Die Präeklampsie betrifft 3–5 % aller Schwangeren. Wurde bisher in der Schwangerenkontrolle mittels Blutdruckmessung, Achten auf das Auftreten von Ödemen und Proteinurie die Erkrankung im zweiten und dritten Trimenon durch ihre Prodrome und Symptome erkannt, stehen nun Prognosemodelle zur Verfügung. Mit diesen ist es möglich, bereits im ersten Trimenon ein erhöhtes Präeklampsierisiko festzustellen. Durch den Nachweis, dass die Gabe von Acetylsalicylsäure ab dem ersten Trimenon zu einer etwa 60 %igen Reduktion des Risikos für das Auftreten einer Präeklampsie führt, steht mit den Prognosemodellen ein schlüssiges Präventions- und Therapiekonzept zur Verfügung.
Hinweise
Redaktion
R. Zimmermann, Zürich
K. Vetter, Berlin
In der Medizin werden Prognosemodelle benutzt, um die Datenpunkte, die zu der Patientin bekannt sind, so zu verknüpfen, dass das Eintreten eines unerwünschten Ereignisses mit einer gewissen Sicherheit vorhergesagt und allenfalls verhindert oder zumindest abgemildert werden kann. Πρόγνωσις, prognosis, bedeutet „Vor-Wissen“ und damit die Formulierung von Voraussagen, die naturgemäß die Zukunft betreffen, die eintreten können oder auch nicht. Das Ideal des individualisierten risikobasierten Managements besteht darin, durch Nutzung valider Prognosemodelle eine rechtzeitige Diagnose einer zu erwartenden Erkrankung vor ihrem Eintreten zu erstellen. Das heißt, es wird eine individuelle Prognose für die Patientin erarbeitet, um damit eine effektivere Prävention und/oder Behandlung zu ermöglichen. In der Geburtshilfe gibt es zu keinem Thema so viele Prognosemodelle wie zu Hochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft und Präeklampsie. Es gibt aber eher wenig Evidenz zu deren Tauglichkeit, Verlässlichkeit und zum Grad ihrer Anwendung im klinischen Alltag. Allen gleich ist, dass Individuen – im uns interessierenden Fall: Schwangere – innerhalb eines vorher festgelegten Zeitraums eine bestimmte Anzahl an Untersuchungen durchlaufen. Wenn sich durch Erreichen bzw. Überschreiten bestimmter Grenzwerte bei diesen Untersuchungen herausstellt, dass eine Frau ein erhöhtes Risiko für eine Erkrankung/Komplikation hat, wird sie auf einem auf Vermeidung bzw. Hinauszögern dieser Komplikation gerichteten Behandlungspfad weiter betreut.
Beim letzten Vergleich der publizierten Prognosemodelle in der Geburtshilfe im Jahr 2016 waren es 69 Modelle [20]. Inzwischen sind, vor allem seit dem Erscheinen der ASPRE-Studie, einige neu hinzugekommen [33]. Mittlerweile gibt es zur Vorhersage der Präeklampsie so viele Übersichtsartikel und Reviews, dass jüngst das IPPIC(International Prediction of Pregnancy Complication)-Network einen „review of reviews“ publizierte [40].
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Das zeitliche Muster der z. B. in den USA empfohlenen 14 Schwangerenkontrollen, mit zunehmend mehr Kontrollen, je näher der Geburtstermin kommt, hat als wesentliches Element, rechtzeitig einen Anstieg des Blutdrucks zu erkennen [4]. Im Gegensatz zu diesem Zugang ist in den letzten 10 Jahren die Erfassung des Präeklampsierisikos möglichst früh in der Schwangerschaft zu einem wesentlichen Faktor der Prognosemodelle geworden [11].
Hoher Blutdruck in der Schwangerschaft
Hoher mütterlicher Blutdruck, der erst in der Schwangerschaft auftritt, ist ein Komplex von pathologischen Zuständen. In Mitteleuropa ist davon ungefähr eine von 30 Schwangeren betroffen [15]. Im deutschen Sprachraum war bis vor wenigen Jahren die Bezeichnung EPH(„edema, proteinuria, hypertension“)-Gestose für die Beschreibung des hohen Blutdrucks in der Schwangerschaft gebräuchlich. Mittlerweile wird dafür meist die Bezeichnung Präeklampsie verwendet, die definiert ist als gefäßverengender Prozess, assoziiert mit „capillary leak“ und reduzierter Perfusion der Plazenta sowie reduzierter renaler, hepatischer und zerebraler Perfusion auf maternaler Seite [8].
Es handelt sich um ein akutes bis chronisches, sich innerhalb von Tagen bis über mehrere Wochen entwickelndes Zustandsbild: Während der Blutdruck sukzessive ansteigt, kommt es zu einer Minderperfusion der Plazenta, einem Mangel an Fruchtwasser und zu Wachstumseinschränkung bis Wachstumsstillstand des Kindes [9].
Zur Ursache der Präeklampsie gibt es nach wie vor zahlreiche Hypothesen
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Die Ursache der Präeklampsie ist nach wie vor unbekannt. Es gibt dazu zahlreiche Mutmaßungen, die auf eine gestörte Interaktion zwischen Fetus, Plazenta und Mutter hinweisen. Die Theorien reichen von Spekulationen über Präeklampsie als eine Art nicht vollzogener spontaner Fehlgeburt („a form of incomplete spontaneous abortion“; [23]) aufgrund einer gestörten Plazentaentwicklung in der Frühschwangerschaft bis zu den derzeit aktuellen Vermutungen, es könne sich um die Folgen einer mütterlichen kardiovaskulären Maladaptation in der Schwangerschaft handeln [17, 38]. Der Zustand der schwangeren Patientin kann stabil bleiben, kann sich aber auch rasch verschlechtern und zu ernsten, selbst tödlichen Verläufen bei Mutter und Kind führen. Präeklampsie ist für das Kind, aber auch für die Mutter umso gefährlicher, je früher in der Schwangerschaft sie auftritt [29].
Seit den Anfängen der In-vitro-Fertilisation (IVF) in den frühen 1980er-Jahren fiel auf, dass bei den auf diesen Wegen entstehenden Schwangerschaften vermehrt Fälle von Präeklampsie auftraten [39]. Dies schien in erster Linie darauf zurückzuführen zu sein, dass in den ersten Jahrzehnten des IVF überproportional viele Zwillings- und höhergradige Mehrlingsschwangerschaften entstanden, bei denen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie im Verlauf der Schwangerschaft besteht [14]. Da in den ersten Jahrzehnten die Masse der Frauen, die diese Kinderwunschtherapien in Anspruch nahmen, deutlich über 35 Jahre alt war, kam das zunehmende Lebensalter der werdenden Mutter als Risikofaktor dazu [44]. Ein ganz besonders markanter Risikofaktor für die Entstehung einer Präeklampsie ist die Eizellspende, wenn – dort, wo dies legal ist – der Kinderwunschpatientin die Eizelle einer anderen Frau eingesetzt wurde [5]. Untersucht wurden die Schwangerschaftsverläufe von mehr als einer halben Million australischer Mütter, die zwischen 2007 und 2011 geboren hatten und von denen 3,6 % mit Hilfe von assistierter Reproduktion (ART) schwanger geworden waren [43]. Während die spontan schwanger gewordenen Australierinnen eine Präeklampsierate von 4,3 % aufwiesen, trat Schwangerschaftshochdruck/Präeklampsie bei 6,4 % der ART-Schwangeren auf. ART-Schwangere mit Zwillingen wiesen eine Präeklampsierate von 12,4 % auf, die von Einlingen eine von 5,7 %. Auch bei den spontan schwanger gewordenen Frauen mit Zwillingen war die Präeklampsierate deutlich höher. Bei Frauen mit Einlingen war das Risiko auf Präeklampsie bei ART gegenüber spontaner Schwangerschaft um 5 % erhöht (AOR [„adjusted odds ratio“] 1,05 95 %-KI [Konfidenzintervall] 0,98–1,12).
Die Fachgesellschaft zur Erforschung des Hochdrucks in der Schwangerschaft ISSHP (International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy) schlägt seit einigen Jahren vor, den Schwangerschaftshochdruck nach dem Entbindungszeitpunkt zu klassifizieren: Eine „early onset“ Präeklampsie führt zu Entbindung vor 34 SSW (Schwangerschaftswoche), eine „preterm“ Präeklampsie zu einer Entbindung vor 37 SSW. Spätere Entbindungszeitpunkte werden als „late onset“ und „term“ bezeichnet [41].
Die Präeklampsie fällt durch hohe Blutdruckwerte auf, weshalb die Blutdruckmessung seit mittlerweile fast 100 Jahren ein wesentlicher Grundpfeiler der regelmäßigen ärztlichen Kontrollen in der Schwangerschaft ist. Das traditionelle Konzept der Schwangerenbetreuung, mit wenigen Untersuchungen in der Frühschwangerschaft und immer engmaschiger werdenden Kontrollen zum Geburtstermin hin, hatte, neben dem Erkennen der Frühgeburt, immer das Ziel, rechtzeitig eine irgendwann einsetzende Erhöhung des Blutdrucks zu erkennen. In dem deutschsprachigen Standardfacharztlehrbuch „Die Geburtshilfe“ steht dazu: „regelmäßige Kontrollen des Blutdrucks und der Proteinurie im Rahmen der Schwangerenvorsorge stellen die Meilensteine für die Erkennung einer Präeklampsie dar“ [35].
Während das Screening auf Präeklampsie, die Methoden und Grenzwerte, die Vorgangsweisen bei Auffälligkeiten in einem oder mehreren Punkten über Jahrzehnte konstant waren, ist es im Lauf der Jahre 2018 und 2019 international zu einer zunehmend heftigen Debatte über das Screening in der Schwangerschaft und seine Konsequenzen gekommen. Die (Teil‑)Ergebnisse mehrerer hochrangiger, internationaler prospektiver Studien (ASPRE, HYPITAT, EXPECT, SPREE, PROGNOSIS, PHOENIX) waren innerhalb relativ kurzer Zeit erschienen. Diese zeigten die Notwendigkeit auf, den Inhalt und Ablauf des Präeklampsiescreenings in der Schwangerenbetreuung neu zu verankern und neu zu orientieren. Mit der Möglichkeit, im Screening aufgefallenen Frauen schon früh in der Schwangerschaft Acetylsalicylsäure zu verschreiben, besteht nun erstmals weitgehend Konsens über eine konkrete Konsequenz in der Prophylaxe, im Gegensatz zu der bisher üblichen diffusen Empfehlung, die Schwangerschaft mit auffälligem Screeningbefund „im Auge zu behalten“.
Mit der Option Acetylsalicylsäure ist eine konkrete Konsequenz des Screenings weitgehend konsentiert
Neben verbesserten Möglichkeiten zur Prophylaxe bleiben die Möglichkeiten zur Therapie nach Manifestation einer Präeklampsie beschränkt, da sie rein auf die Symptome und nicht auf die bis heute unbekannte Ursache konzentriert sind: blutdrucksenkende Medikamente, Beschleunigung der fetalen Lungenreife und schließlich die vorzeitige Entbindung, wenn die Medikamente nicht (mehr) greifen [12].
Anamnese als primäre Screeningmaßnahme
Nach wie vor haben die Anamnese der Schwangeren und der klinische Status bei der Erstuntersuchung einen hohen Stellenwert bei der Entscheidung, ob die weitere Schwangerschaft der Frau unter dem Begriff „Risiko“ betreut wird (Tab. 1). Dieser Zugang wertet jeden Risikofaktor als eigenen Screeningtest, wobei die einzelnen Risikofaktoren addiert werden.
Tab. 1
Auszug aus den empfohlenen anamnestischen Fragen, die Schwangere entweder im direkten Gespräch mit Arzt bzw. Hebamme, auf einem Fragebogen oder über ein Eingabetablet beantworten sollen. Grundsätzliches Problem ist die Aussagekraft und damit das Gewicht der einzelnen Punkte in einem Screeningalgorithmus [22]
Die Messung des Blutdrucks muss im Sitzen erfolgen mit einem für die Schwangerschaft validierten Blutdruckmessgerät und angepasster Manschettengröße. Das Protokoll der FMF (Fetal Medicine Foundation) sieht 2 simultane Messung am linken und rechten Arm im Abstand von einer Minute vor, wobei der Mittelwert der 4 Einzelmessungen registriert wird [32]. Dagegen sollten nach dem Konzept der US-amerikanischen Preventive Services Task Force zwischen den Blutdruckmessungen 4 h liegen [18].
Proteinurie
Der erste messbare, mit Präeklampsie assoziierte Parameter war Eiweiß im Harn. Im Jahr 1843 beschrieb James Young Simpson Fälle von Schwangeren mit eklamptischen Anfällen, bei denen in den Tagen zuvor „albuminous urine“ beobachtet worden war [30]. Erst ab den 1960er-Jahren war es mit Harn-Stic-Untersuchungen möglich, alle Schwangeren bei jedem Kontakt auf Proteinurie zu screenen. Zeigte sich dabei ein auffälliges Ergebnis, wurden die Frauen aufgefordert, 24 h Harn zu sammeln und diesen zur Analyse mitzubringen. Ein Wert von über 300 mg/24 h gilt als Nachweis von Proteinurie.
Eine Proteinurie scheint als diagnostischer Marker für eine Präeklampsie an Relevanz zu verlieren
In vielen Lehrbüchern gilt das Vorhandensein einer Proteinurie als Unterscheidungsmerkmal zwischen Schwangerschaftshochdruck (ohne Proteinurie) und Präeklampsie (mit Proteinurie). Allerdings scheint die Proteinurie ihren Stellenwert als diagnostischer Marker zu verlieren – die US Preventive Services Task Force verlautbarte 2017 erstmals seit 1996 neue Screeningempfehlungen für Präeklampsie in der Schwangerschaft: Darin wurde erklärt, die Urinuntersuchung auf Eiweiß bringe in der Diagnostik sehr wenig, aber bei jeder Schwangeren solle bei jeder Kontrolle der Blutdruck gemessen werden [4].
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Protein/Kreatinin und Harnsäure im Serum
Bei im Screening aufgefallenen Schwangeren soll nach den amerikanischen Empfehlungen das Verhältnis Protein zu Kreatinin im Serum bestimmt werden: Ist dieses >0,3 liegt ein erhöhtes Risiko für das Eintreten einer Präeklampsie vor. Daneben wird die Bestimmung Harnsäure („uric acid“) und ihr Anstieg auf 10 mg/dl und darüber als Biomarker für die Präeklampsie vorgeschlagen [3].
sFlt-1, PIGF und VEGF
Um die Jahrtausendwende stellte man fest, dass das im Blut der Schwangeren zirkulierende Enzym „soluble fms-like tyrosine kinase 1“ (sFlt-1), das sowohl den „placental growth factor“ (PlGF) als auch den „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) bindet, ein Biomarker für das Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie sein kann [21]. Bei drohender Präeklampsie ist sFlt‑1 erhöht, PIGF erniedrigt. Hierbei gibt es verschiedene Ansätze: entweder nur den PlGF zu bestimmen [27] oder den PlGF in Kombination mit dem sFlt‑1 als Quotienten zu kalkulieren und bei der Risikobeurteilung als Marker zu verwenden [37]. Die PIGF-Messung kann im Zuge der PAPP-A(„pregnancy-associated plasma protein A“)-Bestimmung im Rahmen des Ersttrimesterscreenings im ersten Trimenon durchgeführt werden. Ziel ist in jedem Fall, durch entsprechende Prophylaxe und engmaschige Diagnostik das Auftreten einer Präeklampsie in der Schwangerschaft rechtzeitig zu erkennen. Besonders günstige Ergebnisse erzielten diese Tests bei der Festlegung, ob ein Präeklampsieverdacht bei Schwangeren im zweiten und dritten Trimester zu Recht bestand oder nicht [45].
In Deutschland werden mögliche Kosteneinsparungen diskutiert, die zu erzielen wären, wenn der sFlt-1/PIGF-Quotient konsequent zur Prädiktion der Präeklampsie eingesetzt würde [34]. Allerdings heißt es in der im Mai 2019 publizierten Leitlinie der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaften für Gynäkologie „Ein Screening mit dem sFlt1/PIGF Quotienten bei allen Schwangeren soll aufgrund der geringen Prävalenz und der nur sehr geringen Vorhersageraten nicht erfolgen“ (Expertenkonsensus 2.E.5; [1]).
Ziel ist es, das Auftreten einer Präeklampsie möglichst rechtzeitig zu erkennen
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In den USA wurden die Serummarker in den Empfehlungen der bei der Entwicklung von verbindlichen Leitlinien tonangebenden Preventive Services Task Force genauso wie die Doppler-Untersuchungen der Uterinarterien verworfen, da sie in dem dortigen Setting der Primärversorgung nicht praktikabel seien. Frau Prof. Norton aus San Francisco schrieb als Herausgeberin einer maßgeblichen Fortbildungszeitschrift geringschätzig von „esoterischen“ Serummarkern zum Präeklampsiescreening [25].
Doppler-Ultraschall der Uterinarterien
Seit rund 20 Jahren ist die Messung der mütterlichen Uterinarterien mit Doppler-Ultraschall als recht verlässlicher Indikator bekannt, um bei asymptomatischen Schwangeren ohne Bluthochdruck die Neigung zu erkennen, im dritten Schwangerschaftstrimenon eine Präeklampsie oder ähnliche Blutdruckkomplikationen zu entwickeln [7, 28].
Die verlässlichste Messgröße ist der PI („pulsatility index“) der Uterinarterien, der in der 12.–14. SSW entweder von abdominal oder vaginal gemessen wird. Bei einer 10 % Screen-Positiven-Rate werden bei einem PI >90er-Perzentile 48 % der Frauen entdecken, die eine frühe Präeklampsie entwickeln werden und 24 % der Frauen, die überhaupt eine Präeklampsie entwickeln [36]. Die Anwendung der postsystolischen Inzisur – „notch“ – der A.-uterina-Welle, die viele Jahre ein wichtiges diagnostisches Kriterium war und für die eigene Indizes publiziert wurden („notching index“), wird nun abgelehnt – die Fehlerquote sei zu hoch. Die Anwendung des Dopplers setzt eine entsprechende Ausbildung der Anwendenden, die Beibehaltung eines einheitlichen Messstandards (vaginal oder abdominal, Winkeleinstellung, manuelle oder automatisierte Messung) und eine adäquate apparative Ausrüstung des Ultraschalls voraus.
Kombination der Biomarker mit Blutdruck und Uterina-Doppler
Die zu Screeningzwecken auf Präeklampsie am häufigsten angewendeten Biomarker sind der Blutdruck und der PI der A. uterina, gefolgt von den Serummarkern. Proteinurie, Harnsäure, Protein und Kreatinin im Serum haben in Studien ihren Stellenwert verloren, werden aber weiterhin tagtäglich angewendet und sind in vielen Ländern durch Mutterschaftsrichtlinien und Standards der Schwangerenbetreuung vorgegeben. Es ist in jedem Gesundheitssystem eine organisatorische und eine Kostenfrage, wer aus einer gegebenen Population an Schwangeren gescreent werden sollte – alle Schwangeren, alle Erstschwangeren oder nur solche, auf die bestimmte anamnestische Risiken zutreffen. Die Konsequenz für die beim Screening im ersten Trimenon positiven Schwangeren mit (noch) normalen Blutdruckwerten ist die prophylaktische Therapie mit Acetylsalicylsäure.
Acetylsalicylsäure zur Präeklampsieprävention
Seit die heilende Kraft der in der Weidenrinde vorkommende Acetylsalicylsäure 1763 erstmals beschrieben und der Wirkstoff 1897 von der Firma Bayer synthetisiert und unter dem Namen Aspirin® vermarktet wurde, ist diese Substanz zu einer der meist verabreichten Medikamente für die unterschiedlichsten Indikationen geworden. Im Lauf der Jahrzehnte gibt es immer wieder Phasen der Aspirin®-Begeisterung in der Medizin. Die letzte Phase war um die Jahrtausendwende, als gefordert wurde, der Acetylsalicylsäure den Status des „Vitamin S“ zu verleihen und es somit zu einer lebensnotwendigen Nahrungsergänzung zu machen [24].
Auf jede Begeisterungsphase folgt in der Medizin eine Phase der Skepsis: Wenn in einer Population Acetylsalicylsäure zu unkritisch von vielen Menschen täglich eingenommen wird, steigt die Rate an Darmblutungen und Darmerkrankungen sowie die von Blutungsneigungen überhaupt – und es wird zur Zurückhaltung und Dosisbeschränkung bei der Verschreibung gemahnt [26].
Dies betrifft im besonderen Maße die Anwendung von Acetylsalicylsäure in der Schwangerschaft. In den 1980er- und -90er-Jahren waren es die Gynäkologen Prof. Uzan in Paris und Prof. Wallenburg in Rotterdam, die sich international für die Anwendung von Acetylsalicylsäure zur Vermeidung von Präeklampsie in der Schwangerschaft einsetzten [2, 42]. Möglichst viele Schwangere sollten möglichst früh in der Schwangerschaft mit der Einnahme von Acetylsalicylsäure beginnen, so lautete – sehr verkürzt – das in unzähligen Vorträgen und Artikeln verbreitete Konzept. Dies führte zu durchaus heftigen Auseinandersetzungen und Pro/Contra-Debatten, welche Schwangere ab wann in der Schwangerschaft Acetylsalicylsäure in welcher Dosierung bekommen sollten [6, 13]. Wichtigstes Gegenargument war der Widerwillen der meisten Schwangeren, während der Schwangerschaft täglich ein Medikament zu nehmen, zumal Acetylsalicylsäure gerade bei Frauen, die an Sodbrennen litten, diese Beschwerden vermehrte. Ferner trugen Fallberichte von Todesfällen bei Schwangeren und Hirnblutungen bei Neugeborenen, die mit mütterlicher Acetylsalicylsäureeinnahme in der Schwangerschaft in Verbindung gebracht wurden, dazu bei, dass sich Acetylsalicylsäure als Massenmedikation für alle Schwangeren zunächst nicht durchsetzte. Die großen Studien jener Jahre, wie die CLASP(Collaborative Low‐Dose Aspirin Study in Pregnancy)-Studie von 1994, hatten die tageszeitliche Einnahme den Probandinnen freigestellt und manche Studienteilnehmerinnen erst nach 32 SSW randomisiert, sodass der erwartete Nutzen der Acetylsalicylsäure in der Schwangerschaft kaum nachweisbar blieb [31]. Die Verschreibung blieb in den Empfehlungen nach dem Jahr 2000 auf Frauen beschränkt, die bereits in vorherigen Schwangerschaften schwere Präeklampsien erlitten hatten [10, 16, 19].
Derzeit erleben wir wieder eine Pro-Acetylsalicylsäure-Phase in der Geburtshilfe, die Verschreibung von Acetylsalicylsäure für positiv gescreente Risikoschwangere, besonders für Erstgebärende, wird befürwortet [31]. Dies liegt u. a. an dem seit 2000 zunehmend verbreiteten Einsatz des Doppler-Ultraschalls, der es ermöglicht, mittels der Messung der Flusskurven der Uterinarterien ein potenzielles Risiko für Präeklampsie zu erkennen [36]. Einen ganz wesentlichen Beitrag leistete die ASPRE-Studie, der erstmals an einer großen Gruppe der statistische Nachweis gelang, dass der Nutzen der Acetylsalicylsäuregabe in der Frühschwangerschaft gegenüber den Risiken überwog [33]: In diese Studie waren 1776 Schwangere aufgenommen worden, die eine Hälfte erhielt von 10–36 SSW 150 mg Acetylsalicylsäure pro Tag, die andere ein Placebo. In der Verumgruppe entwickelten 1,6 % der Frauen eine Präeklampsie, in der Placebogruppe 4,3 %. Dies entspricht einer 60 %igen Reduktion der Inzidenz von Präeklampsie in der Acetylsalicylsäuregruppe (Abb. 1).
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Wenn Acetylsalicylsäure im Sinne der Präeklampsieprophylaxe verschrieben werden soll, muss möglichst früh in der Schwangerschaft damit begonnen werden, und die Behandlung muss über Monate fortgeführt werden. Dabei handelt es sich um einen Off-label-Use. Dabei übernehmen die verschreibenden Ärzte und Ärztinnen für bis zu 20 % ihrer Schwangeren die Verantwortung und müssen den der Langzeitverschreibung total widersprechenden Beipackzettel erklären. Bevor die Präeklampsieprophylaxe mit Acetylsalicylsäure flächendeckend eingeführt werden kann, werden in den deutschsprachigen Ländern die die Verschreibung sehr stark einengenden und die Langzeitverschreibung faktisch verbietenden Beipackzetteltexte hinterfragt und geändert werden müssen.
Fazit für die Praxis
Zurzeit scheint bei der Anwendung und Umsetzung der Prognosemodelle weitgehend Konsens zu bestehen:
Ein Blutdruck von 140/90 gilt als erhöht.
Das Ersttrimesterscreening sollte nicht auf die Erkennung fetaler Fehlbildungen beschränkt sein, sondern auf die Erkennung einer Neigung zu Präeklampsie ausgedehnt werden.
Schwangere, die aufgrund des anamnestischen Profils und der Untersuchungsbefunde in die Risikogruppe fallen, erhalten Acetylsalicylsäure und kommen in eine enger überwachte Betreuungsschiene.
Schwangere, die nicht in die Risikogruppe fallen, werden im zweiten Trimenon nochmals beurteilt, dabei werden einzelne in die Hochrisikogruppe umklassifiziert.
Keinen Konsens gibt es derzeit zur Acetylsalicylsäuredosierung – 81 oder 150 mg pro Tag. Unklar ist auch, wann mit Acetylsalicylsäure begonnen werden soll und ob sich ein Beginn nach 14 SSW (Schwangerschaftswochen) im Sinne einer Prophylaxe noch auszahlt.
Um in der Präeklampsieprävention wirksam zu werden, werden die Tests im Rahmen eines flächendeckenden Screeningprogramms von den Sozialversicherungsträgern bzw. den Kassen übernommen werden müssen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Brezinka gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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