COVID-19: Mehr Arztbesuche wegen postpartaler psychischer Störungen

Während der Coronapandemie scheinen mehr Mütter mit psychischen Erkrankungen nach der Geburt eines Kindes zu kämpfen. Welche Patientengruppen am stärksten betroffen sind, zeigt eine Studie aus Toronto. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Eine postpartale psychische Erkrankung betrifft bis zu einer von fünf Müttern und kann bei chronischem Verlauf langfristige Auswirkungen auf die Kinder haben. Die COVID-19-Pandemie könnte die psychische Belastung nach einer Geburt zusätzlich erhöhen, legt eine neue Studie nahe. In die Untersuchung wurden knapp 138.000 Frauen einbezogen, die während der Coronapandemie oder kurz zuvor ein Kind bekommen hatten. Sie wurden vom Pandemiebeginn im März 2020 bis November 2020 nachbeobachtet. Ein Forscherteam um Dr. Simone Vigod von der Universität Toronto verglich die Anzahl der Arztbesuche aufgrund psychischer Erkrankungen mit der Anzahl in der Zeit vor der Pandemie. Die Mediziner sammelten Daten zu Alter der Frauen, Anzahl der Kinder, Durchschnittseinkommen in der Wohngegend und ethnischer Zusammensetzung der Nachbarschaft. Bis zu 30% mehr Arztbesuche Während des Nachbeobachtungszeitraums waren die Besuche bei Hausärzten und Psychiatern häufiger als vor der Pandemie, insbesondere bei Müttern mit Angstzuständen, Depressionen, Alkoholismus und Substanzstörungen. Im März 2020 lag die Besuchsrate bei 44/1000 und war damit um 8% höher als erwartet. Im folgenden April überstieg sie die erwartete Rate sogar um 30% und blieb bis November etwa auf diesem Level. Der beobachtete Anstieg der Arztbesuchsraten war unter Frauen, bei denen maximal 90 Tage seit der Geburt vergangen waren, größer als bei denjenigen, bei denen bereits 90 bis 365 Tage vergangen waren. Bei Personen aus einkommensschwachen Vierteln war der Anstieg am geringsten. Im nördlichen Teil des untersuchten Gebiets in Ontario zeigte sich nach Juli 2020 verglichen mit dem südlichen Teil ein relativ geringer Anstieg der Arztbesuche, möglicherweise aufgrund gelockerter COVID-19-Beschränkungen in dieser Region. Virtuelle Versorgungsangebote verstärkt genutzt „Die Besuchsraten stiegen bereits im März, obwohl der Ausnahmezustand erst Mitte des Monats ausgerufen wurde, was darauf hindeutet, dass die durch die Pandemie bedingte Belastung sehr schnell zu einem erhöhten Versorgungsbedarf geführt hat“, fassen die Forscher um Vigod zusammen. Virtuelle Sprechstunden seien deutlich mehr genutzt worden. Dadurch seien möglicherweise Hindernisse weggefallen, wie die Notwendigkeit, mobil zu sein oder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zu finden, sodass mehr Menschen das Angebot in Anspruch nehmen konnten, vermuten sie. Dass unter Frauen aus einkommensschwachen Vierteln der Anstieg der Arztbesuche am geringsten ausfiel, sehen die Mediziner als Anlass zur Sorge. „Möglicherweise besteht hier ein ungedeckter Bedarf an ärztlicher Versorgung aufgrund höherer Barrieren beim Zugang, etwa, dass sich Patientinnen die erforderliche Technologie nicht leisten können oder aufgrund prekärer Arbeitsverhältnisse nicht zeitlich flexibel sind, um Termine wahrzunehmen“, so Vigod und Kollegen Experten empfehlen Unterstützung für Hochrisikopatienten Sie empfehlen gezielte Ansätze zur Unterstützung der psychischen Gesundheit: „Gesundheitssysteme sollten sich proaktiv auf Patientinnen aus Hochrisikogruppen konzentrieren, Wartelisten für die Versorgung anlegen und kreative Lösungen zur Erweiterung der Systemkapazitäten suchen, mit besonderem Augenmerk auf Frauen in der postpartalen Phase, die möglicherweise mit Hindernissen konfrontiert sind“, raten sie. Das Wichtigste in Kürze Frage: Haben postpartale psychische Erkrankungen während der COVID-19-Pandemie zugenommen? Antwort: Während der Pandemie waren Besuche bei Hausärzten und Psychiatern häufiger als vorher, insbesondere bei vorbelasteten Müttern. Bedeutung: Die Ergebnisse deuten auf einen erhöhten Bedarf an psychischer Betreuung während der Pandemie und mögliche Hindernisse für sozial Schwache hin. Einschränkung: Personen mit psychischen Erkrankungen, die keine Hilfe suchten oder sich an Selbsthilfegruppen o. ä. wandten, wurden nicht erfasst.

Springer Medizin

COVID-19: Mehr Arztbesuche wegen postpartaler psychischer Störungen

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe

ICI-Therapie in der Schwangerschaft wird gut toleriert

Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Bei RSV-Impfung vor 60. Lebensjahr über Off-Label-Gebrauch aufklären!

Harnwegsinfektprophylaxe: Es geht auch ohne Antibiotika

Update Gynäkologie