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Open Access 25.09.2024 | Polyzystisches Ovarialsyndrom | Journal Club

Hohe AMH-Werte stehen in Verbindung mit Schwangerschaftsbluthochdruck bei Patientinnen mit PCOS, die sich einer IVF/ICSI-ET unterzogen haben

verfasst von: Univ.-Prof. Dr. med. Herbert Fluhr, MHBA

Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie | Ausgabe 4/2024

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Originalpublikation
Zhang et al (2024) High AMH levels are associated with gestational hypertension in patients with PCOS who underwent IVF/ICSI-ET. J Clin Endocrinol Metab, 2024 May 13:dgae324. https://​doi.​org/​10.​1210/​clinem/​dgae324 Epub ahead of print.
Hintergrund.
Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist eine der häufigsten endokrinologisch und zugleich reproduktionsmedizinisch relevanten Erkrankungen bei Frauen weltweit. Neben dem häufigen Problem der Subfertilität stellen zudem das ovarielle Überstimulationssyndrom („ovarian hyperstimulation syndrome“, OHSS) sowie auch Komplikationen wie Gestationsdiabetes und schwangerschaftsinduzierter Hypertonus ein zentrales Problem für die betroffenen Frauen nach Eintritt einer Schwangerschaft dar. Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen tragen wesentlich zur mütterlichen und perinatalen Morbidität und Mortalität weltweit bei Es konnte beobachtet werden, dass Anti Müller-Hormon (AMH) bei Frauen mit Präeklampsie im Serum erhöht ist [4, 5]. Zudem weisen Arbeiten auf einen Zusammenhang der AMH-Werte mit dem metabolischen und kardiovaskulären Risiko bei Frauen unter anderem mit PCOS hin [13]. Vor diesem Hintergrund stellten sich die Autoren der vorgestellten Arbeit die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen basalen AMH-Werten vor der Schwangerschaft bei Frauen mit PCOS und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung besteht.
Studienaufbau.
In die retrospektive Studie wurden von Januar 2016 bis Dezember 2020 Patientinnen eingeschlossen, die eine ovarielle Stimulation im Rahmen einer IVF(In-vitro-Fertilisation)/ICSI(intrazytoplasmatische Spermieninjektion)-Behandlung erhielten. Die Diagnose PCOS wurde gemäß den Rotterdam-Kriterien erstellt, und Patientinnen mit vorbestehender arterieller Hypertension wurden aus der Studie ausgeschlossen. Des Weiteren wurden lediglich Einlingsschwangerschaften nach einem Embryotransfer im Stimulationszyklus untersucht, um mögliche Einflüsse einer Mehrlingskonstellation und vorherigen Kryokonservierung ausschließen zu können. Schließlich konnten die Daten von insgesamt 649 Patientinnen mit gesichertem PCOS und Einlingsschwangerschaft analysiert werden.
Studienergebnisse.
Patientinnen mit schwangerschaftsinduziertem Hypertonus zeigten höhere AMH-Werte vor der Schwangerschaft im Vergleich zu Patientinnen, die keine hypertensive Schwangerschaftserkrankung entwickelten. Mittels logistischer Regression konnten die Autoren zeigen, dass das Risiko für eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung um 11,7 % pro 1 ng/ml AMH-Messwert ansteigt. Auch nach Adjustierung für eine Vielzahl von Variablen, unter anderem Alter, Body-Mass-Index (BMI), Testosteron, PCOS-Phänotyp, Stimulationsprotokoll, Endometriumhöhe, Eizellzahl, bestätigte sich eine signifikante Risikosteigerung. Bei Messwerten von AMH über 12,31 ng/ml (90. Perzentile) zeigte sich eine Odds Ratio (OR) von 4,75 hinsichtlich des Risikos für eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung (Abb. 1). Die ROC(„receiver operating characteristic“)-Analyse für AMH-Werte in der Voraussage einer schwangerschaftsinduzierten hypertensiven Erkrankung gibt eine AUC („area under the curve“) mit 0,654 (95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,532–0,776, p = 0,011) an mit einem optimalen Cut-off-Wert von 11,975 ng/ml (Abb. 2).
Abb. 1
Schlüsselfaktoren, die die Wahrscheinlichkeit von Schwangerschaftsbluthochdruck beeinflussen (AMH Anti-Müller-Hormon, BMI Body-Mass-Index, IVF In-vitro-Fertilisation, KI Konfidenzintervall, T Testosteron, TG Triglyzeride, Gn Gonadotropin, hCG humanes Choriongonadotropin, SBP „systolic blood pressure“, DBP „diastolic blood pressure“, LDL „low-density lipoprotein“, HDL „high-density lipoprotein“, IU International Units, FBG „fasting blood glucose“, GnRH „gonadotropin-releasing hormone“; Blastozyste: Stadium in der Embryonalentwicklung vor der Einnistung, die etwa am Tag 5 bis 6 nach Insemination oder intrazytoplasmatischer Spermieninjektion [ICSI] stattfindet, bereinigt um Alter, BMI, AMH, T, kontrollierte Stimulationsprotokolle für die Eierstöcke, den Typ des übertragenen Embryos und die Art der Insemination, die Endometriumdicke am Tag des Embryotransfers, den Serumöstradiolspiegel am Tag der hCG-Injektion, die Gesamt-Gn-Dosis, die Gesamtzahl entnommener Eizellen, PCOS-Phänotyp, SBP, DBP, TG, LDL, HDL und FBG)
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Abb. 2
ROC(„receiver operating characteristic“)-Kurven für Anti-Müller-Hormon (AMH) zur Vorhersage von Schwangerschaftsbluthochdruck (AUC „area under the curve“)
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Diskussion und Fazit für die Praxis.
In der vorliegenden retrospektiven Arbeit beobachteten die Autoren, dass erhöhte AMH-Level vor der Schwangerschaft (insbesondere > 9,3 ng/ml, entsprechend der 75. Perzentile) mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung assoziiert waren. In der Diskussion spekulieren die Autoren über einen möglichen direkten Effekt von AMH auf die plazentare Funktion in der Schwangerschaft und somit die Möglichkeit der Entstehung einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung. Sie diskutieren einschränkend, dass der AUC-Wert von 0,654 bezüglich der prädiktiven Vorhersagekraft von AMH jedoch kritisch zu sehen ist und die Sensitivität hinsichtlich eines optimalen AMH-Wertes nur 34,5 % beträgt. Hierbei spielen möglicherweise die mit dem PCOS häufig vergesellschafteten Kofaktoren wie Insulinresistenz, Fettleibigkeit und damit die Heterogenität des PCOS mit verschiedenen PCOS-Phänotypen eine entscheidende Rolle. Als Limitation ist festzuhalten, dass es sich um eine retrospektive Arbeit mit einer kleinen Fallzahl handelt. Die Autoren schlagen daher vor, in weiteren Studien die PCOS-Subtypen entsprechend differenzierter zu betrachten und andererseits auch das reproduktionsmedizinische Vorgehen hinsichtlich Frischtransfers und Freeze-all-Zyklen genauer zu unterscheiden.
Zusammenfassend deuten die Beobachtungen dieser Arbeit darauf hin, dass erhöhte AMH-Werte bei PCOS-Patientinnen im Hinblick auf den Eintritt einer Schwangerschaft nach IVF/ICSI das Augenmerk auf die Vorbeugung und Früherkennung einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung richten sollten. Für eine unmittelbare Umsetzung möglicherweise prophylaktischer Ansätze im praktischen Alltag reichen die vorgestellten Daten allerdings bislang noch nicht aus.

Interessenkonflikt

H. Fluhr gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Feldman RA, O’Neill K, Butts SF, Dokras A (2017) Antimüllerian hormone levels and cardiometabolic risk in young women with polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 107:276–281CrossRefPubMed Feldman RA, O’Neill K, Butts SF, Dokras A (2017) Antimüllerian hormone levels and cardiometabolic risk in young women with polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 107:276–281CrossRefPubMed
2.
Zurück zum Zitat Rios JS, Greenwood EA, Pavone M, Cedars MI, Legro RS, Diamond MP et al (2020) Associations Between Anti-Mullerian Hormone and Cardiometabolic Health in Reproductive Age Women Are Explained by Body Mass Index. J Clin Endocrinol Metab 105:e555–e563CrossRefPubMed Rios JS, Greenwood EA, Pavone M, Cedars MI, Legro RS, Diamond MP et al (2020) Associations Between Anti-Mullerian Hormone and Cardiometabolic Health in Reproductive Age Women Are Explained by Body Mass Index. J Clin Endocrinol Metab 105:e555–e563CrossRefPubMed
3.
Zurück zum Zitat Skałba P, Cygal A, Madej P, Dąbkowska-Huć A, Sikora J, Martirosian G, Romanik M, Olszanecka-Glinianowicz M (2011) Is the plasma anti-Müllerian hormone (AMH) level associated with body weight and metabolic, and hormonal disturbances in women with and without polycystic ovary syndrome. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 158:254–259CrossRefPubMed Skałba P, Cygal A, Madej P, Dąbkowska-Huć A, Sikora J, Martirosian G, Romanik M, Olszanecka-Glinianowicz M (2011) Is the plasma anti-Müllerian hormone (AMH) level associated with body weight and metabolic, and hormonal disturbances in women with and without polycystic ovary syndrome. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 158:254–259CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat Birdir C, Fryze J, Vasiliadis H, Nicolaides KH, Poon LC (2015) Maternal serum anti-Müllerian hormone at 11–13 weeks’ gestation in the prediction of preeclampsia. J Matern Fetal Neonatal Med 28(8):865–868CrossRefPubMed Birdir C, Fryze J, Vasiliadis H, Nicolaides KH, Poon LC (2015) Maternal serum anti-Müllerian hormone at 11–13 weeks’ gestation in the prediction of preeclampsia. J Matern Fetal Neonatal Med 28(8):865–868CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat DiPrisco B, Kumar A, Kalra B, Savjani GV, Michael Z, Farr O et al (2020) Glycosylated Fibronectin and Inhibin are Lower and Anti-Müllerian Hormone is Higher in Umbilical Cord Blood when Mothers have Preeclampsia. Endocr Pract 26(3):318–327CrossRefPubMed DiPrisco B, Kumar A, Kalra B, Savjani GV, Michael Z, Farr O et al (2020) Glycosylated Fibronectin and Inhibin are Lower and Anti-Müllerian Hormone is Higher in Umbilical Cord Blood when Mothers have Preeclampsia. Endocr Pract 26(3):318–327CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Hohe AMH-Werte stehen in Verbindung mit Schwangerschaftsbluthochdruck bei Patientinnen mit PCOS, die sich einer IVF/ICSI-ET unterzogen haben
verfasst von
Univ.-Prof. Dr. med. Herbert Fluhr, MHBA
Publikationsdatum
25.09.2024

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