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Open Access 20.09.2024 | Pneumonie | Bild und Fall

54-jährige nierentransplantierte Patientin mit Hyperkalziämie und akut-auf-chronischer Transplantatnierenschädigung

verfasst von: Richard Radun, David Schmit, PD Dr. med. Stefan J. Schunk

Erschienen in: Die Nephrologie

Hinweise

Redaktion

Gunter Wolf, Jena
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Fallvorstellung

Eine 54-jährige, seit 3 Jahren nierentransplantierte Patientin wurde vom ambulanten Nephrologen zugewiesen mit rasch progredienter, symptomatischer Hyperkalziämie und konsekutiver akut-auf-chronischer Transplantatnierenschädigung. Die Patientin schilderte seit 1 Woche zunehmende Polyurie, Polydipsie und Knochenschmerzen zum Zeitpunkt der Aufnahme. Initial zeigte die Patientin keine respiratorische oder Infektsymptomatik; etwa 6 Tage nach der Aufnahme entwickelte sie dann eine respiratorische hypoxische Insuffizienz mit Fieber, Schüttelfrost und produktivem Husten. In der Dauermedikation finden sich eine Immunsuppression mittels Tacrolimus, Mycophenolat-Mofetil und Prednisolon sowie eine 1‑mal wöchentliche Supplementation von 20.000 IE Colecalciferol; keine Einnahme von Kalziumsupplementen, Thiaziddiuretika oder Lithium.

Klinische Befunde

Bei Aufnahme zeigte sich die Patientin in einem leicht reduzierten Allgemeinzustand und normosomen Ernährungszustand. Die körperliche Untersuchung war unauffällig.

Aufnahmelabor

Laborchemisch fand sich ein Kreatinin von 4,5 mg/dl entsprechend einer geschätzten („estimated“) glomerulären Filtrationsrate (eGFR) nach Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration (CKD-EPI) von 10,2 ml/min/1,73 m2. Ferner zeigte sich ein Serumkalzium von 3,6 mmol/l bei einem ionisierten Kalzium von 1,9 mmol/l sowie einem Serumalbumin von 40 g/l. Das C‑reaktive Protein (CRP) fand sich zu Beginn des stationären Aufenthalts mild erhöht bei 30 mg/l (Norm: < 5 mg/l). Der Parathormon(PTH)-Spiegel lag mit 47 pg/ml im Normbereich (Norm: 17–74 pg/ml), ebenso das 25-OH-Vitamin D mit 41 ng/ml (Norm: 30–100 ng/ml), während sich das 1,25-(OH)2-Vitamin D mit 200 pg/ml deutlich erhöht zeigte (Norm: 25–86 pg/ml). Der lösliche Interleukin-2-Rezeptor fand sich mit 4966 U/ml ebenfalls stark erhöht (Norm: 158–623 U/ml). Die Laktatdehydrogenase (LDH) war bei 277 U/l mild erhöht. Das zur weiteren Diagnostik bestimmte PTHrp („parathyroid hormone-related protein“) war mit weniger als 1,02 pmol/l (< 1,3 pmol/l) normwertig. Im Urin zeigten sich bis auf eine milde Proteinurie mit 216 mg Eiweiß pro Gramm Kreatinin sowie einen DKK3-(„Dickkopf-related protein 3“)-Spiegel von 1219 pg/ml keine Auffälligkeiten.

Bildgebung

In der farbkodierten Duplexsonographie der Transplantatniere zeigten sich keine Auffälligkeiten. Zur erweiterten Malignomsuche und koinzident zur detaillierten Abgrenzung möglicher respiratorischer Infiltrate erfolgte eine Kontrastmittel-CT (Computertomographie) von Thorax und Abdomen (Abb. 1). Hierin fanden sich keine malignomsuspekten ossären Herde bei jedoch unterlappenbetonten milchglasartigen Infiltraten beidseits mit angrenzenden strangförmigen Belüftungsstörungen basal, passend zu atypischen pneumonischen Infiltraten (siehe Abb. 1).
Eine tags darauf durchgeführte Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage zur Erregerdiagnostik ergab bei makroskopisch unauffälligem Bronchialsystem den molekulargenetischen und kulturellen Nachweis von Pneumocystis jirovecii.

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch sind bei schwerer Hyperkalziämie sowohl eine paraneoplastische wie auch eine medikamentös-toxische Genese in Betracht zu ziehen. Die isoliert hohen 1,25-(OH)2-Vitamin-D-Spiegel lassen hier insbesondere auch an eine granulomatös entzündliche Erkrankung wie beispielsweise eine Sarkoidose denken, deren Entwicklung jedoch unter bestehender 3‑fach immunsuppressiver Therapie unwahrscheinlich erscheint. Infektiologische Ursachen der im Verlauf klinisch apparent gewordenen atypischen Pneumonie umspannen bei immunsupprimierten Patienten auch Zoonosen und invasive Mykosen wie beispielsweise eine Infektion mit Pneumocystis jirovecii.

Therapeutische Verfahren

Aufgrund der raschen Entwicklung der Hyperkalziämie mit Transplantatnierenschädigung erfolgte eine stationäre Aufnahme auf unserer Normalstation. Während der diagnostischen Abklärung erfolgte eine forcierte Diurese mittels intravenöser Schleifendiuretika zur Stimulation der Kalziurese zusätzlich zu einer leicht positiv bilanzierten Volumentherapie. Zusätzlich erfolgte eine Therapie mittels wiederholter Calcitoningabe in den ersten 2 Tagen. Hierunter kam es zu einer Regredienz der Serumkalziumspiegel und des Kreatinins ohne eine Normalisierung auf die vorbestehenden Ausgangswerte.
Bei im stationären Verlauf entwickelter Infektsymptomatik mit Fieber und respiratorischer hypoxischer Insuffizienz wurde eine erweiterte mikrobiologische und virologische Erregerdiagnostik initiiert.
Zur erweiterten Erregerdiagnostik erfolgte eine Bronchoskopie mit Gewinnung einer bronchoalveolären Lavage. Hierin fand sich der molekulargenetische und kulturelle Nachweis von Pneumocystis jirovecii sp., sodass die antiinfektive Therapie im Verlauf um Sulfamethoxazol und Trimethoprim (Cotrimoxazol) erweitert wurde. Supportiv und zur Behandlung einer möglicherweise im Rahmen der Infektion granulomatös-entzündlich getriggerten Hyperkalziämie erfolgte eine Prednisolontherapie.
In Zusammenschau der klinischen, laborchemischen, radiographischen und mikrobiologischen Befunde ergab sich somit die Diagnose einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie mit assoziierter Hyperkalziämie im Rahmen der bestehenden Immunsuppression.

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Weiterer Verlauf

Unter antibiotischer Therapie besserten sich der klinische Zustand der Patientin sowie die Kreatininwerte. Ein Nierenersatzverfahren war nicht notwendig. Auch die Serumkalziumspiegel normalisierten sich anhaltend unter der oben genannten Therapie, sodass die Patientin nach Vervollständigung der antiinfektiven Therapie in die Häuslichkeit entlassen werden konnte (siehe Abb. 2).

Follow-up

Die ambulante Nachsorge gestaltete sich unkompliziert. Die Patientin berichtete über eine im Alltag nur noch leichtgradig eingeschränkte Belastbarkeit. Das Serumkalzium fand sich mit 2,4 mmol/l im Normbereich, das Serumkreatinin betrug 2,34 mg/dl, entsprechend einer eGFR von 22,8 ml/min/1,73 m2, und war auf dem Niveau der vorbestehenden chronischen Transplantatnierenschädigung im Stadium CKD G3bA2 nach KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes).

Diskussion

Pneumocystis jirovecii (ehemals Pneumocystis carinii) ist eine ubiquitär vorkommende Pilzart, welche insbesondere im Rahmen ihrer klinischen Manifestation als Pneumocystis-Pneumonie humanpathogen in Erscheinung treten kann.
Bei Pneumocystis jirovecii als primär aerogen übertragbarem Keim besteht eine hohe Rate an asymptomatischer pulmonaler Kolonisation bei Menschen [1], und da es sich um einen opportunistischen Erreger handelt, besteht die Gefahr einer potenziell lebensbedrohlichen pneumonischen Infektion, v. a. bei immunkompromittierten Patienten wie solchen mit humanem Immundefizienzvirus (HIV)/AIDS („acquired immune deficiency syndrome“) oder immunsupprimierten Patienten mit Zustand nach Organtransplantation.
Die Inzidenz der Pneumocystis-Pneumonie bei nierentransplantierten Patienten hat aufgrund der weitverbreiteten Therapie mit einer Cotrimoxazolprophylaxe in den letzten Jahren abgenommen und wird aktuell mit einer Inzidenz von 0,3–2,6 % eingeschätzt, während diese früher mit 5–15 % beziffert wurde [2]. Ältere Daten einer Pneumocystis-Pneumonie-Kohorte bei Patienten ohne HIV/AIDS belegen hohe Mortalitätsraten von bis zu 35–50 % [3].
Klinisch findet sich häufig das Bild einer Pneumonie mit Dyspnoe, Fieber und trockenem Husten. Die Ausprägung kann typischerweise über Tage bis Wochen initial subklinisch mit leichtgradiger Belastungsinsuffizienz und Fatigue einhergehen, kann sich jedoch auch rasch progredient mit schwerer respiratorischer Insuffizienz und Entwicklung eines ARDS („acute respiratory distress syndrome“) präsentieren [4]. Neben der respiratorischen Symptomatik entwickeln bis zu 40 % aller Patienten mit einer Pneumocystis-Pneumonie eine Hyperkalziämie, deren Genese über eine erhöhte 1α-Hydroxylase-Aktivität in den alveolären Makrophagen vermutlich zu einer vermehrten extrarenalen Bildung von 1,25-Vitamin D führt, ähnlich zu anderen granulomatös-entzündlichen Erkrankungen wie einer Sarkoidose [5].
Diagnostisch findet sich bei einer Pneumocystis-Pneumonie neben dem klinischen Bild eine oftmals bestehende Erhöhung der Serum-LDH. Mittels CT lassen sich häufig beidseits noduläre oder retikuläre Milchglasinfiltrate als suggestiv für eine atypische oder Pneumocystis-Pneumonie finden [6]. Diagnostisch führend sind der molekulargenetische und der mikroskopische Nachweis von Pneumocystis jirovecii aus qualitativ hochwertigen respiratorischen Materialien wie einer bronchoalveolären Lavage oder einem induzierten Sputum.
Diagnose: Hyperkalziämie und akut-auf-chronische Transplantatnierenschädigung infolge einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie
Die Behandlung der Pneumocystis-Pneumonie erfolgt in der Regel mittels hoch dosierter Gaben von Trimethoprim/Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) über einen Zeitraum von 3 Wochen. Bei schweren Verläufen wird eine initial intravenöse Therapiestrategie empfohlen. Bei Unverträglichkeit oder Allergie gegen Cotrimoxazol kommen unter anderem eine Therapie mit Atovaquon oder eine Kombination aus Clindamycin und Primaquin infrage. Unter der Therapie mit Cotrimoxazol kommt es häufig zu einem reversiblen Anstieg des Serumkreatinins mit scheinbarer Verschlechterung der eGFR aufgrund einer kompetitiven Hemmung des sekretorischen Kreatininanteils durch Trimethoprim [7].
Effektiv in der Reduktion von Inzidenz und Krankheitslast hat sich eine antimikrobielle Chemoprophylaxe mittels niedrig dosiertem Cotrimoxazol etabliert. Die regelhafte Nutzung einer solchen Prophylaxe in den ersten 6 Monaten nach einer Organtransplantation und bei anderen immunsupprimierten Patienten konnte das Risiko einer Pneumocystis-Pneumonie um 85 % gegenüber der nicht prophylaktisch therapierten Kohorte senken [8].

Fazit für die Praxis

  • Bei Nierentransplantierten mit Hyperkalziämie, LDH(Laktatdehydrogenase)-Erhöhung und evtl. subklinischer Infektkonstellation sollte auch an eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie gedacht werden.
  • Eine gezielte Diagnostik aus respiratorischem Material mit frühzeitigem Therapiebeginn kann schweren und lebensbedrohlichen Verläufen vorbeugen.
  • Eine medikamentöse Prophylaxe mittels niedrig dosiertem Cotrimoxazol reduziert bei Hochrisikopatienten das Risiko einer Pneumocystis-Pneumonie.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

R. Radun, D. Schmit und S.J. Schunk geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

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Literatur
2.
Zurück zum Zitat Comparison of early and late Pneumocystis jirovecii Pneumonia in kidney transplant patients: the Korean Organ Transplantation Registry (KOTRY) Study Sci. Rep. Comparison of early and late Pneumocystis jirovecii Pneumonia in kidney transplant patients: the Korean Organ Transplantation Registry (KOTRY) Study Sci. Rep.
6.
Zurück zum Zitat Hidalgo A, Falcó V, Mauleón S, Andreu J, Crespo M, Ribera E, Pahissa A, Cáceres J (2003) Accuracy of high-resolution CT in distinguishing between Pneumocystis carinii pneumonia and non-Pneumocystis carinii pneumonia in AIDS patients. Eur Radiol 13(5):1179–1184. https://doi.org/10.1007/s00330-002-1641-6CrossRefPubMed Hidalgo A, Falcó V, Mauleón S, Andreu J, Crespo M, Ribera E, Pahissa A, Cáceres J (2003) Accuracy of high-resolution CT in distinguishing between Pneumocystis carinii pneumonia and non-Pneumocystis carinii pneumonia in AIDS patients. Eur Radiol 13(5):1179–1184. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00330-002-1641-6CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
54-jährige nierentransplantierte Patientin mit Hyperkalziämie und akut-auf-chronischer Transplantatnierenschädigung
verfasst von
Richard Radun
David Schmit
PD Dr. med. Stefan J. Schunk
Publikationsdatum
20.09.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Nephrologie
Print ISSN: 2731-7463
Elektronische ISSN: 2731-7471
DOI
https://doi.org/10.1007/s11560-024-00794-3

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