Erschienen in:
18.12.2018 | Autopsie | Originalien
Pflegebedürftige im rechtsmedizinischen Untersuchungsgut
verfasst von:
S. M. Gräwert, J. Dreßler, C. König, B. Ondruschka
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 2/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund und Ziel der Arbeit
Pflegebedürftige stellen einen wichtigen Teil des rechtsmedizinischen Untersuchungsguts dar, da sich für diese Personen häufig Fragen zu Misshandlungen oder pflegerischer Sorgfaltspflichtverletzung ergeben. Aufgrund des Personalmangels werden möglicherweise viele Patienten von Menschen gepflegt, die leichter Fehler machen als in der Pflege ausgebildete Personen. Hauptziel der retrospektiven Studie war es, einen Überblick über die rechtsmedizinischen Besonderheiten Pflegebedürftiger zu erhalten, mit besonderem Augenmerk auf Behandlungs- und Pflegefehlern sowie der Prävalenz und den Charakteristika von Verletzungen.
Material und Methode
Inkludiert wurden alle Pflegebedürftigen, die zwischen 2012 und 2016 obduziert oder in der Gewaltambulanz des Leipziger Instituts für Rechtsmedizin untersucht wurden. Insgesamt wurden 306 Obduktionsfälle und 20 Lebenduntersuchungen analysiert. Ausgewertet wurden die Obduktions- bzw. Untersuchungsberichte, einschließlich aller weiteren zur Verfügung stehenden Unterlagen.
Ergebnisse
Es wurden 20 Fälle eines Behandlungs- bzw. Pflegfehlers ermittelt, wovon 75,0 % als ursächlich für den Tod des zu Pflegenden bewertet wurden. Bei 34,0 % der Verstorbenen fanden sich Frakturen, bei 42,8 % bzw. 12,4 % Haut- bzw. Organverletzungen. In 7 Fällen (2,1 %) war Gewalt unter Pflegeheimbewohnern („resident-to-resident aggression“) Ursache der Verletzungen. Weder Alter und Geschlecht der Pflegebedürftigen noch die Pflegeart (ambulant, stationär, betreutes Wohnen) erwiesen sich als Prädiktoren für Verletzungen oder Pflege- und Behandlungsfehler.
Schlussfolgerung
Da die häufigsten Pflege‑/Behandlungsfehler das Verkennen einer Notsituation bzw. eine unterlassene Hilfeleistung waren, scheint eine diesbezüglich fundierte Aus- und Weiterbildung des Pflegepersonals notwendig zu sein. Dies ist die erste deutsche Studie, die Gewalt unter Pflegeheimbewohnern systematisch erfasst hat. Fortführende Studien an anderen deutschen Instituten könnten helfen, weitere Erkenntnisse zu diesem pflegespezifischen Problem zu sammeln.