So hoch ist die Sterberate nach Tonsillektomie

Wie viele Kinder, die die Gaumenmandeln entfernen lassen müssen, sterben infolge der OP? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA geben in einer aktuellen Studie eine Schätzung ab – auch in Bezug auf Risikofaktoren für Komplikationen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Besonderes Augenmerk legten die Forschenden auf Patientengruppen mit einem erhöhten Komplikationsrisiko, wie etwa Kleinkinder sowie Kinder mit Schlafstörungen oder schwerwiegenden chronischen Erkrankungen. Die Autorinnen und Autoren um Bruce Edmonson von der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health, Madison, Wisconsin, analysierten dazu die Daten von insgesamt 505.812 Tonsillektomien. Sie inspizierten postoperative Todesfälle von Kindern und Jugendlichen, bei denen zwischen 2005 und 2017 in den fünf US-Bundesstaaten Kalifornien, Florida, Maryland, New York und Wisconsin eine Tonsillektomie mit oder ohne Adenoidektomie vorgenommen worden war. In der retrospektiven Kohortenstudie wurden Kinder und Jugendliche unter 21 Jahren durchleuchtet, 10,1% waren jünger als drei Jahre. In 28,9% der Fälle lag eine obstruktive schlafbezogene Atmungsstörung vor und 2,8% litten unter einer komplexen chronischen Erkrankung. 36 Kinder (7 von 100.000 Tonsillektomien) starben während des Studienzeitraums innerhalb von 30 Tagen nach Aufnahme zur Mandel-OP. Komplexe chronische Erkrankungen waren mit einer erhöhten Mortalität nach dem Eingriff assoziiert, sie lag bei 117 von 100.000 Operationen. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern mit drei oder mehr derartigen Erkrankungen betrug 1.010 pro 100.000 Tonsillektomien. Dagegen waren weder ein Alter von unter drei Jahren noch schlafbezogene Atmungsstörungen mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. „Es bleibt jedoch ungewiss, ob junges Alter ein unabhängiger Risikofaktor für postoperativen Tod nach Tonsillektomie ist“, schreibt die Studiengruppe um Edmonson. Tod kurz nach der Wiederaufnahme Die am häufigsten angegebene chirurgische Indikation bei den Kindern und Jugendlichen, die gestorben waren, war schlafbezogene Atmungsstörung (n = 13). Bei den meisten Verstorbenen (88 %) wurde die Tonsillektomie als einziger Eingriff oder lediglich in Verbindung mit einer risikoarmen (in der Regel otologischen) OP durchgeführt. Das mediane Intervall von der Aufnahme zur Tonsillektomie bis zum Tod betrug 4,5 Tage. 19 Todesfälle (53%) waren mit einer Wiedereinweisung in die Notaufnahme oder in ein Krankenhaus verbunden; die meisten Kinder starben unmittelbar danach. Diese Wiedereinweisungen erfolgten in der Regel kurz nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. In den meisten Fällen (78%) war es zu lebensbedrohlichen respiratorischen Problemen (z. B. respiratorische Insuffizienz, Lungenödem, Pneumonie, Aspiration) oder einem Herzstillstand gekommen. Nur in sehr wenigen Fällen war eine Blutung als Todesursache vermerkt. Eine oder mehrere schwere chronische Erkrankungen 16 postoperative Todesfälle (44%) traten bei Kindern auf, die mindestens eine komplexe chronische Erkrankung hatten. Bei zwölf dieser Todesfälle (75%) handelte es sich um Kinder mit einer neurologischen/neuromuskulären (z. B. Hirnfehlbildungen, geistige Behinderung, zerebrale Lähmung, Muskeldystrophien) oder kongenitalen/genetischen Störung. Das mediane Intervall von der chirurgischen Aufnahme bis zum Tod war bei Kindern mit einer komplexen chronischen Erkrankung signifikant länger als bei Kindern ohne eine dieser Erkrankungen. Die Studienautorinnen und -autoren sehen einige Einschränkungen in ihrer Studie, vor allem die geringe Zahl an Todesfällen, die sie analysierten. Außerdem könnte ein Bias durch umgekehrte Kausalität entstanden sein. Zusätzlich lagen den Forschenden um Edmonson keine Informationen über die Schwere der schlafbezogenen Atmungsstörungen vor und die Daten zu den Todesursachen aus den Datenbanken waren häufig unvollständig. Rate an schweren Blutungen wahrscheinlich höher In einem Editorial zu der Kohortenstudie gehen Romaine F. Johnson und Ron B. Mitchell von der University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas, Texas, näher auf die Todesursachen der Kinder und Jugendlichen nach Tonsillektomie ein. Die meisten Todesfälle (n = 28) waren auf Atemstillstand und nur wenige auf Blutungen zurückzuführen. „Viele HNO-Ärzte sind jedoch der Ansicht, dass die Aspiration von Blut ein wichtiger Faktor für respiratorische Ereignisse ist, während ein Verbluten eher selten vorkommt“, schreiben Johnson und Mitchell. Sie halten es deshalb für wahrscheinlich, dass einige der Todesfälle in dieser Studie Blutungen als auslösendes Ereignis hatten, die in den Datensätzen jedoch nicht erfasst worden waren. Jedoch geben sie auch Entwarnung: Die Sterblichkeit nach einer Tonsillektomie liege immer noch nahe bei oder sogar unter der gesamten anästhesiebedingten Sterblichkeit von Kindern – gesetzt den Fall, dass das Kind gesund ist (< 1 Todesfall pro 10.000 Fälle). Trotz der Einschränkungen der Studie von Edmonton et al. könnten einige Schlüsse daraus gezogen werden: Das Sterberisiko nach einer Tonsillektomie ist bei gesunden Kindern gering. Bei Patientinnen und Patienten mit komplexen chronischen Erkrankungen sind jedoch besondere Beratung und perioperative Betreuung erforderlich, da diese Gruppe das höchste Mortalitätsrisiko nach einer Tonsillektomie besitzt. Laut Johnson und Mitchell sollte künftige Forschung die Risikominderung bei Mandeloperationen zum Thema haben. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig sind postoperative Todesfälle bei Kindern, die sich einer Tonsillektomie unterziehen, und welche Patientenmerkmale sind mit diesen Todesfällen verbunden? Antwort: Die Rate der postoperativen Todesfälle betrug insgesamt 7 pro 100.000 Operationen. Bei Kindern mit komplexen chronischen Erkrankungen lag die Rate der bei 117 pro 100.000 Tonsillektomien, was 44% der Gesamttodesfälle entsprach. Bedeutung: Kinder und Jugendliche mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen sollten besonders eng betreut werden. Einschränkung: Nur eine kleine Zahl an Todesfällen wurde untersucht.

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