Gruppenangebot STABILI-T
Inhalt des Angebots war, Personen mit Traumafolgestörungen in einem Gruppensetting therapeutisch dosiert Übungen zu Stabilisierung und Selbstregulation nahezubringen. Das Angebot hatte folgende 3 Ziele:
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Erlernen des Einsatzes von Stabilisierungsübungen,
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Verbesserung der Selbstregulation sowie des Nutzens von Ressourcen und Fantasien im krankheitsbezogenen Umgang mit sich und der Symptomatik,
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Verbesserung der PTBS-Symptomatik und komorbider Belastungen.
Die Gruppe fand in 9 wöchentlichen Sitzungen von jeweils 90 min über einen Zeitraum von 3 Monaten als eines von vielen ambulanten Versorgungsangeboten an einer großen psychosomatischen Universitätsklinik statt. Im Vorgespräch wurden mit jeder Patientin einzeln die Rahmenbedingungen erörtert und später in der Gruppe wiederholt. Dazu gehörten der Verweis auf das Wahren der Grenzen von sich und anderen, z. B. durch den Verzicht, im Detail von eigenen belastenden Traumaerfahrungen zu berichten, ebenso wie das Verschwiegenheitsgebot bezüglich der Gruppe sowie die Einschränkung von persönlichen Kontakten außerhalb der Sitzung auf das, was auch in der Gruppe möglich wäre (d. h., z. B. keine intimen Kontakte einzugehen). Zudem wurden Umgang mit Überforderung sowie Krisen in und außerhalb der Gruppe besprochen.
Neben initialer Psychoedukation über Stabilisierung und dem Etablieren der Rahmenbedingungen hatten 3 Sitzungen im Fokus, einen Einstieg in die Übungen sowie das Üben selbst zu ermöglichen, 3 weitere, einen kreativen Umgang mit den Übungen zu fördern, um in den verbleibenden 3 Sitzungen die Verankerung des Übens im Alltag zu stärken (Tab.
1). Bereits zu Beginn wurde eine Übung zum Dissoziationsstopp („5-4-3-2-1-Übung“) eingeführt. Die Übungen basieren auf Interventionstechniken aus der Psychodynamisch-Imaginativen Trauma-Therapie (Firus et al.
2012).
Tab. 1
Gesamtstruktur des Gruppenangebots
1 | Einführung der Übungen | Psychoedukation bezüglich Stabilisierungsübungen, Rahmenbedingungen etablieren Übungen: 5‑4-3-2‑1, sicherer Ort, innerer Garten, Baumübung |
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4 | Kreativität fördern | Übungen: modifizierter sicherer Ort, Farbe-Form-Distanzierung, Wiederholung innerer Garten und Baumübung |
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7 | Verankerung im Alltag | Übungen: Gepäck ablegen, Lichtstromtechnik, Wiederholung Farbe-Form-Distanzierung und sicherer Ort Aktiv gestalteter Abschied |
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Die Sitzungen folgten einer Struktur, beginnend mit einer 15-minütigen Blitzlichtrunde. Einerseits wurde darin die aktuelle Stimmung erfasst, andererseits wurden mit den Fragen „Was lief in der letzten Woche mit den Übungen gut? Was war herausfordernd?“ der Umgang mit den Übungen, sowie mit der Frage „Was ist in der letzten Woche insgesamt besser gelaufen als erwartet?“ Veränderungsressourcen aktiviert. Im Anschluss an das Blitzlicht wurde/wurden eine oder maximal 2 Übungen eingeführt bzw. wiederholt, gemeinsam ausprobiert und die diesbezüglichen Erfahrungen der Patientinnen diskutiert. Dieser Abschnitt dauerte jeweils 60 min. Während des 15-minütigen Abschlusses wurden die Sitzung reflektiert, erneut die Stimmung erfragt und die offene Frage gestellt, was die Patientinnen aus der jeweiligen Sitzung mitnehmen. Leitfragen zur Diskussion der Übungen orientierten sich an der Phase der Behandlung (Kennenlernen der Übungen, sich die Übungen kreativ zu eigen machen, die Übungen in den Alltag integrieren). Bei Bedarf konnten weitere Interventionen zur Ressourcenaktivierung spontan eingesetzt werden (Lambert et al.
2016).
Für die Zeit zwischen den Sitzungen wurden den Patientinnen die Texte der Übungen sowohl in ausgedruckter als auch in Form von Audiofiles mitgegeben, eingesprochen sowohl mit männlicher wie auch weiblicher Stimme, um sie möglichst den individuellen Bedürfnissen anzupassen und gleichzeitig die Selbstwirksamkeit durch die Wahlmöglichkeit anzuregen.
Die Sitzungen wurden von einer ärztlichen und einer psychologischen Therapeutin durchgeführt, die beide im fortgeschrittenen Teil ihrer Therapieausbildung waren und über mehrjährige Erfahrung mit Traumabehandlung, Gruppentherapien sowie strukturbezogenen und psychodynamisch-imaginativen Interventionen verfügten. Während das Verständnis der Gruppenprozesse auf der Basis psychodynamischer Modelle erfolgte, waren zentrale Haltungen im Umgang mit den Patientinnen und möglichen Gruppenphänomenen begrenzend, erklärend, lösungsorientiert und ressourcenfördernd. Es fand wöchentlich eine Supervisionssitzung unter Anleitung des Erstautors statt.
Auf das Gruppenangebot wurde mithilfe eines Flyers bei niedergelassenen Therapeutinnen, in der Traumaambulanz des Universitätsklinikums sowie in stationären Behandlungseinrichtungen hingewiesen. Interessierte Personen konnten sich über eine Telefonnummer oder E‑Mail-Adresse direkt melden. In einem orientierenden Telefonat wurde zunächst die Indikation vorgeprüft. Bei entsprechender Eignung wurden das Vorliegen einer Traumafolgestörung nach Kriterien des DSM-IV im Gespräch mit einer Ärztin festgestellt, die Indikation gestellt sowie eine mündliche und schriftliche Aufklärung über die Behandlung und das Erheben von Daten im Rahmen von Routinediagnostik und Qualitätssicherung vorgenommen.
Einschlusskriterien waren Volljährigkeit und das Vorliegen einer Traumafolgestörung im Sine einer PTBS nach DSM-IV. Ausschlusskriterien waren:
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akute Suizidalität,
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mehr als 2 Selbstverletzungen in den letzten 8 Wochen vor der Erstvorstellung,
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eine Substanzabhängigkeit oder der regelmäßige Gebrauch von Tranquilizern,
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akute wahnhafte oder demenzielle Erkrankungen,
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schwere somatische Erkrankungen mit akutem Behandlungsbedarf,
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ein nichtausreichendes Verständnis der deutschen Sprache,
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starke Schwerhörigkeit,
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anhaltende Gefährdung durch z. B. regelmäßigen Täterkontakt,
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eine stationäre oder teilstationäre Psychotherapie in den letzten 2 Monaten vor Behandlungsbeginn oder
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eine zu Beginn der Intervention bestehende ambulante Psychotherapie im Sinne regelmäßiger Sitzungen, die bereits über die Probatorik hinausgegangen war.
Instrumente
Fragen bezogen sich auf Informationen zu den Übungen, das gemeinsame Üben und Rückmeldungen durch Therapeutinnen und Mitpatientinnen. Ebenso erfolgte eine Einschätzung, inwiefern die jeweilige Teilnehmerin mehr als vor der Gruppenintervention übte, zudem eine Einschätzung zur Zufriedenheit mit der Zahl der Sitzungen sowie die Beantwortung der Frage, inwiefern Patientinnen ein Gruppenangebot dieser Art weiterempfehlen würden.
Ergebnisse
Alle Patientinnen litten unter einer nach DSM-IV-Kriterien diagnostizierten PTBS; alle Gruppenteilnehmerinnen identifizierten sich als weiblich. Eine Patientin brach die Behandlung ab, sodass die Auswertungen nur über die restlichen 5 Teilnehmerinnen durchgeführt werden konnten. Vier der Personen hatten die mittlere Reife, eine das Abitur bzw. die Fachhochschulreife. Eine Patientin war vollzeit-, zwei waren teilzeitbeschäftigt, eine arbeitslos und eine weitere nichterwerbstätig. Zwei befanden sich in fester Partnerschaft. Vier der Patientinnen hatten bereits in Vorbehandlungen Stabilisierungsübungen kennengelernt, eine in einer ambulanten, 3 in stationären Psychotherapien.
Primäres Ergebnismaß: Häufigkeit des Übens
Insgesamt gaben die Teilnehmerinnen nach der Therapie an, die gelernten Übungen im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Gruppenintervention häufiger einzusetzen (Skala von 1 [„trifft nicht zu“] bis 7 [„trifft zu“], M = 5,80, SD ± 1,64, Minimum–Maximum = 3–7). Katamnestisch wurde die Frage, ob die Teilnehmerinnen 2 Monate nach Behandlungsende die Übungen häufiger einsetzten, beurteilt auf einer Skala von 0 („trifft nicht zu“) bis 10 („trifft zu“), ebenfalls insgesamt eher positiv beantwortet (M = 5,80, SD ± 3,35, Minimum–Maximum = 0–8, Median = 7,00).
Sekundäre Ergebnismaße: Veränderung der Stimmung im Lauf der Sitzungen
Die Stimmung verbesserte sich im Schnitt während der Sitzungen (Prä: M = 6,24, SD ± 1,00; Post: M = 6,97, SD ± 0,65; d = 1,10, 95 %-CId = −0,23–2,43).
Veränderungen von Fragebogenwerten während der Intervention
Von vor zu nach der Behandlung nahm die Fähigkeit zur Selbstberuhigung (SBS) im Mittel zu. Intrusionen und Vermeidungssymptome (IES-15), Dissoziation (FDS), Depressivität (PHQ-9), generalisierte Ängstlichkeit (GAD-7) sowie selbst eingeschätzte strukturelle Defizite der Persönlichkeitsstruktur nahmen ab, jeweils im Schnitt mit großen Effekten. Interpersonelle Probleme (IIP-32) verringerten sich deskriptiv
2 mit mittleren Effekten (Tab.
2).
Tab. 2
Kennwerte und Fragebogendaten
OQ-45-Gesamtwert | Prä | 70,38 ± 10,60 | – | – |
APK |
Aversive Kindheitserfahrungen | Prä | 86,40 ± 40,28 | – | – |
Protektive Kindheitserfahrungen | Prä | 16,50 ± 7,86 |
Alter (Jahre) | Prä | 42,00 ± 7,28 | – | – |
SBS | Prä | 5,73 ± 1,13 | 1,24 | −0,10–2,61 |
Post | 7,44 ± 0,55 |
PHQ‑9, Depressivität | Prä | 16,20 ± 5,54 | 1,10 | −0,10–2,61 |
Post | 12,00 ± 4,53 |
GAD‑7, Ängstlichkeit | Prä | 11,40 ± 5,32 | 0,93 | −0,38–2,23 |
Post | 8,60 ± 3,44 |
IES-15 | Prä | 47,00 ± 1,63 | 3,65 | 1,62–5,67 |
Post | 40,71 ± 11,19 |
FDS | Prä | 27,38 ± 12,77 | 1,83 | 0,18–3,48 |
Post | 15,47 ± 9,82 |
OPD-SF, Gesamtwert | Prä | 2,44 ± 0,39 | 1,15 | −0,19–2,49 |
Post | 2,05 ± 0,24 |
IIP-32, Gesamtwert | Prä | 1,99 ± 0,58 | 0,57 | −0,70–1,83 |
Post | 1,81 ± 0,39 |
Weitere Einschätzung des Gruppenangebots bei Behandlungsende
Der Inhalt der allgemeinen Informationen zu den Übungen durch die Therapeutinnen wurde insgesamt sehr positiv gewertet (M = 6,40, SD ± 0,89, Minimum–Maximum = 5–7). Die Menge der allgemeinen Informationen zu den Übungen wurde von allen Patientinnen als „genau richtig“ eingeschätzt.
Das gemeinsame Üben in der Gruppe wurde im Mittel wieder als sehr positiv erlebt (M = 6,60, SD ± 0,89, Minimum–Maximum = 5–7). Die Zeitdauer des gemeinsamen Übens in der Gruppe empfanden 2 Personen als genau richtig; zwei Personen fanden sie etwas zu kurz (−1), eine Person in einem mittleren Ausmaß zu kurz (−2).
Die speziellen Rückmeldungen der Therapeutinnen zur Gruppendiskussion wurde insgesamt positiv bewertet (M = 6,60, SD ± 0,89, Minimum–Maximum = 5–7). Alle Teilnehmerinnen schätzen die Menge der speziellen Rückmeldungen der Therapeutinnen zur Gruppendiskussion als „genau richtig“ (0) ein.
Im Schnitt wurden die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen positiv bewertet (M = 6,20, SD ± 1,89, Minimum–Maximum = 3–7). Die Menge der Rückmeldungen der Teilnehmerinnen wurden von 3 Personen als „genau richtig“ (0) eingeschätzt, eine Person hätte gern etwas mehr (−1), eine etwas weniger (+1) Rückmeldungen der Teilnehmerinnen gehabt.
Die Gesamtzahl der Sitzungen empfanden 3 Teilnehmerinnen als „genau richtig“ (0), eine Teilnehmerin fand die Anzahl merklich (−2), eine weitere deutlich zu gering (−3). Der Aussage, das Gruppenangebot weiterempfehlen zu würden, wurde insgesamt deutlich zugestimmt (M = 6,60, SD ± 0,89, Minimum–Maximum = 5–7).
Katamnestische Einschätzung 2 Monate nach Behandlungsende
Von allen 5 Teilnehmerinnen konnte eine telefonische Katamnese erhoben werden. Die Frage, wie die Teilnehmerinnen 2 Monate nach Behandlungsende ihre Teilnahme auf einer Skala von 0 („nichthilfreich“) bis 10 („sehr hilfreich“) einschätzten, wurde insgesamt sehr positiv beantwortet (M = 8,80, SD ± 1,25, Minimum–Maximum = 6,50–9).
Drei von 5 Teilnehmerinnen bejahten, aktuell im Alltag Stabilisierungsübungen durchzuführen, 4 von 5, sie im Alltag zu nutzen, im Sinne einer Anwendung bei spezifischen Problemen und Herausforderungen. Wiederum 3 von 5 Personen gaben an, aktuell selbstfürsorglicher als vorher zu sein, ebenso 3 von 5, aktuell in ambulanter Psychotherapie behandelt zu werden. Nur eine Person nahm Psychopharmaka ein. Drei Patientinnen waren aktuell krankgeschrieben, nur eine aktuell arbeitend. Eine Patientin berichtete von einer größeren Lebensveränderung seit der Gruppe. Auf die Frage, wie es ihnen ginge, antworteten 4 Patientinnen, dass es ihnen im Vergleich zu Zeit vor der Gruppenintervention besser ginge; eine Person antwortete, dass es ihr „gleich“ ginge, und keine, dass es ihr schlechter ginge.