teamarbeit.
Die Zusammenarbeit verschiedener Professionen ist entscheidend für erfolgreiche Symptommanagement-Interventionen.
Ausgangspunkt für das Symptommanagement ist die Symptomerfahrung, die sich aus der Art und Weise, wie das Symptom in Erscheinung tritt (Symptom Occurrence), der Belastung (Symptom Distress) und der Bedeutung (Symptom Meaning), die der Patient dem Symptom gibt, zusammensetzt.
Das Symptommanagement-Modell nach Dodd et al. bietet der Pflegewissenschaft und der Pflegepraxis eine Hilfestellung zum Entwickeln von Symptommanagement-Interventionen.
Dabei müssen die Symptome mit ausgeprägter Symptomerfahrung identifiziert und verstanden werden.
Dann kann eine Intervention entwickelt und evaluiert werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Naegele gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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