Skip to main content
Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 3/2012

01.03.2012 | In der Diskussion

Präimplantationsdiagnostik

Ungelöste Fragen angesichts des neuen Gesetzes

verfasst von: Prof. Dr. H. Kreß

Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz | Ausgabe 3/2012

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Auszug

Am 7.7.2011 hat der Deutsche Bundestag das Präimplantationsdiagnostikgesetz (PräimpG) beschlossen [1, 2]. Hiermit übernahm das Parlament die Öffnung und Liberalisierung, die die Bundesärztekammer zuvor in ihrem „Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik“ vom 18.2.2011 vorgeschlagen hatte [3]. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) kommt Paaren zugute, die sich ein Kind wünschen, obwohl bei der Frau und/oder dem Mann gravierende genetische Belastungen vorhanden sind. Eventuell ist ein anderes Kind bereits krank oder gestorben; oder die Frau hat in der Vergangenheit eine Fehlgeburt erlitten, oder eine frühere Schwangerschaft wurde abgebrochen, nachdem während dieser Schwangerschaft durch pränatale Diagnostik (PND) beim Kind eine schwere Krankheit erkannt worden war. Seit zwei Jahrzehnten ist es möglich, mithilfe einer PID schon frühzeitig, nämlich vor der eigentlichen Schwangerschaft, festzustellen, ob ein Embryo unter der schweren Krankheit leidet, die sich in der betreffenden Familie erblich bedingt wiederholen kann. Die PID erfolgt an Frühembryonen, die drei bis fünf Tage alt sind und sich noch außerhalb des Mutterleibes befinden. …
Fußnoten
1
Dem PräimpG gemäß wird die PID im Embryonenschutzgesetz geregelt (im dort neu eingefügten § 3a), welches seinerseits Nebenstrafrecht darstellt ([6], S. 792).
 
2
Zum Vergleich: Für die Ethikkommissionen, die bei der Lebendspende von Organen tätig werden, ist anders als für die jetzt in Aussicht genommenen PID-Kommissionen keine explizite „Zustimmungs“-Befugnis vorgesehen. Doch auch hier ist es eine offene, sogar verfassungsrechtlich reflexionsbedürftige Frage, ob die Einspruchsrechte und der Rechtsschutz der Patienten hinreichend gewahrt sind ([9], S. 51).
 
3
Dass Vertreter der römisch-katholischen Kirche an den Kommissionen beteiligt würden, ist eigentlich sogar von der römisch-katholischen Binnenperspektive her ausgeschlossen. Im Jahr 1999 setzte der Vatikan gegen den Widerstand der katholischen Deutschen Bischofskonferenz durch, dass katholische Stellen in Deutschland aus der gesetzlich geregelten Schwangerschaftskonfliktberatung aussteigen mussten. Der Vatikan bewertete die Aushändigung eines Beratungsscheins durch eine Beratungsstelle als Mitwirkung am Schwangerschaftsabbruch, die absolut unzulässig sei. Bei den PID-Kommissionen geht es jedoch nicht nur um ergebnisoffene Beratung, sondern sogar um Zustimmung. Repräsentanten der katholischen Kirche können die vom Gesetz vorgeschriebene „zustimmende Bewertung“ eines PID-Antrags aufgrund der Unvereinbarkeit der PID mit der kirchenamtlichen Morallehre per se nicht erteilen. Der Vatikan hat IVF und PID – genauso wie den Schwangerschaftsabbruch – kompromisslos untersagt, und zwar erneut 2008 in der Instruktion „Dignitas personae“.
 
4
Es wäre adäquater gewesen und hätte der Vermeidung von Missverständnissen gedient, wenn die Kommissionen nicht als „Ethik-“, sondern als „PID-Kommissionen“ bezeichnet worden wären (so auch der Vorschlag der Bundesärztekammer vom 18.2.2011: [3], S. A-1707).
 
Literatur
1.
2.
Zurück zum Zitat Deutscher Bundestag (2011) Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG), Drucksache 17/5451 Deutscher Bundestag (2011) Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG), Drucksache 17/5451
3.
Zurück zum Zitat Bundesärztekammer (2011) Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik. Dtsch Ärztebl 108:A-1701–1708. Erstfassung: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/PID_Memorandum.pdf (Zugegriffen: 29.1.2012) Bundesärztekammer (2011) Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik. Dtsch Ärztebl 108:A-1701–1708. Erstfassung: http://​www.​bundesaerztekamm​er.​de/​downloads/​PID_​Memorandum.​pdf (Zugegriffen: 29.1.2012)
4.
Zurück zum Zitat Maio G (2011) Ein Akt der Humanität? Universitas 66; Nr. 785:40–55 Maio G (2011) Ein Akt der Humanität? Universitas 66; Nr. 785:40–55
5.
Zurück zum Zitat Kirchhof P (2011) Wir brauchen mehr Bewusstseinsschärfe im Recht. Universitas 66; Nr. 785:20–28 Kirchhof P (2011) Wir brauchen mehr Bewusstseinsschärfe im Recht. Universitas 66; Nr. 785:20–28
6.
Zurück zum Zitat Hübner M, Pühler W (2011) Die neuen Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik. Medizinrecht 29:789–796CrossRef Hübner M, Pühler W (2011) Die neuen Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik. Medizinrecht 29:789–796CrossRef
7.
Zurück zum Zitat Augsberg I (2011) Entscheidungsbefugnis über Leben und Tod: Wer entscheidet im Rechtsstaat? In: Weilert AK (Hrsg) Spätabbruch oder Spätabtreibung. Mohr Siebeck, Tübingen, S 271–284 Augsberg I (2011) Entscheidungsbefugnis über Leben und Tod: Wer entscheidet im Rechtsstaat? In: Weilert AK (Hrsg) Spätabbruch oder Spätabtreibung. Mohr Siebeck, Tübingen, S 271–284
8.
Zurück zum Zitat Doppelfeld E (2009) Aufgaben und Arbeitsweise Medizinischer Ethik-Kommissionen. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 52:387–393CrossRef Doppelfeld E (2009) Aufgaben und Arbeitsweise Medizinischer Ethik-Kommissionen. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 52:387–393CrossRef
9.
Zurück zum Zitat Deutscher Bundestag (2005) Zwischenbericht der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin. Drucksache 15/5050 Deutscher Bundestag (2005) Zwischenbericht der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin. Drucksache 15/5050
10.
Zurück zum Zitat Frommel M, Taupitz J, Ochsner A, Geisthövel F (2010) Rechtslage der Reproduktionsmedizin in Deutschland. J Reproduktionsmed Endokrinol 7:96–105 Frommel M, Taupitz J, Ochsner A, Geisthövel F (2010) Rechtslage der Reproduktionsmedizin in Deutschland. J Reproduktionsmed Endokrinol 7:96–105
11.
Zurück zum Zitat Kreß H (2012) Ethik der Rechtsordnung. W. Kohlhammer, Stuttgart Kreß H (2012) Ethik der Rechtsordnung. W. Kohlhammer, Stuttgart
Metadaten
Titel
Präimplantationsdiagnostik
Ungelöste Fragen angesichts des neuen Gesetzes
verfasst von
Prof. Dr. H. Kreß
Publikationsdatum
01.03.2012
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz / Ausgabe 3/2012
Print ISSN: 1436-9990
Elektronische ISSN: 1437-1588
DOI
https://doi.org/10.1007/s00103-012-1465-8

Weitere Artikel der Ausgabe 3/2012

Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 3/2012 Zur Ausgabe

Editorial

Allergien

Leitlinien kompakt für die Allgemeinmedizin

Mit medbee Pocketcards sicher entscheiden.

Seit 2022 gehört die medbee GmbH zum Springer Medizin Verlag

Facharzt-Training Allgemeinmedizin

Die ideale Vorbereitung zur anstehenden Prüfung mit den ersten 24 von 100 klinischen Fallbeispielen verschiedener Themenfelder

Mehr erfahren

Update Allgemeinmedizin

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.