10.07.2024 | Posttraumatische Belastungsstörung | Schwerpunkt: Gesundheitliche Langzeitfolgen der SED-Diktatur – Originalien
Die langen Schatten komplexer Sportschädigungen
Psychische Beeinträchtigung von minderjährig zwangsgedopten, ehemaligen DDR-LeistungssportlerInnen
verfasst von:
Dipl.-Psych. Diana Krogmann, Eva Flemming, Carsten Spitzer
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 5/2024
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Zusammenfassung
Hintergrund
Das politisch instrumentalisierte und ideologisch gerahmte Leistungssportsystem der DDR zeichnete sich nicht nur durch eine konspirative Dopingpraxis – gerade von Minderjährigen und jungen Erwachsenen – aus, sondern umfasste weitere Merkmale mit erheblichem Schädigungspotenzial, deren Folgen für die Betroffenen bislang unzureichend untersucht sind. Diese Studie fokussiert Missbrauchserfahrungen im Sportkontext, Prävalenzraten psychischer Störungen und aktuelle Depressivität.
Methode
Minderjährig zwangsgedopte, ehemalige DDR-LeistungssportlerInnen (n = 101) wurden in einem sportbiografischen Interview systematisch nach sportbezogenem Missbrauch gefragt; mithilfe des Diagnostischen Expertensystems für Psychische Störungen (DIA-X) wurden die Punkt-, 12-Monats- und Lebenszeitprävalenzen psychischer Störungen ermittelt sowie die aktuelle Depressivität qua Patient Health Questionnaire‑9 (PHQ-9) erfasst.
Ergebnisse
Die Mehrheit der Studienteilnehmer (56 %) berichtete über emotionalen Missbrauch im Sportkontext, gefolgt von körperlichem (48 %) und sexuellem Missbrauch (23 %). Bei 98 % wurde mindestens eine psychische Störung diagnostiziert, wobei die durchschnittliche Anzahl von Lebenszeitdiagnosen bei 4,2 ± 2,7 lag. Sowohl im Quer- als auch im Längsschnitt wurden Angst-, depressive und somatoforme Schmerzstörungen am häufigsten diagnostiziert. Die Depressivität zum Untersuchungszeitpunkt lag deutlich über den Werten der Allgemeinbevölkerung.
Diskussion
In Übereinstimmung mit Vorbefunden zeigt die vorliegende Studie, dass minderjährig zwangsgedopte, ehemalige DDR-AthletInnen im Sportzusammenhang häufig Missbrauch erlebt haben. Ihre psychische Morbidität ist deutlich höher als die der Allgemeinbevölkerung. In der psychotherapeutischen Praxis ist eine Sensibilität für diese Thematik wichtig, um Betroffenen angemessen begegnen zu können.